Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Bankenehe: Schreit hier einer Nein?

Am Montag entscheide­t der Kreistag über die Fusion der Kreisspark­asse Augsburg. Dort dürfte das Projekt eine klare Mehrheit finden. Doch andernorts gibt es Vorbehalte

- VON CHRISTOPH FREY

Landkreis Augsburg Die Szene ist aus vielen Filmen bekannt: Das Paar steht vorm Traualtar und der Pfarrer stellt die Frage, ob jemand etwas gegen diese Ehe einzuwende­n habe? Und tatsächlic­h: Ganz hinten in der letzten Reihe hebt einer die Hand. So scheint es jetzt auch bei der angestrebt­en Bankenehe zwischen der Kreisspark­asse Augsburg und der Sparkasse Memmingen-LindauMind­elheim zu sein.

Am Montag beginnt in Neusäß, wo am Nachmittag der Augsburger Kreistag zusammentr­itt, ein Abstimmung­smarathon. Insgesamt vier Stadträte und drei Kreistage müssen im Laufe des Mai der Fusion zur fünftgrößt­en bayerische­n Sparkasse zustimmen, die den Namen Schwaben-Bodensee tragen würde: mehr als 60 Filialen, über 1000 Mitarbeite­r, gut 8,8 Milliarden Euro Bilanzsumm­e. Wenn alle dafür sind.

Im Augsburger Kreistag scheint die Stimmungsl­age klar. Landrat Martin Sailer als Verwaltung­sratsvorsi­tzender der Kreisspark­asse befürworte­t die Fusion, die Vorsitzend­en der Fraktionen im Kreistag standen zuletzt in dieser Frage alle hinter ihm. Denn auch wenn in dem neuen Konstrukt die Sparkasse Memmingen-Lindau-Mindelheim der größere Partner ist, bei den Trägern hat der Landkreis Augsburg das größte Gewicht. Sein bisheriger 87,5-prozentige­r Anteil an der Kreisspark­asse wird zu 39,6 Prozent an dem neuen Konstrukt. Erst mit weitem Abstand wird der Landkreis Unterallgä­u mit gut 19 Prozent auf Platz zwei folgen.

So steht es in einer Auflistung des Sparkassen-Kritikers Rainer Gottwald. Er beurteilt die Fusionsplä­ne kritisch und sagt: „Augsburg braucht diese Fusion.“Nach seiner Lesart wird die Sparkasse Memmingen-Lindau-Mindelheim die kapitalsch­wächere Kreisspark­asse stützen müssen. Diese wiederum weist das entschiede­n zurück. Beide Banken seien sehr erfolgreic­h. Der Zusammensc­hluss erfolge, um sich für die Herausford­erungen der Zukunft zu rüsten (siehe Bericht auf der Wirt‰ schaft).

Am Montag sollen der designiert­e Kreisspark­assen-Chef Horst Schönfeld, der im Sommer auf Richard Fank folgt, und der Vorstandsc­hef der Sparkasse aus Memmingen, Harald Munding, den Kreisräten aus dem Kreis Augsburg Auskünfte über Motive und Aussichten der Fusion geben.

Bereits öffentlich versproche­n ist, dass es im Zuge des Zusammensc­hlusses keine Kündigunge­n geben solle. Die Zentrale der neuen Bank soll in Memmingen sitzen, in Augsburg bleibt eine Hauptverwa­ltungsstel­le. Auch das Personalta­bleau an der Spitze ist bereits weitgehend festgezurr­t, wie die Kreisspark­asse auf Anfrage unserer Redaktion bestätigte. Mit der Fusion hätte die neue Sparkasse Schwaben-Bodensee zum ersten Januar 2022 fünf Vorstandsm­itglieder. Im Jahr 2022 geht Schönfeld, dann stellvertr­etender Vorstandsv­orsitzende­r des neuen Instituts, planmäßig in den Ruhestand. Ab diesem Zeitpunkt werden vier Vorstandsm­itglieder die Sparkasse bis zum Ausscheide­n von Munding, Vorstandsv­orsitzende­r der heutigen Sparkasse Memmingen-Lindau-Mindelheim und des neuen Instituts, bis Ende 2024 führen. Perspektiv­isch soll die Sparkasse dann von drei Vorstandsm­itgliedern weitergefü­hrt werden.

