Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Mein Kind stört beim Telefonier­en

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Sie müssen dringend telefonier­en, aber Ihr Kind findet, dass Sie Ihre Aufmerksam­keit auch weiterhin ausschließ­lich ihm schenken sollen. Sie haben kaum gewählt und die ers‰ ten Worte gesprochen, da gibt Ihr Kind alles. Es krakeelt aus vollem Hals, haut die Schwester und danach den vollen Becher auf den Boden. Und überhaupt ist doch genau jetzt der richti‰ ge Zeitpunkt, das Bad unter Wasser zu setzen. Abgesehen davon, dass es Ihnen total peinlich ist, weil im besten Fall Ihre Freundin mithört, im schlechtes­ten Fall die Personalab­teilung, sind Sie empört über das Verhalten Ihres Kin‰ des. Wie kann ich in Ruhe telefonier­en?

Je nach Wichtigkei­t: Wenn’s der Chef ist: Einem kleinen Kind die Kinderbade­wanne eine Hand hoch einlaufen lassen, zwei Becher dazu, ein paar Handtücher auf den Badboden werfen (gegen Rutschgefa­hr), pritscheln lassen. Den (großen) Kindern hinterher die Situation mit ein paar Fragen erklären: Was ist ein wirklich wichtiges Telefonat? Warum muss es ungestört sein?

Warum versteht der kinderlose Chef wilde Hintergrun­daktionen nicht? Wie wirkt so etwas auf ihn und sein Meinungsbi­ld von ihrer Mama? Dann die Socken ausziehen, die Sauerei der Kleinen im Bad aufwischen, dem Kind gleich noch Haare waschen, weil eh schon alles nass ist. Wenn’s die Freundin ist: Telefonat auf später verschiebe­n. Oder: räumliche Trennung schaffen. Weglaufen! Mit tragbarem Telefon kommt man relativ weit. Das hat manchmal etwas von Rundlauf... Ulrike, Geografin, drei Töchter (7, 14, 15)

Erst habe ich geschimpft: „Kann man denn nie …? Musst du immer …?“Gedroht mit: „Dann gibt es eben kein Eis!“Ohne Erfolg! Als meine Tochter dann etwa fünf Jahre alt war, habe ich sie selbst bei Dingen gestört und ihr dann erklärt, dass es ein ganz doofes Gefühl ist, wenn man etwas nicht in Ruhe beenden kann. Auch kein Erfolg! Als ich es dann akzeptiert habe, dass es eben so ist, wie es ist, hörten diese Störungen auf.

Heute sage ich: Wirklich peinlich ist die Situation eigentlich auch nicht, denn das Problem kennen doch fast alle. Sabine, Arzthelfer­in, eine Tochter, 15

Ich liebe auch in der Erziehung Pragmatism­us. Daher würde ich aus eigener Erfahrung raten: Wenn es sich um ein wichtiges Telefonges­präch handelt, dann lasse ich das Kind etwas tun, das es liebt, zum Beispiel „pädagogisc­h wertvoll“fernsehen.

Ist das verwerflic­h? Ich finde nicht. Bettina, Juristin, zwei Töchter (16 und 18)

» Auch Sie haben eine Er‰ ziehungsfr­age? Schreiben Sie an Familie@augsburger‰ allgemeine.de. Die Kolumne wird betreut von Doris Weg‰ ner und Stefanie Wirsching, beide Mütter, und Autorin‰ nen des Buches „Supermüt‰ ter“(www.augsburger‰all‰ gemeine.de/shop)

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