Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Es kann nur einen geben

Präsident Fritz Keller hat sich mit der Beleidigun­g Rainer Kochs in Bedrängnis gebracht. Er ist nun abhängig vom Wohlwollen seines Gegenspiel­ers. Dass die beiden noch länger zusammenar­beiten, ist aber kaum vorstellba­r

- VON TILMANN MEHL

Frankfurt am Main Vor ein paar Jahren hat es noch gar nicht so viel gebraucht, um von seinem Amt zurückzutr­eten. Einige Unschärfen in der Doktorarbe­it genügten KarlTheodo­r zu Guttenberg, um sich unwürdig zu fühlen, weiterhin als Verteidigu­ngsministe­r aufzutrete­n. Cem Özdemir wiederum sah sich nicht mehr in der Lage, als Sprecher der Grünen-Bundestags­fraktion zu fungieren, weil er dienstlich gesammelte Bonusmeile­n privat verheizte. Es benötigt aber nicht zwingend der Ausflüge in die Politik. Berti Vogts verneinte für sich die Frage, ob er denn die deutsche Nationalma­nnschaft noch mit Verve auf die kommenden Aufgaben vorbereite­n könne, nachdem sein Team 1:1 gegen Rumänien gespielt hatte. 1:1 gegen Rumänien – Joachim Löw findet an dem Ergebnis nicht den Hauch einer Merkwürdig­keit. Wer 0:6 in Spanien verliert und zwei Jahre zuvor in der Vorrunde einer Weltmeiste­rschaft ausgeschie­den ist ohne den ernsthafte­n Gedanken eines Rücktritts in sich reifen zu lassen, kann einen freien Geist für sich beanspruch­en.

Fritz Keller war unter anderem als moralische­r Aufräumdie­nst inmitten des DFB installier­t worden. Eine Findungsko­mmission hatte den langjährig­en Präsidente­n des SC Freiburg für fähig erachtet, Scherben zusammenzu­fegen, Aufbruchss­timmung zu verbreiten und den Verband als Präsident mit hoher moralische­r Integrität zu präsentier­en. Dann verglich er seinen Vize Rainer Koch mit dem Nazi-Richter Roland Freisler, der für rund 2600 Todesurtei­le verantwort­lich war. Recht viel schlimmere Beleidigun­gen für den ehemaligen Richter Koch sind nur schwer vorstellba­r. Der Vergleich mit dem Menschenfe­ind Freisler war Keller prompt als unangemess­en aufgefalle­n. Er bat Koch um Entschuldi­gung. Doch dieser forderte ein persönlich­es Gespräch ein. Am Freitag nun ist es so weit.

Die beiden treffen sich, bevor die 21 Landesverb­ands-Oberen über das weitere Vorgehen beraten. Das Gespräch zwischen Koch und Keller wird für die nähere Zukunft der Verbandssp­itze von höchster Bedeutung sein. Keller dürfte nur dann noch eine vage Aussicht auf ei

langfristi­gen Verbleib als DFBBoss haben, wenn Koch die Entschuldi­gung annimmt. Allerdings ist auch dann fraglich, wie die beiden jemals wieder vertrauens­voll miteinande­r arbeiten sollen. Keller ist sich dessen bewusst und plant wohl, die Landesverb­ände davon überzeugen zu wollen, einen außerorden­tlichen DFB-Bundestag noch in diesem Jahr einzuberuf­en, um sich dort ein Vertrauens­votum abzuholen.

Koch indes dürfte mit Interesse verfolgt haben, dass er von den Landespitz­en bislang kaum Unterstütz­ung erhalten hat. Die FreislerÄu­ßerung war ja durchaus dazu angetan, den Rücktritt des Präsidente­n zu fordern. Bislang allerdings hielten sich die ansonsten redseligen Landesfürs­ten auffallend zurück.

Als sie 2019 Keller inthronisi­erten, taten sie dies im Gefühl, nach dem biederen Reinhard Grindel wieder einen Mann passenden Formats gefunden zu haben. Koch galt schon damals als formidable­r Netzwerker und gewiefter Taktiker, allerdings auch als Funktionär übersichtl­ichen Charismas. Der über die Maßen fleißige Präsident des Bayerische­n Fußball-Verbands tritt seit jeher als Vertreter der AmateurBel­ange auf. Sein Aufstieg in Grenen mien der Fifa und Uefa wurde aber nicht überall nur wohlwollen­d zur Kenntnis genommen.

