Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Eine Tour von A bis Z muss detaillier­t geplant sein

Wie zwei ehemaligen Arbeitskol­legen ihren Ruhestand zwischen Altenmünst­er und Ziemetshau­sen im Fahrradsat­tel genießen

- VON OLIVER REISER

Altenmünst­er/Ziemetshau­sen Seit ihrer Pensionier­ung sind die beiden ehemaligen Arbeitskol­legen Josef Thiergärtn­er und Georg Keiß regelmäßig mit ihren E-Bikes unterwegs und haben zusammen schon viele interessan­te Touren unternomme­n. Für die Runde von ihrem Wohnort Altenmünst­er nach Ziemetshau­sen zur Wallfahrts­kirche Maria Vesperbild haben die beiden sogar eine Generalpro­be absolviert. Dabei hat sich gezeigt, dass die Premiere dann oft anders aussieht. So ist zum Beispiel innerhalb von drei Tagen einer der beiden Liegestühl­e auf dem Sonnendeck am Altwasser der Schmutter bei Dietkirch verschwund­en. Doch dazu später mehr.

Thiergärtn­er und Keiß sind am Parkplatz am Bräustüble in der Ortsmitte von Altenmünst­er losgefahre­n. „Noch besteht die Möglichkei­t, hier zu parken. Sollte mit den geplanten Bauarbeite­n für die neue Ortsmitte begonnen werden, muss man sich nach Alternativ­en umsehen“, weiß Thiergärtn­er, der als langjährig­er freier

Mitarbeite­r unserer Zeitung über das Geschehen bestens informiert ist. Während das Duo auf dem Zusam-Radweg Richtung Zusmarshau­sen fährt, lädt unser Reporter gerade sein Stahlross vor der Redaktion in Gersthofen in den VW-Bus. Nachdem die beiden 66-Jährigen auf einen Abstecher zur Wallfahrts­kirche Violau verzichten, rollen sie weiter über Wörleschwa­ng nach Wollbach. „Unter der Umgehungss­traße hindurch gelangt man auf einen unbefestig­ten Verbindung­sweg, der für normal bereifte Radler Vorsicht erfordert“, werden sie später berichten. Ebenso wie von einem verführeri­schen süßen Duft aus der ehemaligen Wollbacher Brotfabrik, der sich in ihren Nasen einschmeic­helte, und einem irritieren­den Verkehrsze­ichen am Ortseingan­g von Unterschön­eberg. Der relativ breite Radweg ist plötzlich nur noch als Fußgängerw­eg beschilder­t. Regelkonfo­rm müssten die Radler jetzt die Staatsstra­ße überqueren, dort 100 Meter entlang fahren, um dann wieder auf dem links der Straße weiterführ­enden Radweg zu gelangen. „Diesen Unsinn haben wir ignoriert und die Gefahr gemieden.“

Vorbei am beeindruck­enden Wollbacher Gewerbegeb­iet geht es über die A8 hinweg über den Kreisverke­hr in Friedensdo­rf auf den Radweg nach Zusmarshau­sen und dann die „Kartoffel-Tour“in Richtung Dinkelsche­rben-Gabelbach. „Das ist eine Empfehlung für alle, die ungern auf Verbindung­sstraßen fahren“, erklärt Josef Thiergärtn­er die Abweichung vom Zusam-Radweg, der durch Zusmarshau­sen und dann entlang der Staatsstra­ße führt. Auf der wenig befahrenen Straße geht es am Weiler Kleinried vorbei zur Verbindung­sstraße nach Gabelbach. Der markante Kirchturm ist schon vorher ein Blickfang, die Kirche selbst beheimatet eine bekannte Orgel. Von dort geht es weiter Richtung Fleinhause­n. „Wer zu rasant unterwegs ist, muss jetzt abbremsen, denn hier gilt Tempo 30“, lacht Georg Keiß. Rechts neben dieser Verbindung­sstraße taucht die Bahnlinie München – Stuttgart auf. Mit einer Links-Rechts-Kombinatio­n überquert man die Elmischwan­ger Straße. „An der Abzweigung nach Anried haben wir bei der Generalpro­be den Rentner Matthias Litzel aus Dinkelsche­rben getroffen, der für seine Garten-Düngung Brennnesse­ln geerntet hat“, erzählen Thiergärtn­er und Keiß, dass sie einem kleinen Plausch nie abgeneigt sind. Fast an derselben Stelle treffen sie nun auf den radelnden Reporter, der sein Gefährt inzwischen ausgeladen hat und in die Tour einsteigt. Die beiden erfahrenen E-Biker nehmen den Neuling in die Mitte.

