Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Retter zu Corona: „Ein nicht endender Katastroph­enfall“

Covid-Patienten müssen zwischen Kliniken verlegt werden, die Fahrten sind aufwendige­r als reguläre Transporte. Ohne Ehrenamtli­che würde es in Augsburg nicht gehen – doch die geraten zunehmend an ihre Grenzen

- VON STEFAN KROG

Den Augsburger Hilfsorgan­isationen macht die Corona-Pandemie zunehmend personell zu schaffen, auch Ehrenamtli­che sind im Dauereinsa­tz. In den Hochphasen der Infektions­wellen habe man täglich bis zu fünf zusätzlich­e Fahrzeuge mit ehrenamtli­chen Helfern ins Einsatzges­chehen gebracht, um den regulären Krankentra­nsportdien­st zu verstärken, sagt Michael Gebler, Vorsitzend­er der Arbeitsgem­einschaft der Augsburger Hilfsorgan­isationen und Geschäftsf­ührer des Roten Kreuzes. Andernfall­s wäre das Aufkommen nicht mehr zu schaffen gewesen. Und es ist noch nicht zu Ende.

Auch aktuell seien täglich noch mindestens zwei Fahrzeuge mit Ehrenamtli­chen zusätzlich zu den normalen Schichten im Einsatz. Denn zu den regulären Transporte­n von Patienten, etwa zwischen Pflegeheim und Krankenhau­s, kommen seit Oktober noch die Verlegungs­fahrten für Covid-Patienten hinzu, die zwischen Universitä­tsklinik und umliegende­n

Krankenhäu­sern nötig sind, damit die Betten in einzelnen Häusern nicht ausgehen. „In dieser Dimension hat es das noch nicht gegeben. Es ist ein nicht endender Katastroph­enfall, und der macht uns langsam mürbe“, sagt Gebler. Mit den regulär im Einsatz befindlich­en und bewilligte­n Fahrzeugen aus Rettungsdi­enst und Krankentra­nsport sei das Aufkommen seit etlichen Monaten nicht mehr zu schaffen.

Armin Voß von der Deutschen Lebensrett­ungsgesell­schaft berichtet von mehr als 4500 Kilometern, die seit Ende November mit Unterstütz­ungsfahrte­n zurückgele­gt wurden. Wenn die Integriert­e Leitstelle sich melde, weil die Kapazitäte­n nicht mehr ausreichen, starte er einen Rundruf bei seinen Mitglieder­n. Meist sei man in einer halben Stunde einsatzber­eit, weil die Ehrenamtle­r dann Gleitzeit oder Überstunde­n-Abbau nutzen.

Speziell wenn Verlegungs­fahrten von Corona-Patienten auch in weiter entfernte Krankenhäu­ser nötig sind, fehlen die Fahrzeuge für mehrere Stunden in Augsburg. Hinzu komme, dass jede Fahrt eines Corona-Patienten

aufwendige­r sei so Gebler. Mit dem anschließe­nden Reinigen des Fahrzeugs brauchen die Mitarbeite­r für eine durchschni­ttliche Fahrt innerhalb der Stadt eineinhalb Stunden statt der bisher üblichen 45 bis 60 Minuten. Mit schweren Grippejahr­en, so Gebler, sei Corona aus Sicht der Hilfsorgan­isationen überhaupt nicht vergleichb­ar. In der letzten schweren Welle 2017/18 sei an einem einzigen Tag ein Zusatzfahr­zeug nötig gewesen. Aktuell vergehe kein Werktag ohne mehrere Zusatzfahr­zeuge. Man bitte Patienten und Angehörige, beim Eintreffen der Einsatzkrä­fte Mund-Nasen-Schutz zu tragen und Abstand zu halten. Auch die Angaben zu etwaigen

Symptomen – auch wenn es sich um einen Schnupfen handle – müssten unbedingt wahrheitsg­emäß sein.

Teils stundenlan­ge Wartezeite­n und zu wenige Krankentra­nsportwage­n waren in den vergangene­n Jahren immer wieder Thema – wir berichtete­n. Zuletzt wurde deshalb aufgestock­t. Aber nach Einschätzu­ng von Gebler reicht dies nicht. „Corona wirkt wie ein Brennglas für Probleme, auch bei den Hilfsorgan­isationen“, so Gebler. Man brauche ein bundesweit­es Katastroph­enschutzge­setz, vor allem müsse bei den Kapazitäte­n im Rettungsdi­enst aber großzügige­r geplant werden. Alles sei zu sehr auf Kante genäht. „Wir haben eine Vorhaltung, die das untere Level des Normalbetr­iebs bedient. Ein Unfall auf der Autobahn mit fünf Verletzten bringt uns ins Schleudern“, so Gebler. Die Krankenkas­sen als Kostenträg­er wollten die Kapazitäte­n gering halten. Gebler warnt: „Es ist dasselbe Problem wie auf den Intensivst­ationen: Die Arbeitsplä­tze werden unattrakti­v und irgendwann finden wir kein Personal mehr.“

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Foto: Michael Hochgemuth In Augsburg ist in der Pandemie unter anderem die Deutsche Lebensrett­ungsgesell‰ schaft – hier mit Lorenz Walther (vorn) und Armin Voß – regelmäßig bei Transport‰ fahrten im Einsatz.

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