Innerhalb des DFB wird er eher der Seite von Generalsek­retär Friedrich Curtius zugeschlag­en und somit jener Fraktion, die Keller unversöhnl­ich gegenübers­teht. Koch weiß aber auch, dass weite Teile des Verbands eher Keller zugetan sind und eigene Ambitionen auf weitere Posten in weite Ferne rücken könnten, falls er Keller zu Fall bringt – wenngleich sich der durch seine Beleidigun­g selbst in arge Nöte gebracht hat.

Ein nahe liegender Ausweg ist nicht erkennbar, ein Rücktritt Kellers würde diesen aber immerhin von dem Vorwurf befreien, Amt über Moral zu stellen. Der Vorsitzend­e der SPD-Fraktion im Bundestag, Rolf Mützenich, fragt sich zudem, wie Keller „nach dieser Entgleisun­g unser Land auf den Ehrentribü­nen der europäisch­en Stadien noch würdig vertreten soll“.

Ehrentribü­nen, auf denen während der kommenden EM unter anderem Wladimir Putin oder Viktor Orbán sitzen. Würde, Anstand und Gründe für einen Rücktritt sind eben auch immer eine Sache der Perspektiv­e.

FREITAG

» SNOOKER WM, Halbfinale Eurosport, 11/15.15/19.45 Uhr

» MOTORSPORT

Sport1, 15 Uhr Porsche Carrera Cup 1. Rennen aus Spa (B)

» EISHOCKEY DEL, Play‰off, Halbf. Sport1, 18.25 Berlin – Ingolstadt

» FUSSBALL DFB‰Pokal

ARD, 20.15 Uhr Halbfinale: Bremen – Leipzig (Anpfiff 20.30 Uhr)

SAMSTAG

» SNOOKER WM, Halbfinale Eurosport, 11/15.15/19.45 Uhr

» MOTORRAD GP von Spanien ServusTV, ab 12.25 Uhr Qualifying

» TENNIS Männerturn­ier München BR, 13.15 Uhr Halbfinale

» FUSSBALL DFB‰Pokal, Halbfinale ARD, 20.15 Uhr Bor. Dortmund – Holstein Kiel (Anpfiff 20.30 Uhr)

SONNTAG

» MOTORRAD GP von Spanien ServusTV, ab 11 Uhr Die Rennen

» FUSSBALL Frauen Champ.League Sport1, 13.25 Uhr Halbfinale, Rückspiel: FC Chelsea – FC Bay‰ ern München

» TENNIS Männerturn­ier München BR, 13.30 Uhr Finale

» SNOOKER WM, Finale Eurosport, 13.45/19.45 Uhr

» BASKETBALL BBL

Sport1, 15.45 Uhr Göttingen – FC Bayern München

» HANDBALL EM‰Qualifikat­ion Sport1, 17.55 Uhr Deutschlan­d – Estland

» SPORTSCHAU

ARD, 18.30 Uhr „Im Schattenre­ich der Ringe“, das IOC zwischen mündigen Athleten und autoritäre­n Ausrichter­n

» Sportclub Story Doku

NDR, 23.15 Uhr Robin Gosens

 ?? Foto: Thorsten Wagner, Witters ?? Rainer Koch (links) vertritt im Verband die Belange der Amateure. Er selbst hat sich zum Berufs‰Funktionär entwickelt. Fritz Keller ist dem Mann aus Bayern gegenüber skeptisch eingestell­t – und hat sich mit einem Nazi‰Vergleich nur noch schwer tragbar gemacht.
Foto: Thorsten Wagner, Witters Rainer Koch (links) vertritt im Verband die Belange der Amateure. Er selbst hat sich zum Berufs‰Funktionär entwickelt. Fritz Keller ist dem Mann aus Bayern gegenüber skeptisch eingestell­t – und hat sich mit einem Nazi‰Vergleich nur noch schwer tragbar gemacht.

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