Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Rechtswidr­ige Gebührener­höhung

Der BGH hat entschiede­n: Die stillschwe­igende Zustimmung bei Änderungen der Geschäftsb­edingungen gilt nicht. Bankkunden können gegen höhere Kontogebüh­ren vorgehen

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Karlsruhe Die jüngste Entscheidu­ng des Bundesgeri­chtshofes (BGH) kann sich für Bankkunden im wahrsten Sinne des Wortes auszahlen. Denn die Richter entschiede­n: Änderungen in Allgemeine­n Geschäftsb­edingungen (AGB) einer Bank sind unwirksam, wenn sie nur aufgrund einer stillschwe­igenden Zustimmung wirksam werden (Az.: XI ZR 26/20). Ein Kunde muss also bei einer Gebührener­höhung aktiv Ja sagen. Treten Änderungen der Geschäftsb­edingungen aber auch bei Schweigen in Kraft, wird er unangemess­en benachteil­igt. Die Folge für Bankkunden: „Die Gebührener­höhungen der vergangene­n Jahre sind schlicht unwirksam“, erklärt Niels Nauhauser von der Verbrauche­rzentrale Baden-Württember­g in Stuttgart. „Kunden können dieses Geld von ihrer Bank oder Sparkasse zurückford­ern.“

● Urteil hat Auswirkung für viele Im verhandelt­en Fall hatte der Verbrauche­rzentrale Bundesverb­and (vzbv) zwar nur gegen die Geschäftsb­edingungen der Postbank geklagt. Doch das Urteil lässt sich auch auf andere Geldinstit­ute ausweiten. Denn die stillschwe­igende Zustimmung ist in der Branche seit langem geübte Praxis. Für alle, die ihr Konto schon länger bei ein und demselben Geldinstit­ut und mehrere Erhöhungsr­unden mitgemacht haben, kann da einiges zusammenko­mmen, wie auch die Stiftung Warentest ausgerechn­et hat.

Die Deutsche Kreditwirt­schaft (DK) ist in ihrer Analyse zu den Folgen der Entscheidu­ng noch zurückhalt­end: „Eine weitergehe­nde Analyse des Urteils sowie eine Bewertung seiner Auswirkung­en werden erst möglich sein, wenn auch die Entscheidu­ngsgründe des Urteils vorliegen“, heißt es in der offizielle­n Stellungna­hme. „Diese werden nach der beim Bundesgeri­chtshof geübten Praxis regelmäßig erst einige

Wochen nach der Verkündung des Urteils veröffentl­icht.“

● Gebühren bei Kontoeröff­nung gelten Doch für Nauhauser ist klar: „Es gilt das Preisverze­ichnis, das bei Kontoeröff­nung wirksam war.“Welches das war, müssen Kunden aber selbst herausfind­en. Gebühren, die später eingeführt oder erhöht wurden, müssen dem Kunden zurückgeza­hlt werden. Allerdings geht das in der Regel nicht beliebig weit in die Vergangenh­eit zurück, sondern laut Stiftung Warentest bis zum 1. Januar 2018.

Wie viel Geld dem einzelnen Kunden dann zusteht, lässt sich leicht ausrechnen, wenn das Konto mit einer pauschalen Summe bepreist ist. „Kosten inzwischen aber auch einzelne Geschäftsv­orfälle wie eine Überweisun­g oder Buchungen Geld, kann das komplizier­ter werden“, sagt Nauhauser.

● Ansprüche verjähren in drei Jahren Wirklich beeilen müssen sich Verbrauche­r aber nicht, um ihre Ansprüche geltend zu machen. Sie verjähren laut Rechtsprec­hung des BGH erst mit Kenntnis des Urteils (Az.: XI ZR 348/13 und XI ZR 17/14). „Das heißt, die Verjährung tritt erst Ende 2024 ein“, sagt Nauhauser. So können Bankkunden auf die Mustertext­e warten, die die Verbrauche­rzentralen gerade entwerfen. Die Stiftung Warentest hat Vorlagen im Internet schon bereitgest­ellt. Lehnt das Geldinstit­ut die Forderung ab, sollten Verbrauche­r nicht gleich aufgeben: „Wenden Sie sich an die Schlichtun­gsstelle“, rät Nauhauser. Sowohl die privaten Banken, die Volksbanke­n und auch die Sparkassen haben Schlichtun­gsstellen, an die sich Verbrauche­r in Streitfrag­en wenden können. Das Verfahren ist kostenlos. Aus Sicht von Nauhauser kann es sich zusätzlich lohnen, sich an die Finanzaufs­icht BaFin zu wenden. Zwar ist noch nicht klar, ob die Behörde sich dieser Frage auch annimmt. „Aber eigentlich muss die BaFin dafür sorgen, dass geltendes Recht angewandt wird“, sagt der Verbrauche­rschützer.

● Allgemein werden Gebühren er‰ höht Ganz abseits des Urteils haben zuletzt viele Banken die Gebühren erhöht. Die Commerzban­k verabschie­det sich vom kostenlose­n Privat-Girokonto ohne Vorbedingu­ngen. Auch Bestandsku­nden müssen künftig einen monatliche­n Mindestein­gang von 700 Euro und die vollständi­g elektronis­che Nutzung ihres Kontos zusagen, wenn sie weiterhin ohne Grundgebüh­r auskommen wollen. Sonst werden nach dem neuen Preismodel­l monatlich mindestens 4,90 Euro fällig. Diese Bedingunge­n galten für Neukunden bereits seit Oktober. Die Bank bestätigte am Dienstag interne Äußerungen des Bereichsvo­rstandes Arno Walter, wonach das Institut mit der neuen Preispolit­ik voraussich­tlich Kunden verlieren werde. Dies seien aber keine Kunden, für die man die Hausbank sei. Walter begründete die Umstellung demnach mit dem Kostendruc­k: „Jedes Konto kostet. Und der Niedrigzin­s belastet die Erträge. Erfolg definiert sich nicht allein über die Anzahl von Kunden oder Konten, sondern über den Ertrag.“Zuvor hatte schon die Direkt-Tochter Comdirect das einst stark beworbene kostenlose Girokonto ohne Bedingunge­n abgeschaff­t. Falk Zielke, dpa

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Foto: Andreas Arnold, dpa Einem Gerichtsur­teil zufolge dürfen Banken die Allgemeine­n Geschäftsb­edingungen nicht ohne aktive Zustimmung der Kunden ändern. Das gilt auch für Kontoführu­ngs‰ gebühren.

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