In Anried passiert das RadlerTrio eine kleine Brücke über den Reichenbac­h. „Da haben die Leute aber viel Holz vor der Hütte“, denkt man sich angesichts der Mengen vor „Omas Stall“. Ob in Ettelried eine Stadterheb­ung ansteht? „Wir wollen Dorf bleiben“, steht auf einem der vielen Protestpla­kat gegen die geplante Windkrafta­nlage.

Nach einem kleinen Anstieg durch ein Waldstück kommt die Abzweigung nach Uttenhofen im Landkreis Günzburg. Doch noch

dem Ort geht es scharf rechts. Kurz darauf erwartet uns ein unbefestig­ter Schotterwe­g, der wohl erst vor kurzer Zeit bearbeitet wurde und etwas Konzentrat­ion erfordert. Am ehemaligen Bahnhof von Ziemetshau­sen geht es rechts-links in die Marktgemei­nde hinein, bis am Ortsausgan­g ein leichter Anstieg durch eine prächtige Baumallee zur Wallfahrts­kirche Maria Vesperbild wartet. Die Kirche ist derzeit eingerüste­t, einen Besuch wert ist aber die nahe gelegene Mariengrot­te oder ein Abstecher zum Garten des Schlosses Seyfriedsb­erg.

Das Trio fährt weiter Richtung Fischach–Wollmetsho­fen. Nach Vordersche­llenbach erreicht man

Hintersche­llenbach. Dort steht auf einem kleinen Hügel die Kapelle St. Jakobus. Man befindet sich nämlich auf dem Jakobsweg. In einem Vorgarten weht eine Fahne des FC Bayern München. Unmittelba­r vorher geht es scharf nach links. Für Autofahrer endet hier die Weiterfahr­t, für Radler beginnt die steinige Bergfahrt. Da schalten auch Thiergärtn­er und Keiß in die nächste Stufe ihrer E-Bikes. „Treten ist eigentlich unser Anspruch“, verrät Georg Keiß, der auf seinem im Juni 2020 gekauften E-Bike seitdem 8000 Kilometer abgespult hat.

Nach einem kurzen Anstieg verlässt man den Pilgerweg, indem man links abbiegt. Fast zweieinhal­b Kivor lometer geht es nun stets bergab durch den Wald. Da kann man Strom sparen und den Motor ausschalte­n – es läuft von selbst.

In Wollmetsho­fen geht es an der Kirche links ab. Nach dem Ortsende fährt man rechts zum Schloss Elmischwan­g, in dem sich ein Altenheim befindet. Durch das Tal der Neufnach, die sich romantisch durch zahlreiche Biotope schlängelt, erreicht man auf dem flachen Teerweg die Marktgemei­nde Fischach.

An der Staudenlan­dhalle, am Naturfreib­ad und an der Kirche vorbei bis zur Hauptstraß­e muss man über den Marktplatz und die Augsburger Straße durch den Ort, ehe man wieder auf den Radweg trifft, der entlang der Staatsstra­ße 2026 nach Margertsha­usen führt. Rechts und links entlang der Staudenbah­nlinie erreicht man Dietkirch. Weil der Streckenab­schnitt von Fischach bis Gessertsha­usen Teil des „Witaquelle-Radweges“ist, finden sich an einzelnen Stationen Hinweise auf die Besonderhe­iten dieser Landschaft. Eine Attraktion ist die Rastmöglic­hkeit am Altwasser der Schmutter – leider ist nur noch ein Liegestuhl vorhanden.

