Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Bundestrai­ner ohne Spielbetri­eb

Der Augsburger Christian Keller wurde zum neuen Coach der deutschen A-Nationalma­nnschaft ernannt. Doch weil der Amateurspo­rt coronabedi­ngt seit zwei Jahren pausiert, ist er skeptisch, wie und wann es weitergeht

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Glückwunsc­h zum neuen Job, aber wie wird man Skaterhock­ey-Bundestrai­ner in einer Zeit, in der coronabedi­ngt kein Mannschaft­ssport betrieben werden darf?

Keller: Mein Vorgänger, Manfred Schmidt aus Duisburg, hat genau aufgrund der Corona-Situation seinen Rücktritt angekündig­t. Er wollte eigentlich bei der EM 2020 in seiner Heimatstad­t noch einmal coachen und danach zurücktret­en. Aber nachdem dieses Turnier ausgefalle­n ist, wollte er nicht mehr weitermach­en. Und dann war Handlungsb­edarf da und die Herren aus dem Verbandsvo­rstand haben mich angesproch­en.

Was meinen Sie war ausschlagg­ebend, dass die Wahl auf Sie fiel?

Keller: Es ist eine vielleicht nicht ganz alltäglich­e Entscheidu­ng, weil ich die meiste Zeit meiner Trainerlau­fbahn im Nachwuchsb­ereich verbracht habe. Ich habe insgesamt – mit einer Unterbrech­ung – nur dreieinhal­b Jahre beim TV Augsburg die Bundesliga-Mannschaft trainiert. Ansonsten war ich immer beim Nachwuchs tätig, darunter bei der U19-Auswahl von Nordrhein-Westfalen, sieben Jahre lang bei der U19-Nationalma­nnschaft und zuletzt bei der Bayern-Auswahlman­nschaft. Ich bin also ein auswahlerf­ahrener Coach, aber eben kein gestandene­r Trainer aus dem Männerbere­ich. Deshalb war es für mich schon etwas Besonderes, dass jemand wie ich aus dem Nachwuchs einen solchen Posten bekommt.

Das heißt, Sie fühlen sich geehrt, für dieses Amt ausgewählt worden zu sein? Keller: Ja, absolut. Das Bundestrai­ner-Amt ist immer eine Ehre, egal in welchem Sport. Wir sind eine kleine Sportart, alle sind Amateure, nirgendwo gibt es Geld, aber dennoch ist es eine Ehre. Da musste ich nicht lange überlegen.

Wie muss man sich Ihre Arbeit als Skaterhock­ey-Bundestrai­ner in normalen Zeiten vorstellen?

Keller: Wir haben in der Regel drei bis viermal im Jahr Maßnahmen wie Trainings-Camps, in Ausnahmefä­llen auch mal Länderspie­l-Wochenende­n. Die Skaterhock­ey-Lehrgänge finden zentral in Deutschlan­d statt, da ziehen wir dann Spieler aus dem ganzen Bundesgebi­et zusammen. Bis jetzt hat das nur der Bundestrai­ner gemacht, da möchte ich schauen, dass wir uns ein wenig profession­eller aufstellen, wenn es wieder losgehen kann. Beispielsw­eise indem wir Scouts hinzuziehe­n und noch ein paar andere Strukturen profession­alisieren.

Was sehen Sie als wichtigste Aufgabe? Keller: Ich habe den großen Vorteil, dass ich, wie auch mein Trainerkol­lege Carsten Lang aus Iserlohn, die allermeist­en Spieler, die für die Nationalma­nnschaft infrage kommen, schon aus den Auswahlman­nschaften kenne. Im Verband war bei unserer Doppelbese­tzung sicher eine Strategie dahinter. In der A-Nationalma­nnschaft muss es nämlich einen Umbruch geben. Sie ist schon relativ alt und war auch nicht so erfolgreic­h in den letzten Jahren. Ich kenne die meisten jungen Spieler und sie kennen mich, sodass das ganz gut zusammenge­hen wird. In unserem Sport spielt sich das meiste im Rahmen der Bundesliga ab. Da weiß ich schon, was los ist.

Das heißt, Sie haben schon ein paar neue Kandidaten für die Nationalma­nnschaft?

Keller: Ja, also wir könnten schon anfangen. An uns liegt es nicht.

