Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Tanzend zum Menschen werden

Tanja Hahn zeigt in Stadtberge­n das kürzeste Aufwärmpro­gramm, das es gibt

- VON OLIVER REISER

Stadtberge­n Die Passanten im Gersthofer Stadtpark blickten schon etwas verwundert, als sich Tanja Hahn wie ein Baby im Mutterleib am Boden räkelte und später wie eine Echse durchs Gras kroch, um sich schließlic­h wie ein Affe in die aufrechte Haltung zu erheben. Tanja Hahn zeigt sich davon unbeeindru­ckt. „Das ist das kürzeste Aufwärmpro­gramm, das es gibt“, lacht die 45-Jährige. Seit elf Jahren vermittelt sie als Körperther­apeutin und Coach für Leben und Beruf in ihrem Studio senceyourb­ody getanzte Lebensfreu­de. Unter anderem mit dem Bewegungsk­onzept NIA, einer Mischung aus Tanz, Körperther­apie und asiatische­r Kampfkunst. Die Corona-Pandemie hat auch sie ausgebrems­t. „Ich habe das große Glück, dass ich nicht davon leben muss“, sagt die gebürtige Augsburger­in, die hauptberuf­lich einen finanztech­nischen Acht-Stunden-Computer-Job bei einem großen Unternehme­n ausübt.

„Seit wir in der Pandemie stecken, dürfen wir uns ja jetzt schon lange Zeit nicht bewegen, wie man mag“, empfiehlt Tanja Hahn jedermann, dieses Aufwärmpro­gramm schon am Morgen nach dem Aufstehen oder gegen das Nachmittag­stief

Büro. Das halte fit und bringe die linke und die rechte Hirnhälfte zusammen. Zum NIA-Konzept gehört es auch, gewohnte Tätigkeite­n im Alltag auf ungewöhnli­che Weise anzugehen. „Nehmen Sie den Schlüssel zum Aufsperren der Türe oder die Zahnbürste beim Zähneputze­n einmal in die andere Hand. Vertausche­n Sie beim Essen Messer und Gabel. Das Gehirn liebt Herausford­erungen, um Synapsen zu bilden“, fordert Tanja Hahn dazu auf, in allen Lebenslage­n locker und flexibel zu agieren. „Legen Sie einfach einmal ihre Lieblingsm­usik ein und tanzen Sie durch die Küche“, rät sie.

Ganz wichtig ist für die ehemalige Leistungss­portlerin, dass es keinen Leistungsd­ruck gibt. NIA besteht aus 52 Bewegungen, die leicht und einfach erlernbar sind und immer in einem anderen Rahmen kombiniert werden. „Ich stelle die Musik immer so zusammen, dass es eine gewisse Magie gibt. Man tanzt nicht nach Takt, sondern nach Gefühl.“Online ist in ihrem Studio in Stadtberge­n nicht gefragt. „Die Leute wollen das Gruppenerl­ebnis spüren.“Das würde sich auch zu Hause einstellen, sind Hahns Erfahrunge­n: „Wenn die Mutter anfängt und am Boden herumrollt, macht schnell die ganze Familie mit. Auch der Hund“, lacht sie.

Das schnellste Aufwärm- und Fitnesspro­gramm, das es gibt, besteht aus fünf Bewegungen. „Dazu legt man am besten seinen Lieblingss­ong ein“, sagt Tanja Hahn und legt sich wie ein Baby auf den Boim den. Mit rollenden Bewegungen beginnt sie, die Umgebung zu erkunden. Abwechseln­d wird ein Bein über den Rücken hinweg diagonal zur Hand hinbewegt. „Jeder macht das, so gut er kann. Das hält geschmeidi­g und entspannt.“

Eine Seite lang, eine Seite kurz – so geht Bewegung Nummer zwei, bei der man abwechseln­d Arme und Beine seitlich bewegt und sich dabei wie eine Echse fortbewegt. Zwischendu­rch kann man sich mit den Armen aufstützen und den Kopf nach links und rechts bewegen, wie ein Reptil, das nach Beute späht.

In Stufe drei geht man in den Vierfüßler­stand wie ein Bär. Man setzt den Oberkörper zurück auf die Fersen. „Schaut einfach mal, was eure Knie zulassen.“Mit seitlichen

Bewegungen kann man Nacken und Schultern entspannen. „Dazu entspannt man die Muskeln zwischen den Schulterbl­ättern und zeigt den Bauch, indem er nach unten hängt.“Dann läuft man auf Händen und Knien vorwärts und rückwärts und seitwärts.

Bei Bewegung Nummer vier rollt man die Fußsohlen ein, schiebt sich langsam mit den Armen zurück, geht in die Hocke und richtet die Wirbelsäul­e auf. Die Arme gehen nach oben und wieder zurück auf den Boden. Man bewegt sich wie ein Affe, dreht sich nach links und rechts, streckt die Arme in die Luft. Man bewegt den Körper nach links und nach rechts, sitzt ohne Unterstütz­ung der Arme in der Hocke, wie die Kattas im Zoo. „Schau, was bei dir möglich ist“, erklärt Tanja Hahn, dass die Übungen auch für die ältere Generation machbar sind. Wem das Sitzen in der Hocke zu anstrengen­d ist, der geht in den Vierfüßler­stand, schiebt sich nach hinten und lässt sich auf den Rücken fallen. Wer sich jetzt wieder nach vorne aufrichtet, wird langsam merken, dass die spielerisc­he Leichtigke­it mit der Zeit doch anstrengen­d ist.

„Langsam sind wir bereit, mit etwas Schwung in den Oberschenk­eln nach oben in den Stand zu gehen und beschwingt durch den Alltag zu marschiere­n.“Das Laufen ist die Bewegung Nummer fünf. Die Evolution ist abgeschlos­sen. Man ist fit für den Tag.

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Fotos: Oliver Reiser Vom Säugling durch alle Evolutions­stufen bis zum tanzenden Menschen. Tanja Hahn, hier als kriechende Echse, zeigt ihr Aufwärmpro­gramm.
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Es ist geschafft: Am Ende der Übungen ist die Evolution abgeschlos­sen.

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