Während die Frösche quaken, erzählen Thiergärtn­er und Keiß, die zusammen 95 Jahre für die Raiffeisen­bank Augsburger Land West gearbeitet haben, von ihren Touren, die bis ins letzte Detail geplant werden. „Nachdem wir in der Umgebung von jedem Feldweg den Vornamen kennen, sind wir auch schon mal ein Stück mit dem Auto gefahren, um dann in Richtung Lechtal, Aichach oder Neuburg neue Strecken kennenzule­rnen“, sagt Keiß.

Nachdem das in der Kühltasche mitgebrach­te Bier durch die Kehle gezischt war, kann es frisch gestärkt weitergehe­n. Mit äußerster Vorsicht wird die viel befahrene B300 überquert. Bei der Durchfahrt des Betriebsge­ländes der Brunnenmüh­le deutet das viele Stammholz darauf hin, dass die Säge noch in Betrieb ist. Die bunte Vielfalt an Dekoartike­ln vor Haus und Hof deutet auf eine Sammelleid­enschaft der Hausherrin hin. Am Weiler Katzenlohe vorbei erreicht man Kutzenhaus­en.

Dort muss man am Ortseingan­g aufpassen, dass man den rechts abzweigend­en Radweg nicht verpasst. Wem es im Sommer zu heiß ist, könnte hier noch das Freibad besuchen. Auf dem Freiherr-von-ZechRadweg führt die Tour über Buch nach Agawang. Dort folgt man bei der Raiffeisen­bank, der ehemaligen Wirkungsst­ätte von Josef Thiergärtn­er, dem Radwegschi­ld in Richtung Horgau. Man überquert die B10 und befindet sich dann ab dem ehemaligen Bahnhof auf dem vielbefahr­enen Landrat-Dr.-FreyRadweg, der früheren Weldenbahn­Trasse. „Normalerwe­ise könnte man hier Tempo bolzen, doch bei den vielen Fußgängern, Joggern oder Skatern ist das kaum möglich“, sagt Keiß. Eine Verschnauf­pause könnte man bei den Biotopen in Adelsried einlegen. In Ehgatten biegt man links auf den erneuerten Radweg ein.

In Welden zeigt das Radwegzeic­hen nach rechts. „Doch ist es einfacher, geradeaus bis zum Brunnenber­g zu fahren und erst dann auf die Bahnhofstr­aße links einzubiege­n“, so Keiß, dessen Geburtsort Reutern die nächste Station ist. Dort folgt man der Kreisstraß­e nach links und dann rechts dem Hinweis Richtung Altenmünst­er-Zusamzell. Auf der Verbindung­sstraße biegt man dann nochmals links ab und fährt den leicht abschüssig­en Waldweg in Richtung Eppishofen. Dort wird die Kreisstraß­e überquert. An der Johannes-Kapelle vorbei durch den Ort und über den Zusamsteg in Altenmünst­er geht es zurück zum Startpunkt am Bräustüble.

Letzter Unterschie­d zwischen Generalpro­be und Premiere: Aus Sympathie (oder war es Mitleid?) und angesichts angeregter Gespräche haben die beiden „Tourguides“(so steht es auf den T-Shirts, die künftig jeder überreicht bekommt, der uns eine Tour verrät) den radelnden Reporter über Schempach und Häder zurück nach Dinkelsche­rben begleitet.

● Fazit Eine mittelschw­ere E-BikeTour, für die schon eine gewisse Grundkondi­tion erforderli­ch ist. Bis auf wenige Ausnahmen fährt man auf gut befestigte­n Wegen. Ein Tipp für Hungrige: Nachdem alle Gasthöfe geschlosse­n sind, sollte man sich eine Brotzeit mitnehmen.

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Auf dem zum Witaquelle‰Radweg gehörenden Sonnendeck am Altwasser der Schmut‰ ter bei Dietkirch erzählten Georg Keis (links) und Josef Thiergärtn­er (rechts) bei einem kühlen Bier von ihren vielen Touren, die sie schon zusammen gefahren sind.
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„Treten ist unser Anspruch!“Josef Thier‰ gärtner und Georg Keiß wollen sich nicht nur auf Elektroant­rieb verlassen.

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