Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Retter zu Corona: „Ein nicht endender Katastrophenfall“
Covid-Patienten müssen zwischen Kliniken verlegt werden, die Fahrten sind aufwendiger als reguläre Transporte. Ohne Ehrenamtliche würde es in Augsburg nicht gehen – doch die geraten zunehmend an ihre Grenzen
Den Augsburger Hilfsorganisationen macht die Corona-Pandemie zunehmend personell zu schaffen, auch Ehrenamtliche sind im Dauereinsatz. In den Hochphasen der Infektionswellen habe man täglich bis zu fünf zusätzliche Fahrzeuge mit ehrenamtlichen Helfern ins Einsatzgeschehen gebracht, um den regulären Krankentransportdienst zu verstärken, sagt Michael Gebler, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft der Augsburger Hilfsorganisationen und Geschäftsführer des Roten Kreuzes. Andernfalls wäre das Aufkommen nicht mehr zu schaffen gewesen. Und es ist noch nicht zu Ende.
Auch aktuell seien täglich noch mindestens zwei Fahrzeuge mit Ehrenamtlichen zusätzlich zu den normalen Schichten im Einsatz. Denn zu den regulären Transporten von Patienten, etwa zwischen Pflegeheim und Krankenhaus, kommen seit Oktober noch die Verlegungsfahrten für Covid-Patienten hinzu, die zwischen Universitätsklinik und umliegenden
Krankenhäusern nötig sind, damit die Betten in einzelnen Häusern nicht ausgehen. „In dieser Dimension hat es das noch nicht gegeben. Es ist ein nicht endender Katastrophenfall, und der macht uns langsam mürbe“, sagt Gebler. Mit den regulär im Einsatz befindlichen und bewilligten Fahrzeugen aus Rettungsdienst und Krankentransport sei das Aufkommen seit etlichen Monaten nicht mehr zu schaffen.
Armin Voß von der Deutschen Lebensrettungsgesellschaft berichtet von mehr als 4500 Kilometern, die seit Ende November mit Unterstützungsfahrten zurückgelegt wurden. Wenn die Integrierte Leitstelle sich melde, weil die Kapazitäten nicht mehr ausreichen, starte er einen Rundruf bei seinen Mitgliedern. Meist sei man in einer halben Stunde einsatzbereit, weil die Ehrenamtler dann Gleitzeit oder Überstunden-Abbau nutzen.
Speziell wenn Verlegungsfahrten von Corona-Patienten auch in weiter entfernte Krankenhäuser nötig sind, fehlen die Fahrzeuge für mehrere Stunden in Augsburg. Hinzu komme, dass jede Fahrt eines Corona-Patienten
aufwendiger sei so Gebler. Mit dem anschließenden Reinigen des Fahrzeugs brauchen die Mitarbeiter für eine durchschnittliche Fahrt innerhalb der Stadt eineinhalb Stunden statt der bisher üblichen 45 bis 60 Minuten. Mit schweren Grippejahren, so Gebler, sei Corona aus Sicht der Hilfsorganisationen überhaupt nicht vergleichbar. In der letzten schweren Welle 2017/18 sei an einem einzigen Tag ein Zusatzfahrzeug nötig gewesen. Aktuell vergehe kein Werktag ohne mehrere Zusatzfahrzeuge. Man bitte Patienten und Angehörige, beim Eintreffen der Einsatzkräfte Mund-Nasen-Schutz zu tragen und Abstand zu halten. Auch die Angaben zu etwaigen
Symptomen – auch wenn es sich um einen Schnupfen handle – müssten unbedingt wahrheitsgemäß sein.
Teils stundenlange Wartezeiten und zu wenige Krankentransportwagen waren in den vergangenen Jahren immer wieder Thema – wir berichteten. Zuletzt wurde deshalb aufgestockt. Aber nach Einschätzung von Gebler reicht dies nicht. „Corona wirkt wie ein Brennglas für Probleme, auch bei den Hilfsorganisationen“, so Gebler. Man brauche ein bundesweites Katastrophenschutzgesetz, vor allem müsse bei den Kapazitäten im Rettungsdienst aber großzügiger geplant werden. Alles sei zu sehr auf Kante genäht. „Wir haben eine Vorhaltung, die das untere Level des Normalbetriebs bedient. Ein Unfall auf der Autobahn mit fünf Verletzten bringt uns ins Schleudern“, so Gebler. Die Krankenkassen als Kostenträger wollten die Kapazitäten gering halten. Gebler warnt: „Es ist dasselbe Problem wie auf den Intensivstationen: Die Arbeitsplätze werden unattraktiv und irgendwann finden wir kein Personal mehr.“