Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Bankenehe: Schreit hier einer Nein?
Am Montag entscheidet der Kreistag über die Fusion der Kreissparkasse Augsburg. Dort dürfte das Projekt eine klare Mehrheit finden. Doch andernorts gibt es Vorbehalte
Landkreis Augsburg Die Szene ist aus vielen Filmen bekannt: Das Paar steht vorm Traualtar und der Pfarrer stellt die Frage, ob jemand etwas gegen diese Ehe einzuwenden habe? Und tatsächlich: Ganz hinten in der letzten Reihe hebt einer die Hand. So scheint es jetzt auch bei der angestrebten Bankenehe zwischen der Kreissparkasse Augsburg und der Sparkasse Memmingen-LindauMindelheim zu sein.
Am Montag beginnt in Neusäß, wo am Nachmittag der Augsburger Kreistag zusammentritt, ein Abstimmungsmarathon. Insgesamt vier Stadträte und drei Kreistage müssen im Laufe des Mai der Fusion zur fünftgrößten bayerischen Sparkasse zustimmen, die den Namen Schwaben-Bodensee tragen würde: mehr als 60 Filialen, über 1000 Mitarbeiter, gut 8,8 Milliarden Euro Bilanzsumme. Wenn alle dafür sind.
Im Augsburger Kreistag scheint die Stimmungslage klar. Landrat Martin Sailer als Verwaltungsratsvorsitzender der Kreissparkasse befürwortet die Fusion, die Vorsitzenden der Fraktionen im Kreistag standen zuletzt in dieser Frage alle hinter ihm. Denn auch wenn in dem neuen Konstrukt die Sparkasse Memmingen-Lindau-Mindelheim der größere Partner ist, bei den Trägern hat der Landkreis Augsburg das größte Gewicht. Sein bisheriger 87,5-prozentiger Anteil an der Kreissparkasse wird zu 39,6 Prozent an dem neuen Konstrukt. Erst mit weitem Abstand wird der Landkreis Unterallgäu mit gut 19 Prozent auf Platz zwei folgen.
So steht es in einer Auflistung des Sparkassen-Kritikers Rainer Gottwald. Er beurteilt die Fusionspläne kritisch und sagt: „Augsburg braucht diese Fusion.“Nach seiner Lesart wird die Sparkasse Memmingen-Lindau-Mindelheim die kapitalschwächere Kreissparkasse stützen müssen. Diese wiederum weist das entschieden zurück. Beide Banken seien sehr erfolgreich. Der Zusammenschluss erfolge, um sich für die Herausforderungen der Zukunft zu rüsten (siehe Bericht auf der Wirt schaft).
Am Montag sollen der designierte Kreissparkassen-Chef Horst Schönfeld, der im Sommer auf Richard Fank folgt, und der Vorstandschef der Sparkasse aus Memmingen, Harald Munding, den Kreisräten aus dem Kreis Augsburg Auskünfte über Motive und Aussichten der Fusion geben.
Bereits öffentlich versprochen ist, dass es im Zuge des Zusammenschlusses keine Kündigungen geben solle. Die Zentrale der neuen Bank soll in Memmingen sitzen, in Augsburg bleibt eine Hauptverwaltungsstelle. Auch das Personaltableau an der Spitze ist bereits weitgehend festgezurrt, wie die Kreissparkasse auf Anfrage unserer Redaktion bestätigte. Mit der Fusion hätte die neue Sparkasse Schwaben-Bodensee zum ersten Januar 2022 fünf Vorstandsmitglieder. Im Jahr 2022 geht Schönfeld, dann stellvertretender Vorstandsvorsitzender des neuen Instituts, planmäßig in den Ruhestand. Ab diesem Zeitpunkt werden vier Vorstandsmitglieder die Sparkasse bis zum Ausscheiden von Munding, Vorstandsvorsitzender der heutigen Sparkasse Memmingen-Lindau-Mindelheim und des neuen Instituts, bis Ende 2024 führen. Perspektivisch soll die Sparkasse dann von drei Vorstandsmitgliedern weitergeführt werden.
Eines von ihnen dürfte Kreissparkassenvorstand Wolfgang Zettl sein, der nach Informationen unserer Redaktion nach Schönfelds Ausscheiden dessen stellvertretenden Vorstandsvorsitz übernehmen soll.
Ähnlich ist es bei den Verwaltungsräten: Bis zum Ablauf der gegenwärtigen Amtsperiode bestünde der Verwaltungsrat aus insgesamt 23 Mitgliedern, die bestehende Anzahl der Gremienmitglieder bliebe zunächst bestehen. Eine Abschmelzung ist dann zu einem späteren Zeitpunkt vorgesehen. Bis Ende 2024 soll der Augsburger Landrat Martin Sailer den Vorsitz innehaben, die restlichen eineinhalb Jahre sollen die Landkreischefs aus dem Unterallgäu und Lindau sowie die Oberbürgermeisterin von Lindau und der OB von Memmingen unter sich aufteilen. Vorgesehen ist offenbar, dass die Bezüge von Vorständen und Verwaltungsräten nicht steigen sollen, obwohl dies rechtlich möglich wäre.
Zur Orientierung: Im Jahr 2019 lagen die Bezüge des zweiköpfigen
Vorstands der Kreissparkasse Augsburg bei 820.000 Euro. An die Mitglieder des Verwaltungsrates gingen 104.000 Euro. So steht es im aktuellen Beteiligungsbericht des Landkreises Augsburg. Aus diesem geht hervor, dass die Geschäfte der Bank, die 1998 aus dem Zusammenschluss von Kreissparkasse und Sparkasse Schwabmünchen (der Stadtrat dort soll am kommenden Dienstag über die Fusion abstimmen) entstanden war, im letzten Boomjahr vor Corona nicht alle Erwartungen erfüllten. Mit einer Bilanzsumme von 3,7 Milliarden Euro sei 2019 insgesamt „zufriedenstellend“gewesen.
Bewertungen wie diese könnten noch wichtig werden. Denn Sparkassenkritiker Gottwald hebt in seinem Papier, das unserer Redaktion vorliegt, auf eine von ihm unterstellte unterschiedliche wirtschaftliche Ausgangslage der beiden fusionswilligen Häuser ab. Die Stoßrichtung ist klar: Die wirtschaftlich stärkere Bank aus dem Allgäu hole sich so einen schwächeren Partner ins Haus, der aber aufgrund der Mehrheitsverhältnisse bei den Trägern den größeren Einfluss habe.
Gottwalds Papier dient der Lindauer Stadtratsfraktion Bunte Liste als Grundlage. Sie ist mit sechs Sitzen im 30-köpfigen Stadtrat (elf Gruppierungen) vertreten und versucht offenbar, dort eine Mehrheit gegen die Fusion zu organisieren. In einer Erklärung warnt Fraktionschef Daniel Obermayr davor, dass Lindau für die neue Großbank ein unbedeutendes Anhängsel zu werden drohe. Die Stimme, die Einspruch erhebt gegen die geplante Ehe, ist also schon gefunden. Offen ist, ob sie stark genug ist, um Gehör zu finden. »Wirtschaft