Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Die S‰Klasse wird zur Strom‰Klasse

Nach Audi will nun auch Mercedes dem US-Konkurrent­en Tesla in die Parade fahren. Den Anfang markiert hier mit dem EQS ebenfalls ein Luxusmodel­l, das mit einigen Superlativ­en aufwarten kann

- VON RUDOLF BÖGEL

Ab sofort gibt es die S-Klasse von Mercedes gleich doppelt. Der Technologi­e-Trendsette­r der schwäbisch­en Autobauer macht sich selbst Konkurrenz. Die Elektro-Limousine EQS kommt mit einer Akku-Ladung über 700 Kilometer weit und hat mit 1,41 Meter Breite den größten Bildschirm an Bord. Dieses Modell sei ein „turning point“meinte Konzernche­f Ola Källenius bei der Weltpremie­re.

Der Wendepunkt bedeutet für Mercedes: Weg vom Verbrenner, hin zum Elektroaut­o. Viel zu lang haben die Stuttgarte­r die Erfolge des Neu-Konkurrent­en Tesla belächelt oder kleingered­et, so Kritiker. Nun heißt der Kurs: Aufholen und am besten überholen. Dazu hat Mercedes eine eigene Plattform entwickelt, auf der schon heuer weitere rein elektrisch­e Modelle folgen sollen. Der EQE, also die elektrisch­e E-Klasse, und dazu noch das ein oder andere SUV der EQ-Baureihe.

Mit dem EQS setzt Mercedes jedenfalls schon mal ein erstes Ausrufezei­chen. 770 Kilometer Reichweite unter Idealbedin­gungen. Und wenn auf der Langstreck­e „getankt“werden soll, dann geht das auch ziemlich schnell. Vorausgese­tzt, es steht eine Ladestatio­n mit 200 kW zur Verfügung. In 15 Minuten holt sich der EQS dann 300 Kilometer Reichweite zurück. In der Garage daheim tut sich der bis zu 107,8 kwH starke und rund 700 Kilogramm schwere Akku jedoch hart.

Mit der in den meisten Haushalten maximal verfügbare­n AC-Ladeleistu­ng von 6,7 kW braucht man knapp einen 24-Stunden-Tag, um eine komplett leere Batterie auf Vordermann zu bringen. Kunden des EQS dürften das Problem nicht haben. Bei der potenziell­en Vorstandsl­imousine im Preis-Sektor ab 100000 Euro (genaue Preise sind noch nicht bekannt) dürfte eine adäquate DC-Lademöglic­hkeit auf dem Dienstpark­platz auch noch mit drin sein.

In zunächst zwei Leistungss­tufen tritt der EQS an. Als 450er bietet er 245 kW (333 PS) und ein Drehmoment von 568 Nm – mit einem Motor auf der Hinterachs­e: Damit schafft es die Limousine in 6,2 Sekunden von 0 auf Tempo 100. Im EQS 580 kommt ein zweites Aggregat auf der Vorderachs­e dazu. Damit hat der EQS Allradantr­ieb. Mit 385 kW (523 PS) und dem satten Drehmoment von 855 Nm beschleuni­gt der 2,6-Tonner in 4,3 Sekunden von 0 auf 100. Man darf gespannt sein, welche Zeit die AMGVariant­e schafft, sie kommt mit 560 kW (760 PS) daher. Beim Fahrwerk setzt Mercedes auf die serienmäßi­ge Luftfederu­ng. Die aktive Hinterachs­lenkung hilft mit einem Winkel von bis zu 10 Grad mit. Damit hat die 5,21 Meter lange Limousine einen Wendekreis von gerade mal 10,9 Metern. Zum Vergleich: Ein VW Golf benötigt 11,1 Meter.

Beim Design bleibt Chef-Optiker Gorden Wagener seinem Mantra der sinnlichen Klarheit treu. Im EQS hat er diese Maxime noch gesteigert. Die Fahrzeug-Karosserie wurde in einem Schwung oder – wie er sagt – in einem Bogen entwickelt. Kurze Überhänge, Coupe-Form. Der cw-Wert liegt bei 0,2: Weltrekord! Und noch ein Superlativ: Haben Tesla und Byton bislang die Schlagzeil­en beherrscht, wenn es um große Bildschirm­e ging, holt sich jetzt Mercedes den Titel. Der

Hyperscree­n heißt nicht nur so, er ist auch hyper. 1,41 Meter breit zieht er sich über das ganze Cockpit und dominiert damit digital den Innenraum. Das ist Star Wars. Der Stern aus Stuttgart schlägt zurück.

Platz satt – hier übertrifft der EQS locker die S-Klasse. Dank eines Radstands von 3,21 Metern (und damit 11 Zentimeter mehr) haben die Passagiere Platz wie noch nie, vor allem im Fond. Deshalb wird es auch keine Langversio­n für die USA oder China geben. Hinter der Rücksitzba­nk tut sich ebenfalls viel (Koffer-)Raum auf. 610 Liter passen hier rein – das ist so viel wie in der E-Klasse, aber im T-Modell. Und wenn die Rücksitzba­nk umgeklappt ist, wächst dieser Platz sogar auf 1770 Liter, ebenfalls auf Augenhöhe mit dem T-Modell.

So richtig begehrensw­ert wird eine Luxus-Limousine jedoch erst mit den zahlreiche­n Spielereie­n. Da reden wir über das Ambiente-Licht, das in allen Farben des Regenbogen­s leuchten kann, oder von der extrem sauberen Luft, die zu 99,65 Prozent gefiltert und exklusiv beduftet wird. Sehen, riechen, hören: Über die Hifi-Anlage kann man sich künstliche­n Motorsound einspielen lassen. Von sphärische­n Science-Fiction-Klängen bis hin zum satten Brummen und Blubbern eines Achtzylind­ers. So ganz kann Daimler von der alten Welt dann doch nicht lassen. Und noch ein Gimmick: Wenn sich der Fahrer dem EQS nähert: Sesam öffne dich – das Auto entriegelt nicht nur, sondern öffnet automatisc­h die Türen. Wenn man Platz genommen hat, genügt ein Wink mit der Hand. Schon schließt sich das Auto selbststän­dig.

Fehlt nur noch, dass man mit einem Augenzwink­ern einen Espresso bestellen kann. Oder einen Doppelten. Dann aber mit beiden Augen.

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Fotos: Mercedes‰Benz AG Spannungsb­ogen: Die elektrisch­e S‰Klasse namens EQS hat Mercedes Chefdesign­er Gorden Wagener wie aus einem Guss gezeichnet.
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Hier sitzt der Chef: Blick in den Fond des Mercedes EQS.

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