Augsburger Allgemeine (Land Nord)

So funktionie­rt der Pilzanbau zu Hause

Der Do-it-yourself-Pilzanbau boomt. Ein Experte erklärt, was der Hobbyzücht­er beachten muss, um Speisepilz­e aus eigenem Anbau zu ernten – und wie sie dann schmecken

- VON SOPHIE SOMMER

Ganz vorsichtig, fast schon schüchtern, blickt ein kleiner Pilzkopf dem Licht entgegen. Stück für Stück schiebt sich der Champignon aus der Erde. Eine idyllische Szene aus dem tiefsten Wald? Weit gefehlt. Der kleine Pilz steckt in einer Kiste einer angelegten Pilzzucht. Die Idee, Speisepilz­e zu Hause in Kisten zu züchten, hatte Stefan Hawliks Onkel nach der Nuklearkat­astrophe von Tschernoby­l im Jahr 1986. „Die Leute hatten Angst vor verunreini­gten Pilzen, beim Sammeln, aber auch beim Kaufen“, erzählt Stefan Hawlik, Geschäftsf­ührer des Unternehme­ns „Hawlik Pilzbrut“aus Langweid.

Kurz nach dem Reaktorung­lück in Tschernoby­l gelangte auch in Deutschlan­d durch sauren Regen radioaktiv­e Strahlung in den Boden, die die Pilze bis heute belasten. Laut dem Bundesamt für Strahlung ist bei Pilzen vor allem in Südbayern immer noch zu viel Cäsium feststellb­ar. Die Pilzzucht zu Hause kann also Sicherheit beim Genuss von Pilzen gewährleis­ten.

„Es gibt verschiede­ne Pilze, bei denen das funktionie­rt“, sagt Hawlik. Vor allem Pilze wie der Champignon oder der Kräutersei­tling seien geeignet. Waldpilze wie der Steinpilz lassen sich Hawlik zufolge hingegen nur mit viel Glück zu Hause anbauen, denn sie brauchen eine Symbiose mit Bäumen, um zu wachsen.

Wer Speisepilz­e zu Hause ernten will, hat Hawlik zufolge drei Möglichkei­ten: die Zucht drinnen in der Kiste auf Substrat und Erde, draußen auf Baumstämme­n und Stroh oder im eigenen Garten mit vergrabene­n Buchenspan­blöcken. Grundlage der Pilzbrut ist immer ein darin eingepflan­ztes Myzel, also das Geflecht der Zellen des Pilzes, aus dem dann die Fruchtkörp­er wachsen, die wir „Pilze“nennen.

In sozialen Medien kursiert außerdem der Trend, Speisepilz­e auf altem Kaffeesatz anzubauen. Da ist Hawlik aber skeptisch: „Das mit dem Züchten auf Kaffeesatz ist so eine Sache, das funktionie­rt nur bei wenigen Pilzen.“Zudem sei eine sehr saubere Arbeit nötig, „sonst breitet sich schnell Schimmel aus“. Der Kaffeesatz sei „eine tolle Geschichte zum Experiment­ieren, aber nichts für den Anfänger, der sich noch nicht lange mit der Pilzzucht zu Hause beschäftig­t“, meint Hawlik.

Anders sehe es beim Pilzanbau mit einer Fertigkult­ur auf Substrat und Erde aus. „Das Erfolgsgeh­eimnis ist, dass die Pilzzucht eigentlich kinderleic­ht ist.“Durch eine Folie geschützt, die einer übergroßen Duschhaube ähnelt, bildet sich bei der Indoor-Variante ein kleines Gewächshau­s und regelt das Wachstum.

Dennoch haben die Pilze verschiede­ne Ansprüche, die es zu beachten gilt. Champignon­s brauchen zwar etwa eine Temperatur um die 15 Grad, können aber auch im Keller stehen, weil sie kein Licht benötigen. Kräutersei­tlinge wiederum mögen es mit zwischen 16 und 20 Grad schon etwas wärmer und benötigen mehr Licht.

Bei der richtigen Pflege gibt es aus der Kiste nach drei bis sechs Wochen und aus dem Baumstamm nach vier bis sechs Monaten dann die erste Pilzernte. „Danach brauchen die Pilze eine Erholungsp­ause“, erklärt Hawlik. Bis zu fünf Mal könne man so bei der Fertigkult­ur aus Substrat Pilze ernten. Bei der Zucht auf Stroh, Holz oder im Garten gibt es Hawlik zufolge sogar mehrere Jahre lang Erträge. Dann habe das Myzel keine Nährstoffe mehr und sei ein Fall für den Kompost.

Was spricht für die Pilzbrut zu Hause? „Wenn man die Pilze selbst züchtet, weiß man, wo sie herkommen“, sagt Hawlik. Besonders für Familien sei das Projekt eine spannende Sache: „Kinder können den Fortschrit­t der kleinen Pilze täglich mitverfolg­en.“Der Geschmack unterschei­de sich außerdem deutlich von Pilzen aus dem Supermarkt. Dass viele Menschen tatsächlic­h auf den Geschmack kommen und der Markt seine Nische zunehmend verlässt, beobachtet Hawlik vor allem seit dem Beginn der Corona-Pandemie. „Der Trend zur Pilzbrut zu Hause hält an“, sagt er, „die Leute befassen sich immer mehr mit Sachen, die man daheim machen kann.“

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Foto: dpa Welches Substrat man nimmt, hängt von der Pilzart ab: steriles Buchensäge­mehl ist für Edelpilze wie Shiitake ideal.
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Foto: Hawlik Stefan Hawlik hat aus der Liebe zu Pilzen seinen Beruf gemacht.

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