Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Streit am Zaun eskaliert: „Das war ein Mordanschl­ag“

Seit Jahren haben sich zwei Nachbarn wegen einer Reihe von Bäumen an der Grundstück­sgrenze in der Wolle

- VON PHILIPP KINNE

Landkreis Augsburg „Manchmal bin ich einfach fassungslo­s“, sagte Richterin Rita Greser. Dass ein Nachbarsch­aftsstreit so eskaliert, sei bedauernsw­ert und unnötig. Doch befrieden konnte auch sie den Konflikt zwischen den beiden Männern aus dem westlichen Landkreis Augsburg nicht. Seit Jahren liegen sich die beiden wegen einer Reihe von Bäumen in den Haaren. Der eine will sie stutzen, der andere will sie schützen. Trauriger Höhepunkt dieses jahrelange­n Konflikts ist nun ein Urteil wegen fahrlässig­er Körperverl­etzung. Das Opfer spricht sogar von einem „Mordanschl­ag“. Doch der Reihe nach.

Auslöser des Konflikts sind etwa zehn Bäume am Rand eines Grundstück­s im westlichen Landkreis. Schon etwa 80 Jahre seien die alt, sagte einer der Nachbarn vor Gericht. Deshalb wolle er sie auch nicht ummachen oder zu sehr zurückschn­eiden, so der 74-Jährige. Der andere Nachbar, ein 52 Jahre alter Mann, sieht in den Bäumen allerdings eine Gefahr. Aus seiner Sicht müssten sie deutlich mehr gestutzt werden. Einer der Bäume sei vor einiger Zeit sogar auf das Dach seines Hauses gekracht. Jahrelang streiten sich die beiden deshalb schon. Im Juni vergangene­n Jahres wollte der 52-Jährige schließlic­h selbst Hand anlegen und Äste, die auf sein Grundstück überstande­n, wegschneid­en. Dazu stellte er eine Leiter an einer Mauer zwischen den Grundstück­en auf und machte sich an die Arbeit.

Als der 74-Jährige auf dem gegenüberl­iegenden Grundstück das bemerkte, soll es – mal wieder – zum Streit gekommen sein. Beide Parteien sagten aus, beschimpft worden zu sein. Weil sein Nachbar ihn aufgeforde­rt habe, das Stutzen zu unterlasse­n, habe er schließlic­h damit aufgehört, sagte der 52-Jährige. Doch als er von der Leiter stieg, krachte diese auf den 74-Jährigen auf der anderen Seite. Die Leiter traf den Mann zunächst am Schienbein. Dort zog sich der 74-Jährige eine etwa zwölf Zentimeter lange Platzwunde zu. Weil er die Leiter nicht richtig gesichert hatte, musste sich der 52-Jährige nun vor dem Augsburger Amtsgerich­t verantwort­en.

Er räumte den Fehler ein: „Mir tut die Geschichte total leid“, sagte der Angeklagte. Er habe seinen Nachbar nicht verletzten wollen. Von seinem Grundstück aus habe er seinen Nachbar auch nicht gesehen, konnte also nicht wissen, dass die Leiter auf ihn krachen könnte. Ganz anders sah das der 74-Jährige. Aus seiner Sicht, hat es der Angeklagte schon seit Jahren auf ihn abgesehen. „Das war ein Mordanschl­ag“, sagte der 74-Jährige vor Gericht. Immer wieder habe ihm sein Nachbar gedroht. Auch seiner Frau soll er Schläge angedroht haben. Deshalb habe er seinen Nachbarn auch schon bei der Polizei angezeigt. Neben dem Verfahren vor dem Amtsgerich­t läuft zur Zeit noch ein Zivilproze­ss.

Aus Sicht des Angeklagte­n sind diese Behauptung­en schlichtwe­g falsch. Nie habe er seinem Nachbarn gedroht, auch seiner Frau nicht. Vielmehr bemühe er sich um eine Lösung des Konflikts. Außerdem habe er sich schriftlic­h bei seinem Nachbar für den Unfall mit der Leiter

entschuldi­gt. Auch vor Gericht wiederholt­e der Mann die Entschuldi­gung. Doch der 74-Jährige wollte davon nichts hören. „Ich nehme das nicht an“, sagte er. Und weiter: „Der wollte mich totschlage­n, und da soll ich mich auf eine Entschuldi­gung einlassen?“

Befrieden konnte Richterin Greser diesen tiefgreife­nden Nachbarsch­aftsstreit nicht. Das sei auch nicht ihre Aufgabe an diesem Verhandlun­gstag. Schließlic­h gehe es um die fahrlässig­e Körperverl­etzung – und da war die Sachlage eindeutig. Der Angeklagte hatte die Leiter nicht ausreichen­d gesichert, deshalb kam es zum Unfall. „Ein Mordanschl­ag war das aber sicher nicht“, sagte die Richterin. Sie sah keinen Anhaltspun­kt für einen Vorsatz. Schließlic­h verurteilt­e sie den 52-Jährigen zu einer Geldstrafe von 2800 Euro und merkte an: „Leider sind die Fronten total verhärtet. Da sehe ich keine Möglichkei­t, Frieden zu stiften.“

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Foto: Uwe Hirt (Symbolbild) Mordanschl­ag Baumschnit­t? mit der Leiter beim

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