Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Im ersten Kreistag saßen fast nur Männer
Als im damaligen Kreis Augsburg frei gewählt werden durfte, ließ das viele Menschen kalt. Drei Parteien schafften den Einzug. Eine gibt es heute nicht mehr
Landkreis Augsburg Wahlmüdigkeit eine Erscheinung unserer Zeit? Von wegen: Die erste Kreistagswahl vor 75 Jahren ließ im damaligen Landkreis Augsburg viele Bürger kalt. Im Altlandkreis Augsburg, der im Jahr 1972 bedingt durch die Gebietsreform in seiner früheren Form zu existieren aufhörte, waren in den 73 Gemeinden 45 Kreistagsmitglieder für eine zweijährige Amtszeit zu wählen. Aus der Wahlentscheidung gingen die CSU mit 35, die SPD mit neun und die KPD, die 1956 verboten wurde, mit einem Kreisrat hervor. Bemerkenswert war bei der Kreistagswahl der Rückgang der Wahlbeteiligung. Gingen beispielsweise in Gersthofen bei der Gemeindewahl im Januar 1946 noch 89 Prozent der Wahlberechtigten zur Wahl, so sank diese Rekordmarke drei Monate später auf nur noch 57 Prozent.
Wahlberechtigt waren alle im Landkreis wohnenden Bürger ab dem 21. Lebensjahr. Wer Kreisrat werden wollte, musste auch einen umfangreichen Fragebogen mit 131 Fragen mit Angaben zu seiner Person und seiner Vergangenheit ausfüllen. Insgesamt 98 Bürgerinnen und Bürger stellten sich auf vier Listen zur Wahl. Der Wahlvorschlag der Christlich-Sozialen Union (CSU) wies 56 Bewerber auf, die Vorschlagsliste der Sozialdemokratischen Partei (SPD) umfasste 22 und die Vorschlagsliste der Kommunistischen Partei Deutschlandes (KPD) 17 Kandidaten. Mit nur drei Bewerbern trat die Liberal-Demokratische Partei (LDP) zur Wahl an.
Die CSU-Liste führte der Neusässer Bürgermeister Albert Kaifer an. Hans Sturm aus Gersthofen stand auf Platz ein bei der SPD. Max Lappler aus Göggingen war Listenführer der KPD, und Friedrich Schön aus Gessertshausen stand bei der LPD an erster Stelle. Die meisten der insgesamt 98 Kreistagskandidaten kamen aus den noch damals zum Landkreis gehörenden Gemeinden und jetzigen Augsburger Stadtteilen Göggingen und Haunstetten. Göggingen war mit 16 und Haunstetten mit 13 Kandidaten vertreten. Aus dem Raum der jetzigen Großgemeinde Neusäß und aus Gersthofen stellten sich je 11 Bürger zur Wahl. Politik war noch ganz überwiegend Männersache: Von den 98 kandidierenden waren nur sechs Frauen.
Am 28. April 1946 waren von den 68.795 Kreisbürgern 32.060 wahlberechtigt. An die Wahlurnen gingen insgesamt 19.207 Wähler (62,8 Prozent). Am Ende lag die CSU mit 72,7 Prozent als deutlicher Sieger vorne. Auf die SPD entfielen 20,5 Prozent, auf die KPD 2,9 Prozent und auf die LPD 1,5 Prozent. In 72 von 73 Landkreis-Gemeinden erhielt die CSU die meisten Stimmen.
Lediglich in ihrer Hochburg Deuringen siegte die SPD mit 117 Stimmen vor der CSU mit 72 und der KPD mit 46 Stimmen. Die KPD war in Göggingen mit 164, in Haunstetten mit 97 und in Stadtbergen mit 82 Stimmen am erfolgreichsten. Auf volle 100 Prozent der abgegebenen 56 Stimmen kam die CSU in Lindach. Am fleißigsten gingen die Bürger von Fleinhausen (85 %) zur Wahl. Das geringste Interesse zeigten die Einwohner von Rommelsried mit nur 32 Prozent Wahlbeteiligung.
Zu den vor 75 Jahren erstmals gewählten Kreisräten gehörten als spätere Politiker in höheren Ämtern der dann von 1948 bis 1962 amtierende Landrat Albert Kaifer (CSU) und Alois Strohmayr (SPD) an. Strohmayr wirkte in der Zeit von 1954 bis 1961 als Landtagsabgeordneter und dann bis 1972 als Mitglied des Deutschen Bundestages. Albert Kaifer vertrat die Region von 1946 bis 1954 als Abgeordneter im Bayerischen Landtag.
Der am 28. April 1946 gewählte Kreistag trat einen Monat später unter dem Vorsitz des im Jahr 1945 von der Militärregierung eingesetzten Landrates Dr. Josef Michael Hamberger am 28. Mai 1946 in Göggingen im Gasthaus Prinz Karl zu seiner ersten öffentlichen Sitzung zusammen. Das Landratsamt Augsburg amtierte nach der im Jahr 1944 erfolgten Ausbombung des Gebäudes am Hafnerberg in Augsburg bis 1957 in Göggingen, anschließend bis 1978 in einem Neubau wieder am Hafnerberg und seither am Prinzregentenplatz 4.