Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Beim Zoo brüten 114 GraureiherPaare
In den Bäumen nahe der Tierparkmauer lebt die zweitgrößte Brutkolonie der imposanten Tiere in Bayern. Mitten im Stadtgebiet haben die großen Wildvögel einige Vorteile, welche die Nachteile aufwiegen
Ein Geräusch ähnlich wie Froschquaken, aber hoch oben in den Baumwipfeln? Es sind seltsame Laute, die man in diesen Wochen im Siebentischpark hören kann. In den Bäumen gleich neben der Zoomauer brüten jetzt die wilden Graureiher. Wenn die Jungvögel um Futter betteln, geben sie Töne von sich, die nach Angaben von Experten stark an quakende Frösche erinnern. Doch nicht nur die Geräuschkulisse ist ungewöhnlich, sondern auch die Größe der Brutkolonie.
Wilde Graureiher gibt es in Augsburg seit vielen Jahren. Auffallend ist, dass es immer mehr werden. Inzwischen ist die Brutkolonie im Siebentischpark zur zweitgrößten im Freistaat herangewachsen. Wie die bayerische Vogelschutzwarte Garmisch mitteilt, ziehen derzeit 114 Paare in den Baumkronen ihre Jungen auf. Die größte Graureiher-Kolonie Bayerns lebt im unterfränkischen Landkreis Haßberge. Allein 2019 brüteten dort 296 Paare. Die Augsburger Population ist auch deshalb beachtlich, weil die große Mehrheit der bayerischen Graureiher-Kolonien recht klein ist und jeweils weniger als 20 Brutpaare hat. Nur vier Kolonien enthalten mehr als 50 Paare.
Bei den Augsburger Graureihern herrscht schon seit Februar rege Betriebsamkeit. Die Nester aus dem Vorjahr wurden wiederbesetzt und ausgebessert. Spaziergänger konnten beim Blick nach oben auch Streitereien um die besten Plätze und das Baumaterial beobachten. Die ersten Paare haben schon vor etwa zwei Monaten mit der Brut begonnen, wenn Nachzügler schlüpfen, kann es auch Juni werden. Aus diesem Grund sind in manchen Nestern bereits gut entwickelte Jungvögel zu sehen, während die gefiederten Nachbarn noch brüten oder mit dem Horstbau beschäftigt sind.
Die Gelege der Graureiher bestehen aus jeweils vier bis fünf Eiern.
Nach 25 bis 27 Tagen schlüpfen die Jungen. Anschließend kann man die blaugrünen Eierschalen unter den Brutbäumen finden, während oben in den Baumwipfeln die Reiher-Eltern ihren Nachwuchs füttern und umsorgen. Nach etwa einem Monat werden die jungen Reiher dann aktiver und klettern aus den Nestern ins umliegende Geäst. Flugfähig sind sie oft erst im Alter von 50 Tagen.
Der Augsburger Bestand an Graureihern ist den vergangenen Jahren stark gewachsen. Vor etwa zwei Jahrzehnten wurden nach Angaben des Landesbundes für Vogelschutz nur an die 30 Brutpaare gezählt. 2017 waren es dann schon 95. Jetzt sind es weit über 100 Paare. Damit sind die Wildvögel nicht mehr zu überhören, wenn man dem Dr.-Ziegenspeck-Weg bis in den Siebentischpark entlang geht und dann weiter nach links an der Zoomauer.
Der Kot, der nach unten fällt, ist auch zu riechen. Weil sich viele Nester direkt über dem Weg befinden, sollten Vogelfreunde bei einem Besuch der Kolonie ihre Sonntagsgarderobe besser im Schrank lassen, raten Fachleute der städtischen Naturschutzbehörde.
Dass so viele Graureiher ausgerechnet in Augsburg ihren Nachwuchs großziehen, hat einen Grund. Im Siebentischpark können die Wildvögel in Ruhe brüten. Sie werden dort nicht gejagt. Mit Spaziergängern im Naherholungsgebiet kommen sie zurecht. Und gleich nebenan profitieren sie von der Fütterung im Zoo. Beispielsweise bei den Zoostörchen fällt für die wild lebenden Nachbarn immer wieder ein Happen ab.
Für diese Vorteile nehmen die Graureiher auch Nachteile in Kauf: Zur normalen Futtersuche müssen sie relativ weite Strecken aus der Großstadt hinaus fliegen. Ihre Jagdgründe sind beispielsweise an der Wertach, im Bereich Gersthofen oder im Schmuttertal. Der Speiseplan der Graureiher ist umfangreich: Sie fressen nicht nur Fische und Frösche, sondern auch Mäuse oder Insekten. In der freien Natur kann die Nahrungssuche beschwerlich sein. Intakte natürliche Feuchtgebiete sind nicht mehr so leicht zu finden. Auch an privaten Gartenteichen tauchen bisweilen Graureiher auf, die fischen wollen. Nach der Brutzeit ab Ende Mai dürfte es nach Einschätzung von Experten aber keine Probleme mehr geben. Denn dann verlassen die Reiher ihre Brutkolonien und verteilen sich übers Land.
Lange Zeit waren Graureiher in Deutschland selten. Bis in die 1960er Jahre wurden die großen Schreitvögel massiv verfolgt. Nachdem sie unter Schutz gestellt wurden, hat sich der Bestand erholt. Nach Angaben des Landesamtes für Umwelt wird der Graureiher in ganz Deutschland mit Ausnahme Bayerns ganzjährig geschont. Schäden in der Teichwirtschaft, die den Vögeln zugeschrieben wurden, waren der Auslöser für die teilweise Aufhebung der Schonzeit in Bayern 1983. Im Herbst dürfen sie im Umfeld von Teichanlagen einige Wochen gejagt werden. Außerhalb dieses Bereichs sind sie also nach wie vor geschützt.