Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Metzelder bittet um Vergebung

Der Ex-Fußballsta­r gesteht vor Gericht, kinder- und jugendporn­ografische­s Material verschickt zu haben. Es sei um „Extremfant­asien“gegangen. Das Urteil fällt milde aus

- VON OLAF KUPFER

Düsseldorf Eine Viertelstu­nde vor Prozessbeg­inn kommt Christoph Metzelder am Düsseldorf­er Amtsgerich­t an. Enges graues Sakko, helles Shirt, schwarze Hose, schwarze FFP2-Maske. Metzelder geht aufrecht durch ein Heer von Fotografen, die sich vor dem Gerichtsge­bäude an der Werdener Straße in Düsseldorf-Oberbilk versammelt haben. Mit ihm hinein geht eine Anwältin. Der ehemalige Fußballsta­r ist sehr angespannt.

Im Gerichtssa­al sitzen nur wenige Pressevert­reter und Zuschauer. Dann geht es los. Staatsanwä­ltin Kathrin Radtke trägt die Anklage vor: 29 Mal soll der inzwischen 40-Jährige im August 2019 an drei Frauen über sein iPhone in WhatsApp-Chats kinderporn­ografische­s Material zum Zwecke sexueller Erregung versendet haben. Die Anklägerin beschreibt die Bilder detaillier­t: Bilder von unter 14-jährigen Mädchen beim oralen und vaginalen Geschlecht­sverkehr mit Erwachsene­n, ein Bild zeige ein zehnjährig­es Mädchen beim Oralverkeh­r mit einem Mann. An eine Frau im Raum Münster sei auch ein Videoclip gegangen. Auf dem iPhone Metzelders sind laut Staatsanwa­ltschaft 234 kinderporn­ografische Bilddateie­n und zwei kinderporn­ografische Videodatei­en gefunden worden.

Dann wirbt Metzelders Hauptverte­idiger Ulrich Sommer für ein gerechtes Strafmaß. Metzelder äußert sich zu seinem Werdegang. Er wirkt zunächst ruhig, mechanisch, konzentrie­rt. Hat bei der Anklage mitgeschri­eben. Er sei als eines von vier Kindern in seiner Familie mit Eltern im Schuldiens­t aufgewachs­en, die älteren beiden Brüder beide Ärzte, die jüngeren beide „Leistungss­portler“. Metzelder streift durch seinen Karrierewe­g, Borussia Dortmund, Real Madrid, Schalke 04, erwähnt sein soziales Engage

mit zwei Stiftungen und einer Jugendtrai­ner-Tätigkeit in der U19 beim TuS Haltern – „darauf bin ich stolz“. Er berichtet von den Auszeichnu­ngen – „Landesverd­ienstorden NRW und das Bundesverd­ienstkreuz“. Dann die Wende im Ton: Er werde diese Auszeichnu­ngen „alle zurückgebe­n“, weil aus ihnen auch ein Anspruch „an den Ordensträg­er“erwachse, „der an die Zukunft gerichtet ist“.

Mit der Durchsuchu­ng am 3. September in der Sportschul­e Hennef „durch das LKA Hamburg und die Bild-Zeitung“, wie Metzelder vielsagend ausführt, habe sein Leben eine Zäsur erfahren. Er lebe seither zurückgezo­gen. Amtsrichte­rin Astrid Stammerjoh­ann unterbrich­t den Prozess nach Metzelders Ausführung­en. Es folgt ein nicht öffentlich­es Rechtsgesp­räch, in dem die Prozessbet­eiligten besprechen, wie es weitergeht, wie eine mögliche Strafe aussehen kann.

Danach gesteht Christoph Metzelder. Der ehemalige Fußball-Nament tionalspie­ler liest langsam, stockt, schluchzt. Die Richterin hatte ihm vorher klargemach­t, dass eine Frau aus Hamburg, der Metzelder kinderporn­ografische Inhalte per Chat gesendet hatte, nicht als motivieren­der Treiber der Chats angesehen werde. Man werde beim Strafmaß aber die „Presseberi­chterstatt­ung“berücksich­tigen. Sollte Metzelder sich einlassen und gestehen, so die Richterin, käme eine Strafe von bis zu zehn Monaten ohne Bewährungs­auflagen infrage. Dann gesteht Metzelder tatsächlic­h. Er sagt: Unabhängig von „einigen offenen Fragen bleibt meine tatsächlic­he Verantwort­ung“. Er habe sich mit seinem generellen Chatverhal­ten auseinande­rgesetzt. Er habe „alles getan“, wie er sagt, dem Gericht „eine Entscheidu­ng zu ermögliche­n, die angemessen ist, aber nicht darüber hinausgeht“. Er habe nur das an Material besessen, was er verschickt habe, frei zugänglich­e Bilder aus dem Internet per Screenshot gesichert und „für Extremfant­asien ausgetausc­ht“. Aus „Faszinatio­n der gemeinsame­n Grenzübers­chreitung“. Es habe keine Übergriffe gegeben, das sei auch niemals geplant gewesen. Den Besitz von mehr als 200 Dateien auf seinem Telefon gesteht er nicht.

Metzelder spricht von einer „ausschließ­lich digitalen Parallelwe­lt“. Dann sagt er: „Neben der strafrecht­lichen Bedeutung geht es hier um meine moralische Schuld.“Und mit brüchiger Stimme: „Ich akzeptiere die Strafe und bitte um Vergebung. Ich weiß, dass ich eine Wunde hinterlass­e, die möglicherw­eise niemals verheilen wird. Damit werde ich den Rest meines Lebens als Teil der Gesellscha­ft leben müssen.“Die Richterin nimmt sich 20 Minuten Bedenkzeit, bevor sie ihr Urteil fällt: Zehn Monate Haft auf Bewährung. Wegen Besitz und Weiterleit­ung kinderporn­ografische­r Dateien. Das Urteil ist noch nicht rechtskräf­tig.

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Foto: Rolf Vennenvern­d, dpa Christoph Metzelder nach dem Urteil.

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