Augsburger Allgemeine (Land Nord)
So sah ein Kupferstecher die Stadt vor 350 Jahren
Die historischen Bilder Grimms befinden sich in Privatbesitz und in den Beständen der Städtischen Kunstsammlungen. Etliche der darauf abgebildeten Gebäude gibt es immer noch. Eine Spurensuche
Augsburg wandelt sich ständig. Neubauten lösten zu allen Zeiten alte Gebäude ab, ansonsten wäre Augsburg eine Museumsstadt. Es gibt jedoch auch Bauwerke, die sich seit rund 350 Jahren kaum verändert haben. Historische Bilder belegen das. Solche Bilder hinterließ der Augsburger Kupferstecher Simon Grimm. Er dokumentierte zwischen 1670 und 1682 „Augstburg Sambt dero vornembste Kirchen, Statt-Thor, Gebäue und Spring-Brunnen“. So beschriftete er das Titelblatt eines Albums. Es enthält die erste systematische Abbildungsserie bedeutender Bauten.
Drei Bilderserien samt Titelblättern und einem Stadtplan waren 1682 lieferbar. Die Käufer ließen die Blätter bei einem Buchbinder zu einem Album binden. Die Nachfrage war so groß, dass sich weitere Auflagen lohnten. Ungezählte Einzelblätter und etliche „Bilderbücher“sind erhalten. Augsburgs Archive besitzen insgesamt fünf komplette Bände.
In den Grafikbeständen der Städtischen Kunstsammlungen ist Simon Grimm mit 80 losen Kupferstichen aus der Gebäudeserie registriert. Darunter befindet sich eine Mappe mit kolorierten Stichen. Bedeutende Bibliotheken und Archive in aller Welt besitzen „Grimm-Stiche“. Auch bei Sammlern sind sie begehrt: Die Originale der heutigen „Album“-Illustrierung befinden sich in Privateigentum.
Mit der Jahreszahl „1682“sind die letzten Kupferstiche in Alben datiert. Bereits 1670 hatte Simon Grimm begonnen, Augsburg auf Kupferstichen abzubilden. 1676/77 folgten weitere, ehe er 1682 das Album mit insgesamt 50 Bildern mit Titelblättern komplettierte. Sein besonderes Verdienst: Er dokumentierte Augsburg nach der Wiederaufbauphase nach dem Dreißigjährigen Krieg (1618 bis 1648).
Die Bauten von Elias Holl zählen zu den zwölf „Hauptgebäu“. So nennt Simon Grimm das Rathaus, die Stadtmetzg, das Siegelhaus, das Anna-Gymnasium, die Bischofspfalz mit dem Fronhof und das Zeughaus. Eine weitere Zwölferfolge zeigt Kirchen, eine dritte auf 14 Blättern die elf äußeren und die drei innerstädtischen Stadttore (Barfüßertor, Heilig Kreuzer Tor, Frauentor). Als vierten Albumteil hängte Simon Grimm sechs Brunnenabbildungen an.
Die Bildformate variieren zwischen 17 und 28 Zentimetern Breite. In der dritten Auflage bekamen
Stiche eine fortlaufende Nummerierung, und die Ansichten des Goldenen Saals sowie des oberen und des unteren Fletzes im Rathaus wurden eingefügt. Etliche Abbildungen sind mit winzigen Jahreszahlen von 1676 bis 1682 versehen. Teils in arabischen, teils in römischen Ziffern sind sie in den Abbildungen versteckt. Alle Bilder sind in Latein und in Deutsch beschriftet.
Dass Simon Grimm das „Welsche Weingewölb“beim Siegelhaus anno 1676 auf einem Stich festhielt, hat einen familiären Hintergrund: Sein Vater war der Wechselmakler und Weingroßhändler Simon Grimm. Der Sohn hatte Zugang zum städtischen Weindepot und hielt die Szedie nerie fest: Inmitten der Fässer probieren Männer Wein, andere führen Kaufverhandlungen. Simon Grimm senior muss in Augsburg ein angesehener Mann gewesen sein, denn auf dem Titelblatt seiner Bilderfolge bezeichnet sich der Junior lateinisch als „Simone Grimmio, Simonis filio“(Simon Grimm, Simons Sohn).
Das Geburtsdatum des Malers und Kupferstechers Simon Grimm ist unbekannt. Vermutet wird das Jahr 1636. Fest steht nur, dass seine Eltern am 19. Juni 1634 heirateten. Erst nachdem der Vater 1669 verstorben war, wurde der Sohn Simon urkundlich „greifbar“, als er das ererbte Elternhaus an seinen Bruder Hieronymus verkaufte. Über die Ausbildung und das Leben des Augsburg-Dokumentars ist nichts überliefert. Es sind allein seine Kupferstiche, die ihn als akribischen Beobachter seiner Heimatstadt und als Künstler überliefern.
In den Städtischen Kunstsammlungen sind unter dem Namen „Simon Grimm“neben Augsburg-Stichen weitere 48 Blätter archiviert: Porträts, allegorische und mythologische Darstellungen, Emblemata (Sinnbilder) sowie Vier-Jahreszeiten-Stiche. Solche Arbeiten sicherten Künstlern den Lebensunterhalt. Zwei Jahre vor Simon Grimms Tod im Jahr 1684 erschien sein komplettes Augsburg-Album. Es begründet seinen Nachruhm weltweit.
Die Darstellung Augsburger Bauten ist nicht allein wegen der Bauwerke die Betrachtung mit der Lupe wert. Staffagen, die alle Bilder beleben, lassen Rückschlüsse auf seine exzellente Beobachtungsgabe mit einem Schuss Humor zu: Auf den Bildern von Simon Grimm „menschelt“es! Am bekanntesten ist die Badeszene auf seinem Bild „S. Ursula Kirch und Kloster“von 1677. Nackte Buben baden im Schwalllech. Sie springen vom Steg ins Wasser, während daneben Frauen Wäsche waschen.
Auf dem Stich vom Kornmarktplatz bei St. Moritz wendet sich ein Mann mit Krücken an einige geistliche Herren, offenbar mit der Bitte um ein Almosen. Eine Brunnenszene vor dem Frauenstift St. Stephan zeigt einen Fließwasser- und einen Schöpfbrunnen. Frauen unterhalten sich beim Wasserholen. Die winzigen Menschen- und Fahrzeugstaffagen sind Momentaufnahmen aus dem Leben in Augsburg vor rund 350 Jahren.