Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Niederlech­ners Frust

In Stuttgart ärgert sich der Torschütze des FC Augsburg nicht nur über die Niederlage, er rechnet zugleich mit dem ehemaligen Trainer Heiko Herrlich ab

- VON JOHANNES GRAF

Dass Florian Niederlech­ner, 30, unter den Anhängern des FC Augsburg so hoch im Kurs steht, das hat Gründe. Sportliche natürlich. Wer auf dem Rasen den Eindruck erweckt, alles für Mannschaft und Verein zu geben, wer keinem Zweikampf aus dem Weg geht und obendrein Treffer erzielt, erfüllt Anforderun­gen für einen hohen Rang in der Beliebthei­tsskala. Tore und Engagement allein dienen jedoch nicht als Maßstab, damit sich Fans mit Spielern identifizi­eren. Bayerns Robert Lewandowks­i ist zweifelsoh­ne einer der außergewöh­nlichsten Fußballer auf dem Erdball. Würde man aber deshalb zwingend mit ihm ein Bier trinken wollen?

Mit Niederlech­ner hingegen kann man sich gut ausmalen, gesellige Stunden zu verbringen. Umgänglich, sympathisc­h, meist gut gelaunt, dazu noch offen und ehrlich. Beste Voraussetz­ungen also für ein angeregtes Gespräch. Während die heutige Generation angehender Berufskick­er in Nachwuchsl­eistungsze­ntren geschult wird, wie sie sich in Interviews verhalten soll, was sie sagen, vor allem aber, was sie nicht sagen soll, hat sich Niederlech­ner in einem Jahrzehnt Profifußba­ll seine erfrischen­de Unbekümmer­theit bewahrt. Sein Herz trägt er auf der Zunge – auch vor laufender Kamera. Einen weiteren Beweis dafür lieferte der Augsburger Angreifer nach der Begegnung mit dem VfB Stuttgart.

Der Freitagabe­nd hatte für Niederlech­ner kein schönes Ende genommen. Zwischenze­itlich schien der FC Augsburg auf dem richtigen Weg. Niederlech­ner hatte nach einer knappen Stunde mit seinem vierten Saisontref­fer den verdienten Ausgleich erzielt, er und seine Mannschaft drängten auf den zweiten Treffer. Doch just in diese Phase hinein erzielte der Gastgeber durch Sasa Kalajdzic das 2:1, das letztlich den Endstand bedeutete. „Es ist absolut bitter. Wir hängen unten drin. Und dann verlierst du so ein Spiel, dass du eigentlich nicht verlieren darfst“, sagte Niederlech­ner im Nachgang.

Frust hatte sich in ihm aufgestaut. Über vergebene Torchancen. Über mangelhaft­es Abwehrverh­alten. Und letztlich über die 1:2 (0:1)-Niederlage, die den FCA im Abstiegska­mpf in eine bedrohlich­e Lage gebracht hat. Gewinnt der FC Augsburg nicht im „Endspiel“gegen Werder Bremen (Samstag, 15.30 Uhr), könnte die Spielzeit mit dem Abstieg in die Zweite Liga enden.

Frust hatte Niederlech­ner aber schon in den Wochen vor der Partie verspürt, wie er auf Nachfrage erklärte. Grund dafür: der ehemalige Trainer Heiko Herrlich. Niederlech­ner nutzte das Interview am Spielfeldr­and der leeren Stuttgarte­r Arena für eine Abrechnung. Einst hatte Herrlich Niederlech­ner bei der SpVgg Unterhachi­ng zum Profi gemacht, eine besondere Verbindung bestand deshalb zwischen beiden aber nicht. So lassen sich Niederlech­ners Ausführung­en deuten.

Bei der Frage nach seinem Befinden unter Herrlich stockte der Spieler zunächst. Sagte dann, jetzt müsse er aufpassen. Als er sich gesammelt hatte, erklärte der 30-Jährige: „Das war keine leichte Zeit für mich in den letzten Wochen. Ich habe es null Komma null verstanden, weil ich in der Rückrunde wieder richtig gut drauf war.“Dennoch beorderte Herrlich den Angreifer selten in die Startforma­tion, oft gab er André Hahn dort den Vorzug.

Niederlech­ner mutmaßte, dass seine Versetzung auf die Ersatzbank nicht unbedingt sportliche Gründe hatte. Er wurde noch deutlicher: „Ich habe leider einmal zu viel etwas gesagt und meine Meinung geäußert. Danach bin ich in den letzten Wochen draußen gehockt. Was ich leider nicht verstehen konnte, weil wir mitten im Abstiegska­mpf sind. Das war die Entscheidu­ng vom ExTrainer, das muss man akzeptiere­n.“

Während Niederlech­ner das Verhalten seines ehemaligen Trainers kritisiert­e, lobte er den Umgang mit Markus Weinzierl. „Er hat mir sofort das Vertrauen geschenkt und mir gesagt, was ich machen soll.“Der Trainer zeigte sich mit dem Auftritt seines Angreifers dann auch zufrieden. In der ersten Hälfte hatte dessen Kopfball das Ziel knapp verfehlt, in der zweiten Hälfte traf Niederlech­ner. „Ich habe mich für ihn gefreut“, kommentier­te Weinzierl den Treffer. „Wir brauchen diese Stürmertor­e.“

Der Trainer und sein Spieler waren sich aber darin einig, dass sich die Freude über das Tor in Grenzen halte. Niederlech­ner betonte: „Ich hätte lieber einen Punkt geholt oder gewonnen.“

 ?? Foto: Tom Weller, dpa ?? Mit seinem Treffer glich Florian Niederlech­ner (re.) für den FC Augsburg aus. Letztlich war sein Tor zu wenig, der FC Augsburg (li. André Hahn) unterlag und muss um den Klassenerh­alt bangen.
Foto: Tom Weller, dpa Mit seinem Treffer glich Florian Niederlech­ner (re.) für den FC Augsburg aus. Letztlich war sein Tor zu wenig, der FC Augsburg (li. André Hahn) unterlag und muss um den Klassenerh­alt bangen.

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