Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Neid ist vollkommen in Ordnung
Neid muss man sich erarbeiten. Wird meist denen zugerufen, die zwar unbeliebt sind, aber irgendeine Fähigkeit besitzen, die sie aus der grauen Masse hervorhebt. Der Klassenstreber beispielsweise. Niemand mochte mit ihm spielen, die Noten hätte man aber schon gerne mit ihm getauscht.
Etwas anders verhält es sich mit dem Impfneid. Die meisten würden sich gerne die Spritze in den Oberarm setzen lassen, doch noch ist es nicht allen vergönnt. Ungespritzte neiden Gespritzten den Pieks. Anders als der Streber hat der Geimpfte aber meist recht wenig geleistet. Im Gegenteil: Er (oder sie) musste viel ertragen. Die Mühsale des Alters etwa oder eine Krankheit. Wer priorisiert behandelt wird, mit dem will man nicht tauschen – außer in der Impfreihenfolge.
Wenn auf sportliche Höchstleistungen geblickt wird, schwingt neben Bewunderung auch immer Neid mit. Warum kann Franck Ribéry so außergewöhnlich gut mit dem Ball umgehen und verdient dazu jedes Jahr Millionen an Euro? Weil er bei der Versorgung mit Talent prioritär behandelt wurde. Dafür fehlt es ihm wahrscheinlich an anderer Stelle.
Man kann sich den Menschen als ein Gefäß vorstellen, gefüllt mit Talenten, Fähigkeiten, Äußerlichkeiten und Erlerntem – irgendwann aber ist Schluss. Das Gefäß läuft über. Leistungsturner beispielsweise verfügen über brillantes Körpergefühl, besitzen anbetungswürdige Körper und gelten unter den Sportlern nicht als die Dümmsten. Allerdings können sie oftmals im Stehen gerade so über die Tischplatte schauen.
Oder Cristiano Ronaldo. Dieses Talent. Dieser Körper. Dieses Gehalt. Nun wäre es ein Leichtes anzunehmen, es fehle ihm an kognitiven Fähigkeiten. Gewiss zählten die wenigsten Elite-Fußballer zu den Strebern in ihren Klassen. Das Vorurteil „Dumm kickt gut“gilt allerdings auch schon lange als widerlegt. An was aber könnte es Ronaldo dann mangeln? Der ehemalige Trainer des FC Blackpool, Ian Holloway, hat es so umschrieben: „Er hat eine stattliche Größe, ist unglaublich fit und schaut gut aus – irgendwas kann mit ihm nicht stimmen. Hoffentlich hat er den Penis eines Hamsters – dann würden wir uns alle besser fühlen.“
Neid mag eine kleingeistige Regung sein. Solange er aber das Gemüt aufhellt, sei er hingenommen.