Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Was aus dem Kaufhaus Liepert geworden ist

Ursula Urlich und Klaus Meier erstehen das Gebäude in Meitingen und seine alten Schätze. Damit beginnt eine abenteuerl­iche Reise zurück in die 1970er-Jahre

- VON STEFFI BRAND

Meitingen Wenn Ursula Urlich und Klaus Meier in der Hauptstraß­e 11 mitten in Meitingen vorfahren, dann stehen sie mittlerwei­le am Ende einer langen Reise. Sie hat im Dezember 2018 begonnen – mit Ausflügen in die 70er-Jahre. Bis heute ist die Reise nicht zu Ende, aber langsam ist Licht am Ende des Tunnels – und das sehen auch die Passanten, die am ehemaligen Kaufhaus Liepert vorbeischl­endern. Doch was ist aus dem Traditions­kaufhaus geworden?

Was von dem Kaufhaus als Erstes umgebaut wurde, ist der hintere Teil. In dem Haus, in dem es kaum Fenster gab – um die Stoffe vor Licht zu schützen – und in denen sich die Privatwohn­ungen der einstigen Inhaber befanden, ist nun ein moderner Wohnblock entstanden. Die neuen Eigentümer, Ursula Urlich und Klaus Meier, bezeichnen die sieben Wohnungen, die dort entstanden sind, lachend als „Kinderbloc­k“, denn bis auf die Wohnung einer älteren Dame leben nun dort, wo einst Stoffbahne­n gelagert wurden, Familien mit Kindern. Während der Sanierungs­maßnahmen haben sich die neuen Eigentümer von oben nach unten durchgearb­eitet – und Stockwerk für Stockwerk zu Wohnungen werden lassen.

Das bedeutete vor allem für Ursula Urlich, die sich um das Interieur kümmern sollte: Sie musste sich auch um den Abverkauf des Lagerbesta­nds kümmern, der durchaus üppig war – und ihr eine Reise in die 70er-Jahre ermöglicht­e. „Es herrschte Chaos, aber in sich war alles picobello“, berichtet Ursula Urlich fasziniert. Ein großer Teil der alten Stoffe könnte künftig vielleicht sogar im Fernsehen zu sehen sein,

sechs Sattelzüge voll an Stoffen und Kleidung wurden vom Münchner Filmuntern­ehmen Constantin Film abgekauft und abgeholt. „Das hätte den Lieperts Freude gemacht“, erklärt Klaus Meier lachend und erinnert damit an die vorherigen Eigentümer. Auch die Treppe, die zu den Mietwohnun­gen führt, erinnert an das alte Kaufhaus, denn wer es kannte, ist darüber in das Obergescho­ss gelangt. Aus der ehemaligen Nähabteilu­ng im Kaufhaus Liepert ist nun eine Mietwohnun­g geworden.

Aus dem einen Jahr, das Klaus Meier ursprüngli­ch seiner Frau eingeräumt hat, um der Lagerberge Herr zu werden, sind zwei Jahre geworden. Einiges an Stoffwaren verschenkt­e das Paar für einen guten

anderes verkauft Ursula Urlich noch heute, wie etwa Gardinen, Teppiche oder andere stoffliche Raritäten.

Das Ausräumen und Sortieren habe für Ursula Urlich den Charakter einer Zeitreise gehabt. Im Lager fand sie Bademäntel, „wie sie meine Mama getragen hat“, berichtet sie und schweift ebenfalls in die Vergangenh­eit ab: „Hätte ich gewusst, was es dort für schöne Sachen gab …“Auch Trenchcoat­s, Wrangler-Jeans mit Schlag und T-Shirts der Olympische­n Spiele aus dem Jahr 1972 fand das Paar wohlsortie­rt und ordentlich verpackt im einstigen Kaufhaus Liepert. Sogar original Perser-Teppiche mit Plomben und Flokati-Teppiche zählten zu den Schätzen. „Seit der Ausräumakd­enn tion haben selbst wir erstmals Teppiche zu Hause“, verrät Klaus Meier lachend.

Die Schätze aus dem alten Kaufhaus Liepert lagerten vor allem dort, wo heute Familien einen Ort zum Wohnen gefunden haben. Die Verbindung zwischen diesem hohen Haus und dem unscheinba­r wirkenden kleinen Eingangsge­bäude, das an der Hauptstraß­e als das Kaufhaus Liepert bekannt war, musste abgerissen werden, um Parkplätze für die Bewohner zu schaffen. Das Haus an der Straßensei­te, das als „ortsprägen­d“eingestuft wurde, bescherte den neuen Eigentümer­n ebenfalls mächtig viel Aufwand. Denn zum einen sollte die Optik erhalten bleiben, zudem sollte das Erdgeschos­s auch weiterhin als GeZweck, schäftsflä­che genutzt werden. Ein Abriss wäre wirtschaft­licher und praktische­r gewesen, doch die Eigentümer stürzten sich voller guter Ideen auf die neue Herausford­erung – und entkernten das Haus fachmännis­ch.

Den ersten Mietvertra­g mit einer Unternehme­rin, die maßgeblich das Aussehen des Hauses beeinfluss­te, weil das Erdgeschos­s für ihre Zwecke umgebaut wurde, lösten die neuen Eigentümer wieder auf. Mit ihr hätte ein Stoffladen einziehen können, der auch inhaltlich an das Kaufhaus Liepert erinnert hätte. Doch eingezogen war die Unternehme­rin nie und erklärte stattdesse­n, dass das Objekt nun doch nicht mehr ihren Wünschen entspreche. Zudem verloren die neuen Eigentümer durch einen Baustopp viel Zeit bei den Umbauarbei­ten. Strittig war die Baugrenze. Auch dass das ursprüngli­che Aussehen als „Passage“mit großen Schaufenst­ern nicht erhalten wurde, sorgte für Ärger, den ein Architekt samt Plan jedoch final beilegen konnte.

Das Mammutproj­ekt, das Ursula Urlich und Klaus Meier nach dem Motto „aus Alt mach Neu“mit viele Liebe und Akribie umgesetzt haben, ist nun auf der Zielgerade­n. Ende Mai sollen die letzten Umbauarbei­ten abgeschlos­sen sein. Dann gibt es im Obergescho­ss eine 125-Quadratmet­er-Wohnung, die die Inhaber vermieten werden. Im Erdgeschos­s verrät bereits heute ein Pylon mit der Aufschrift „American Crafts“, dass die Eigentümer es trotz Corona-Krise geschafft haben, einen Unternehme­r zu finden, der das Erdgeschos­s anmieten wollte. Ab Ende Mai können hier Kunden eine Reise in die 50er-Jahre unternehme­n – und sich ihre Wunschmöbe­l im American Style fertigen lassen.

 ?? Fotos: Steffi Brand, Ursula Urlich ?? Klaus Meier und Ursula Urlich, die neuen Besitzer des ehemaligen Kaufhauses Liepert, sind auf der Zielgerade­n. Das Ausräumen und Sortieren habe für Ursula Urlich den Charakter einer Zeitreise gehabt.
Fotos: Steffi Brand, Ursula Urlich Klaus Meier und Ursula Urlich, die neuen Besitzer des ehemaligen Kaufhauses Liepert, sind auf der Zielgerade­n. Das Ausräumen und Sortieren habe für Ursula Urlich den Charakter einer Zeitreise gehabt.
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