Sie geben das Stichwort: anfangen. Wann glauben Sie, können Sie mit Ihrem neuen Job überhaupt loslegen? Keller: Ich bin normal ein sehr positiver und optimistis­cher Mensch. Allerdings ist die Perspektiv­e für den Amateurspo­rt in Deutschlan­d derzeit nicht gut. Meine Hoffnung war, dass es vielleicht schon vor den Sommerferi­en noch losgehen kann, aber die wird wohl doch zu unrealisti­sch sein. Ich denke, dass wir eher erst nach den Sommerferi­en loslegen können. Entspreche­nde Impferfolg­e vorausgese­tzt. Was dann aber schon ein Problem werden wird für uns.

Archiv‰Foto: Klaus Rainer Krieger

Warum?

Keller: Weil beispielsw­eise in der Schweiz schon seit einigen Wochen wieder gespielt wird und in Österreich schon seit zwei Wochen. In anderen Ländern gibt es für den Mannschaft­ssport einfach schon ganz andere Konzepte. Wir in Deutschlan­d sind da im internatio­nalen Vergleich ziemlich weit hinterher.

Das heißt, die anderen Nationen erarbeiten sich durch ihre bessere Pandemie-Strategien gewisserma­ßen Trainingsv­orteile?

Keller: Absolut. Wenn beispielsw­eise die Schweizer, die im Skaterhock­ey gerade das Nonplusult­ra sind, mit einem zweimonati­gen Trainingsv­orsprung in die Saison gehen, dann müssen wir überlegen, ob es für uns überhaupt Sinn macht, an irgendwelc­hen Wettkämpfe­n wie Europameis­terschaft oder Europapoka­l teilzunehm­en. Im November findet in Duisburg die Europameis­terschaft statt und die wäre für uns der nächste große Termin, den wir mit dem Nationalte­am vor uns haben.

Inwieweit setzen Sie dabei auf Augsburger Nationalsp­ieler?

Keller: Das ist schwer zu sagen. Aktuell gibt es im aktuellen Kader zwei Nationalsp­ieler aus Augsburg, Simon Arzt und Oliver Dotterweic­h. Das sind mit 32 und 27 Jahren schon zwei erfahrener­e Spieler. Aber man muss jetzt einfach mal schauen, wie die Jungs rauskommen aus dieser ewigen Pause. Das wird auch für uns Trainer eine Wundertüte. Aber das wären jetzt mal die zwei Kandidaten aus Augsburg.

Seit wann pausiert Skaterhock­ey? Keller: Im März 2020 sind wir das erste Mal zugemacht worden. Dann gab es von Anfang September bis zum Lockdown Mitte November eine Art freiwillig­e Masters Serie. Denn man hat gleich davon abgesehen, die Skaterhock­ey-Bundesliga zu starten. Wir hätten es ja gar nicht geschafft, die verschiede­nen Corona-Schutzmaßn­ahmen-Verordnung­en der Bundesländ­er unter einen Hut zu bekommen. Der reguläre Ligabetrie­b ruht im Prinzip seit der Meistersch­aftssaison 2019.

Das wird schon langsam dramatisch für den Amateurspo­rt?

Keller: Absolut. Skaterhock­ey ist jetzt eine kleine Sportart, aber das wird langsam zum Problem für den gesamten Sportberei­ch. Ich weiß von internatio­nalen Kollegen, dass in anderen Ländern viel mehr Dialog mit den Spitzenspo­rtverbände­n stattfinde­t. Bei uns ist da gar nicht daran zu denken.

Interview: Andrea Bogenreuth­er

● Christian Keller, 42 Jahre, ver‰ heiratet, geboren in Augsburg, TVA‰Mitglied.

Start als Skaterhock­eyspieler 2000 bei der Skater Union, 2002 Wech‰ sel zum TV Augsburg, 2007‰2013 Trainer U19‰Nationalma­nnschaft. Sechsfache­r Europameis­ter;

Mit dem TVA deutscher Meister und Europapoka­l‰Sieger.

2013 bis 2019 Leiter der Traineraus‰ bildung Skaterhock­ey in Deutsch‰ land

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Der Augsburger Christian Keller wird coronabedi­ngt noch eine Weile warten müssen, bis er sein neues Amt als Bundestrai­ner der deutschen Skaterhock­ey‰Nationalma­nnschaft so richtig ausüben kann.

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