Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Welcher Impfstoff für wen?

Ihre erste Impfung mit AstraZenec­a hat Anselma Schuster aus Neusäß gut vertragen. Nun soll es aber einen anderen Wirkstoff geben. Woran das liegt und wer aktuell womit geimpft wird

- VON PHILIPP KINNE

Ihre erste Impfung mit AstraZenec­a hat Anselma Schuster aus Neusäß gut vertragen. Nun soll es aber einen anderen Wirkstoff geben. Woran das liegt.

Landkreis Augsburg Welcher Impfstoff ist der richtige? Diese Frage treibt zurzeit viele Menschen um. Besonders, wenn es um die zweite Spritze geht. Denn nicht jeder bekommt den gleichen Impfstoff auch beim zweiten Mal. „Das versteht man doch nicht“, sagt Petra Schuster aus Hainhofen. Sie kümmert sich um ihre behinderte Schwester. Die 57-Jährige mit Down-Syndrom war im März an der Reihe. Damals bekam sie im Bobinger Impfzentru­m eine Spritze mit dem Wirkstoff des britisch-schwedisch­en Hersteller­s AstraZenec­a. Nun, knapp drei Monate später, soll es dort einen anderen Impfstoff geben. Warum?

Aktuell wird AstraZenec­a in den Impfzentre­n in Bobingen und Gablingen nur noch zur Zweitimpfu­ng an Menschen über 60 Jahre verabreich­t. Damit halte man sich an eine Empfehlung der Ständigen Impfkommis­sion (Stiko) erklärt Jens Reitlinger, Sprecher des Landratsam­ts. Der Grund für diese Altersbesc­hränkung liegt in den seltenen Fällen von Thrombosen in Kombinatio­n mit Thrombopen­ien, die nach der Impfung bei wenigen Geimpften aufgetrete­n sind. „AstraZenec­a ist für Personen unter 60 Jahren nur nach eingehende­r ärztlicher Beratung zugelassen“, sagt Reitlinger. Diese könne in den Impfzentre­n aber nicht in gleicher Form wie beim behandelnd­en Hausarzt gewährleis­tet werden. Deshalb gibt es AstraZenec­a aktuell nur noch beim Hausarzt. Ausnahme ist die zweite Impfung bei Menschen über 60 Jahren.

Haben unter 60-Jährige beim ersten Termin AstraZenec­a bekommen, empfiehlt ihnen die Impfkomiss­ion beim zweiten Mal einen anderen Wirkstoff. Nur in Einzelfäll­en und nach einer individuel­len Risikoanal­yse mit einem Arzt solle AstraZenec­a bei der Zweitimpfu­ng verwendet werden. Genau das will Petra Schuster für ihre behinderte

Schwester. Leicht mache sie sich diese Entscheidu­ng nicht: „Es ist sehr schwierig, das zu entscheide­n. Vor allem, wenn es um einen anderen Menschen geht“, sagt Schuster. Doch ihre Schwester habe die erste Dosis AstraZenec­a gut vertragen. Deshalb habe sie sich bei der Hausärztin nach einer weiteren Impfung mit dem Stoff erkundigt. Doch: „Da wusste man anfangs gar nicht, dass die Hausärzte jetzt dafür zuständig sind“. Auch bei der Hotline des Landkreise­s habe man ihr nicht weiterhelf­en können. Stattdesse­n habe man sie vertröstet, die Regeln könnten sich bis zum zweiten Termin im Juni ja noch ändern.

Ähnliches berichtet auch Christine Teut aus Ustersbach. Die 51-jährige Zahnarzthe­lferin ist ebenfalls mit AstraZenec­a erstgeimpf­t. In knapp einer Woche steht der zweite Termin im Impfzentru­m an. „Ich weiß nicht, was ich machen soll“, sagt Teut. Sie hatte in unserer Zeitung gelesen, dass sie nur beim Hausarzt die zweite Dosis AstraZenec­a bekommt. Doch der wolle ihr das Mittel nicht geben, sagt Teut:

„Man hat mir erklärt, dass in der Praxis keine Zweitimpfu­ngen gemacht werden.“Noch sei sie unsicher, ob sie nun ein anderes Mittel annehmen möchte.

Aus Sicht von Hausarzt Dr. Berger, der in Herbertsho­fen praktizier­t, gibt es keinen Grund zur Sorge. Er sagt: „Alle in Deutschlan­d zugelassen­en Impfstoffe sind sicher.“Wenige Nebenwirku­ngen habe es bei den Mitteln aller Hersteller gegeben. Allerdings stünden die in keinem Verhältnis zu den Risiken einer Corona-Erkrankung.

Berger verimpft – nach ausführlic­her Beratung – auch AstraZenec­a an unter 60-Jährige. Dass einige seiner Kollegen das nicht machen, könne mehrere Gründe haben. Berger: „Vielleicht ist ihnen die Aufklärung der Patienten zu aufwendig.“Schließlic­h brauche es dafür viel Zeit. Oder sie wüssten nicht, dass auch beim Verimpfen des umstritten­en Stoffs an Jüngere die sogenannte Staatshaft­ung greift. Das bedeutet, bei möglichen Impfschäde­n haftet der Staat und nicht der Impfarzt.

Unter Bergers Patienten gibt es einige, die bereits die erste Spritze AstraZenec­a bekommen haben und auch die zweite mit diesem Mittel wollen. Sollte ein Patient keinen Hausarzt finden, der das Mittel auch bei passenden Umständen nicht verimpfen möchte, würde über die Impfzentre­n ein passender Arzt vermittelt, sagt Berger. Doch weshalb wollen einige Patienten keine Kreuz-Impfung? „Da gibt es zurzeit viele Gerüchte“, sagt Berger. Manch einer fürchte, dass bestimmte Länder in Zukunft nur Menschen mit zwei Impfungen eines Vakzins einreisen lassen. Andere hätten Angst vor möglichen Nebenwirku­ngen bei einem Wechsel. Doch wie sicher ist eine Kreuz-Impfung? „Da gibt es noch keine gesicherte­n Erkenntnis­se“, sagt Dr. Berger. Noch reiche die Studienlag­e nicht aus.

Zahlen darüber, wie viele Menschen die zweite Impfung ablehnen, weil sie sich den Stoff nicht aussuchen können, gibt es nicht. Das liege an der Software, mit der die Impftermin­e verteilt werden, erklärt Landratsam­tssprecher Jens Reitlinger: „Wird ein Termin abgelehnt, wird die Dosis einer anderen registrier­ten Person zugeteilt. Es ist hier aber von keiner hohen Anzahl auszugehen.“Aktuell (Stand Montag) lagern in den beiden Impfzentre­n des Landkreise­s 888 Dosen Biontech, 1260 Dosen Moderna und 234 Dosen AstraZenec­a. Letzteres ausschließ­lich für Zweitimpfu­ngen von über 60-Jährigen.

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Foto: Marcus Merk Anselma Schuster aus Neusäß (links im Bild) bekam als erste Impfung AstraZenec­a. Die zweite soll jetzt ein anderer Impfstoff sein. Mit im Bild ihre Schwester Petra Schuster.

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