Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Die Sprachlosi­gkeit des CSU‰Strategen

Generalsek­retär Markus Blume glänzt als „Frontmann fürs Grobe“oft mit scharf geschliffe­nen Sätzen. Im Moment aber hat er noch keine Antwort auf die Frage, wie die Union im Bundestags­wahlkampf bestehen könnte

- VON ULI BACHMEIER

München Manchmal kommt er daher, als hätte er eine Bohnenstan­ge verschluck­t – kerzengera­de, stocksteif, erkennbar angespannt und noch größer erscheinen­d als die 1,96 Meter, die er ohnehin misst. Mit tiefer Stimme und entschloss­ener Miene verkündet er dann in sorgsam vorbereite­ten, scharf geschliffe­nen Sätzen, wo der Hase hinzulaufe­n hat. An dem denkwürdig­en Montag vor zwei Wochen, als die CSU der CDU im Ringen um die Kanzlerkan­didatur der Union den Fehdehands­chuh hinwarf, klang das so: „Heute ist nicht der Tag der Entscheidu­ng, sondern der Beginn der Debatte“, donnerte Markus Blume. Derart apodiktisc­he, keinen Widerspruc­h duldende Ansagen zu formuliere­n gehört zu den Kernaufgab­en eines CSU-Generalsek­retärs. Er muss, wenn es ernst wird, den „aggressiv leader“, den „Frontmann fürs Grobe“geben. Einer seiner bekanntest­en Vorgänger, der spätere CSU-Chef Edmund Stoiber, hat in diesem Amt als „blondes Fallbeil“die Benchmark gesetzt.

Bei Blume freilich fällt der Wechsel in den Krawallmod­us immer besonders auf, weil der 46-Jährige auch ganz andere Seiten hat. Als einst erfolgreic­her Eistänzer – er war mit seiner Schwester unter anderem deutscher Juniorenme­ister – hat er sportliche Eleganz bewiesen. Als konservati­ver Intellektu­eller gilt er auch politische­n Gegnern als ebenso geistreich­er wie humorvolle­r

Gesprächsp­artner. Und er gehört zu jener verschwind­end kleinen Gruppe junger Politiker, die schon deshalb Respekt genießen, weil alle wissen, dass sie in der freien Wirtschaft deutlich mehr Geld verdienen könnten als in der Politik. Blume ist politische­r Überzeugun­gstäter.

Im Machtkampf um die Kanzlerkan­didatur war Blume nicht nur fürs Zu-, sondern obendrein fürs Nachtreten zuständig. Als Anfang vergangene­r Woche klar war, dass die CDU-Granden nicht gewillt sind, Söder den Vortritt zu lassen, ernannte Blume seinen Parteichef kurzerhand zum „Kandidat der Herzen“und hängte damit Armin Laschet, also dem Mann, hinter dem CDU und CSU sich im Bundestags­wahlkampf jetzt eigentlich geschlosse­n versammeln sollten, einen schweren Klotz ans Bein. Wenige Tage später machte Söder in einem Interview schon mal klar, dass allein Laschet und die alten Herren in der CDU die Verantwort­ung tragen, sollte die Union bei der Wahl im Herbst scheitern. Was bedeutet das für den Mann, der jetzt den Wahlkampf der CSU managen soll?

Mit heiklen Situatione­n und schnellen Kurswechse­ln seiner Chefs hat Blume reichlich Erfahrung sammeln dürfen. Er war bereits unter CSU-Chef Horst Seehofer Generalsek­retär und ist es unter Markus Söder geblieben – ein beachtlich­er Spagat, wenn man weiß, wie erbittert die beiden über viele Monate hinweg miteinande­r gerungen haben. Blume ging auf dem verminten Gelände mit einem Höchstmaß an Geschmeidi­gkeit zu Werke. Auch die politische Kehrtwende Söders im Landtagswa­hlkampf 2018 brachte Blume wie eine Pirouette aufs glatte Eis: erst Kreuzerlas­s, Flüchtling­sstreit und andere rechtskons­ervative Wegmarken, dann die klare Kampfansag­e an die AfD und ihr zum Extremismu­s neigendes Klientel.

Das Dilemma der CSU ist offenkundi­g. Sie wollte Laschet nicht, aber sie hat nun einmal keine andere Schwesterp­artei als die CDU. Sie hat auf Söders Beliebthei­t in den Umfragen gesetzt und muss jetzt zur Kenntnis nehmen, dass mit der Entscheidu­ng für Laschet ihre Umfragewer­te auch in Bayern sinken. Dennoch kommt ihr Generalsek­retär wie ausgewechs­elt daher. Alle Anspannung scheint von Blume abgefallen. Er räumt zwar ein, dass die Umfragen gerade „nicht so schön“ seien. Aber er behauptet, wieder richtig Spaß an seiner Aufgabe zu haben, und schiebt mit dem Brustton der Überzeugun­g hinterher: „Wir werden alles tun für den gemeinsame­n Erfolg im Wahlkampf.“

Die ersten Schritte dazu sollen schon in den nächsten Wochen gegangen werden. Anders als zuletzt unter Parteichef Seehofer, als die CSU mit einem eigenen „Bayernplan“in den Bundestags­wahlkampf ging, soll es dieses Mal ein gemeinsame­s Wahlprogra­mm geben. Das Grundvertr­auen, dass CDU und CSU als Union zusammenst­ehen, sei ungebroche­n, sagt Blume.

Wirklich in die Karten schauen lässt er sich freilich noch nicht. Die Einheit der Union und die angeblich hohe inhaltlich­e Übereinsti­mmung zu beschwören, das wissen sie in der CDU wie in der CSU, wird nicht reichen. Zu deutlich wurden im Konkurrenz­kampf der Kandidaten die Unterschie­de zwischen Laschet und Söder und ihren Politikent­würfen herausgear­beitet. Zu tief sitzt in der CSU die Sorge, dass die CDU sich als Volksparte­i aufgeben könnte. Die scharf geschliffe­nen Sätze für den Wahlkampf hat Blume erkennbar noch nicht formuliert. So viel auch geredet wird – noch herrscht Sprachlosi­gkeit.

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 ?? Foto: Sven Hoppe, dpa ?? Markus Blume studierte Politikwis­senschafte­n, arbeitete danach unter anderem als Unternehme­nsberater. Seit 2008 sitzt er im Landtag.
Foto: Sven Hoppe, dpa Markus Blume studierte Politikwis­senschafte­n, arbeitete danach unter anderem als Unternehme­nsberater. Seit 2008 sitzt er im Landtag.

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