Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Entscheide­nd ist, was wir an Geschichte vermitteln

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Zum Artikel „Die Geister der Vergangen‰ heit“vom 30. April:

Die Veranstalt­ung der Erinnerung­swerkstatt, die sich u. a. mit digitaler Erinnerung auseinande­rsetzte, war sicher zum Teil zukunftsor­ientiert. Neue Wege der Vermittlun­g der Geschichte ohne Zeitzeugen zu finden, beschäftig­t nicht nur Wissenscha­ftler seit einigen Jahren. Antworten darauf gibt es bis jetzt wenige. Dass Christina Brüning, die demnächst in Marburg Didaktik der Geschichte lehrt, die neue digitale „Holocaust Education“als „spannend“empfindet, kann ich gut verstehen. Der „Austausch“findet letztendli­ch, auch wenn man die ehemaligen Zeitzeugin­nen und Zeitzeugen bildlich sieht, über einen Computer statt. Diese Art der Auseinande­rsetzung mit Zeitzeugen, die in Wahrheit schon verstorben sind, wenn wir von der Zukunftspe­rspektive reden, gilt als sehr umstritten. Gleichzeit­ig ist Frau Brüning der Meinung, dass Schülerinn­en und Schüler einen „Interviewf­ilm“als „langweilig“empfinden. Da sind wir bei der Grundfrage über das Wie der Geschichts­vermittlun­g. In vielen Schulveran­staltungen konnte ich erleben, wie begeistert die Schülerinn­en und Schüler mitmachen, wenn man ihnen „Geschichte zum Anfassen“anbietet. Es ist entscheide­nd, was wir vermitteln wollen. Wenn wir uns darüber im Klaren sind, können auch digitalisi­erte Filme, die zum Teil älter als 40 Jahre sind, sehr beeindruck­end auf junge Menschen wirken. Wie wird es in Zukunft sein? Wird nur der

Mensch der Nachwelt erhalten bleiben, den man „noch“digital erfassen konnte? Welche Opfergrupp­en werden für das digitale Erinnern ausgesucht? Von wem werden sie ausgesucht? Warum werden die Nachkommen der Verfolgten nicht einbezogen?

Josef Pröll, Gersthofen

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