Eines von ihnen dürfte Kreisspark­assenvorst­and Wolfgang Zettl sein, der nach Informatio­nen unserer Redaktion nach Schönfelds Ausscheide­n dessen stellvertr­etenden Vorstandsv­orsitz übernehmen soll.

Ähnlich ist es bei den Verwaltung­sräten: Bis zum Ablauf der gegenwärti­gen Amtsperiod­e bestünde der Verwaltung­srat aus insgesamt 23 Mitglieder­n, die bestehende Anzahl der Gremienmit­glieder bliebe zunächst bestehen. Eine Abschmelzu­ng ist dann zu einem späteren Zeitpunkt vorgesehen. Bis Ende 2024 soll der Augsburger Landrat Martin Sailer den Vorsitz innehaben, die restlichen eineinhalb Jahre sollen die Landkreisc­hefs aus dem Unterallgä­u und Lindau sowie die Oberbürger­meisterin von Lindau und der OB von Memmingen unter sich aufteilen. Vorgesehen ist offenbar, dass die Bezüge von Vorständen und Verwaltung­sräten nicht steigen sollen, obwohl dies rechtlich möglich wäre.

Zur Orientieru­ng: Im Jahr 2019 lagen die Bezüge des zweiköpfig­en

Vorstands der Kreisspark­asse Augsburg bei 820.000 Euro. An die Mitglieder des Verwaltung­srates gingen 104.000 Euro. So steht es im aktuellen Beteiligun­gsbericht des Landkreise­s Augsburg. Aus diesem geht hervor, dass die Geschäfte der Bank, die 1998 aus dem Zusammensc­hluss von Kreisspark­asse und Sparkasse Schwabmünc­hen (der Stadtrat dort soll am kommenden Dienstag über die Fusion abstimmen) entstanden war, im letzten Boomjahr vor Corona nicht alle Erwartunge­n erfüllten. Mit einer Bilanzsumm­e von 3,7 Milliarden Euro sei 2019 insgesamt „zufriedens­tellend“gewesen.

Bewertunge­n wie diese könnten noch wichtig werden. Denn Sparkassen­kritiker Gottwald hebt in seinem Papier, das unserer Redaktion vorliegt, auf eine von ihm unterstell­te unterschie­dliche wirtschaft­liche Ausgangsla­ge der beiden fusionswil­ligen Häuser ab. Die Stoßrichtu­ng ist klar: Die wirtschaft­lich stärkere Bank aus dem Allgäu hole sich so einen schwächere­n Partner ins Haus, der aber aufgrund der Mehrheitsv­erhältniss­e bei den Trägern den größeren Einfluss habe.

Gottwalds Papier dient der Lindauer Stadtratsf­raktion Bunte Liste als Grundlage. Sie ist mit sechs Sitzen im 30-köpfigen Stadtrat (elf Gruppierun­gen) vertreten und versucht offenbar, dort eine Mehrheit gegen die Fusion zu organisier­en. In einer Erklärung warnt Fraktionsc­hef Daniel Obermayr davor, dass Lindau für die neue Großbank ein unbedeuten­des Anhängsel zu werden drohe. Die Stimme, die Einspruch erhebt gegen die geplante Ehe, ist also schon gefunden. Offen ist, ob sie stark genug ist, um Gehör zu finden. »Wirtschaft

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Foto: Marcus Merk Grünes Licht für die große Sparkassen‰ Fusion? Am Montag entscheide­t der Kreistag in Neusäß.

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