Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Neusässer Bahnhöfe werden nicht verbessert
Falls es noch Hoffnung gegeben hätte, dass mit dem Ausbau der Bahnstrecke Augsburg–Ulm auch die Haltepunkte in Neusäß und Westheim modernisiert werden, ist diese nun vom Tisch
Neusäß Eigentlich war es den meisten schon lange klar, aber nun wissen die Neusässer ganz genau, dass sie von der Bahn keine Hilfe bei der Modernisierung ihrer beiden Bahnhöfe zu erwarten haben. Um aktuelle Informationen über den Stand des Ausbaus der Bahnstrecke Augsburg-Ulm zu erhalten, hatte der Neusässer Stadtrat den zuständigen Projektleiter der DB Netz AG, Markus Baumann, zu Gast. Doch der hatte über die kontrovers diskutierte Trassenführung nicht viel Neues zu berichten. Derzeit arbeite man die Details der vier bekannten Trassen aus.
Nur die Nachfragen der Stadträte zum Thema Bahnhöfe konnte Baumann klar beantworten: „Die Wahrscheinlichkeit, dass wir in die Bahnhöfe irgendwie eingreifen müssen, ist sehr gering“, so der Projektleiter. Er verdeutlichte, dass man theoretisch auch zwei neue Gleise entlang der Bestandsstrecke bauen könnte, ohne die Bahnhöfe „anzufassen“, vor allem, weil die neuen Gleise dann höchstwahrscheinlich nordwestlich der alten Gleise entstehen würden – und die Bahnhöfe sind auf der anderen, südlichen Seite.
Wie mehrfach berichtet, wünschen sich die Neusässer seit Jahren eine Modernisierung der alten Bahnhöfe in Westheim und Neusäß. Sie haben keinen Aufzug, sind nicht barrierefrei und haben noch andere Mängel. In der aktuellen Stadtratssitzung wurde erneut deutlich: Die Bahn wird daran nichts ändern. Die Stadträte kritisierten, der Bund und der Freistaat, der für die Bahnhöfe zuständig ist, hätten sich jahrelang den Schwarzen Peter gegenseitig zugeschoben und den Umbau der Bahnhöfe mit der Aussicht auf das „dritte Gleis“vertagt – passiert sei jedoch nichts.
Deutlich wurde Baumann auch beim Zeitrahmen: Da der Bundestag 2024 über die neue Trasse – immer noch stehen vier zur Auswahl – entscheiden soll und eine Fertigstellung bis 2030 anvisiert ist, könnte die Stadt Neusäß gemeinsam mit dem Freistaat einen barrierefreien Umbau ihrer Bahnhöfe wahrscheinlich schon viel früher realisieren. Bürgermeister Richard Greiner war sich mit dem Stadtrat einig, dass man sich nun andere Gesprächspartner und Wege suchen muss, um bei der Frage der Bahnhöfe vorwärtszukommen, zum Beispiel mit dem Förderprogramm des Freistaats zur Barrierefreiheit.
Auf Nachfragen von SPD-Stadtrat Christian Rindsfüßer erklärte Baumann, dass keine der Trassenvarianten das Güterverkehrszentrum (GVZ) beeinträchtigen werde. Darüber hinaus sei völlig unklar, wie hoch der Anteil des Güterverkehrs welchem Gleis sein werde. Die Befürchtung der Neusässer, der Güterverkehr werde überwiegend auf der Bestandsstrecke laufen und auch zunehmen, konnte Baumann nur teilweise entkräften: Das käme auch stark auf die Preisentwicklung an. Manchmal sei die alte Strecke zwar länger, dafür aber günstiger. Der Güterverkehr könnte auf der neuen Fernverkehr-Trasse aber nachts verkehren. Geschichte ist übrigens schon lange das „dritte Gleis“: Die Planungen sehen vier Gleise vor.
Vier mögliche Trassen und bis zu 500 Meter breite Planungskorridore gibt es. Einer läuft bis Dinkelscherben auf der jetzigen Strecke und dann durch den südlichen Landkreis Günzburg Richtung Ulm.
Die anderen drei orientieren sich früher oder später Richtung Autobahn. Daraus entwickeln die Planer derzeit vier etwa 20 Meter breite Trassen, wobei auch Kombinationen unter den jetzigen Korridoren möglich sind. Eine davon sieht die Untertunnelung von Neusäß und des Schmuttertals vor. Eine Variante, die im Neusässer Stadtrat auf weauf nig Gegenliebe stößt. Margot Kießling (AfD) stellte die prinzipielle Frage, warum man eine so aufwendige und teure Lösung überhaupt ins Auge fasse? Markus Baumann erklärte, dass man in diesem Fall ohnehin mit vier Trassen sehr wenig Möglichkeiten gefunden habe. Grund sei die Topografie mit vielen Steigungen. Dies sei auch der Grund, warum man die Strecke nicht auf ganzer Länge neben der Autobahn führen könne. Die bewältige teils Steigungen von vier Prozent.
CSU-Stadträtin Ute Anthuber fragte, ob nicht jene Trassenführung an der Bestandsstrecke den geringsten Widerstand bei den Bürgern vermuten lasse, weshalb diese leichter und schneller zu realisieren sei. „Nein, überhaupt nicht“, sagte Markus Baumann, „der Widerstand kann überall groß sein, wenn das bedeutet, die Menschen bekommen eine Lärmschutzwand vor ihr Haus“. Leichter sei eher eine Strecke „über die unbebaute, grüne Wiese“.
Silvia Daßler (Grüne) plädierte dafür, dass man nun als Stadt Neusäß alles daran setzen müsse, die Bahnhöfe voranzubringen, nach einem
Bund und Freistaat schoben sich die Verantwortung zu
„jahrzehntelangen Hin und Her zwischen Bund und Freistaat“. Man könne nicht noch zehn Jahre warten.
Mit der Neubaustrecke, die für den Fernverkehr gedacht ist (die Strecke soll planerisch auf 300 km/h ausgerichtet werden, wobei die Züge langsamer fahren können), sollen künftig Fahrzeiten von 26 statt bisher 40 Minuten möglich sein. Ulm – Augsburg gilt als Nadelöhr auf der europäischen Schienenmagistrale Paris – Budapest, weil die Bahn hier noch dem 160 Jahre alten Streckenverlauf mit vielen Kurven folgt. Die Bahn steigt noch im Juni in den Dialog mit den Bürgern ein, um über das Projekt zu informieren. Dabei machen die Mitarbeiter für mehrere Tage Station in den Orten und beantworten Fragen. Schon jetzt gibt es alle Informationen unter www.ulm-augsburg.de. In zwei Jahren soll dann das Raumordnungsverfahren bei der Regierung von Schwaben beginnen, wo alle Vor- und Nachteile der Trassen geprüft werden.
Oberster Maßstab ist der Deutschlandtakt