Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Testen, testen, testen: So läuft das Modellproj­ekt

Schleswig-Holstein probt schon mal den Urlaub. Das sind die Erfahrunge­n eines Augsburger Paares

- VON DORIS WEGNER

Während der Süden noch auf sinkende Inzidenzwe­rte hofft, ist Urlaub im Norden Deutschlan­ds möglich. Seit einigen Wochen läuft in Schleswig-Holstein ein Modellproj­ekt. Wie funktionie­rt das? Der Augsburger Thomas Lis hat sich eine Woche auf einem Campingpla­tz in St. Peter-Ording erholt. Wie waren seine Erfahrunge­n?

Frage: Hallo Herr Lis, welche Farbe hat heute das Meer?

Lis: Braun! Nordsee halt. Das Meer ist sehr aufgewühlt Es sind sehr viele Surfer und Kite-Surfer unterwegs. Baden kann man nicht. Das Wasser ist halt noch ein bisserl frisch …

Wie ist es denn, Urlaub zu machen? Man hat das Gefühl ja fast vergessen? Lis: Der Ortswechse­l tut nach der langen Zeit einfach gut. Die Luft... Der Wind... Wir genießen es. Am schönsten ist es für uns aber, einfach mal wieder essen zu gehen. Das ist halt eine ganz andere Atmosphäre, als wenn die Speisen vom Radelkurie­r gebracht werden und ein bisschen Petersilie drübergest­reut wird.

Wie funktionie­rt das Modellproj­ekt in der Praxis?

Lis: Man benötigt einen negativen Corona-Test im Vorfeld der Anreise – das ist Voraussetz­ung. Und dann ist wirklich augenfälli­g, dass es an jeder Ecke Teststatio­nen gibt, wo man sich kostenlos testen kann. Sogar einen Fahrrad-Drive-in gibt es. Eine tolle Sache. Maske runter. Man wird gefragt, tief rein oder nicht tief rein in die Nase, dann fährt man gleich weiter und erhält 15 Minuten später das Ergebnis aufs Handy. Mit dieser maximal 24 Stunden alten Testbesche­inigung kann man dann beispielsw­eise ins Restaurant. Außerdem ist die Luca-App zur Erfassung der persönlich­en Daten allgegenwä­rtig.

Wie ist die Stimmung?

Lis: Sehr gut. Alle sind sehr freundlich. Jeder freut sich. Sowohl die Urlauber als auch die Tourismusa­ngestellte­n. Wir führen überall nette Gespräche. Nur einmal habe ich eine etwas schwierige Situation erlebt, als eine Familie mit ihren Kindern essen gehen wollte, jedoch keine Testbesche­inigung dabei hatte. Da gab es mal Diskussion­en. Aber die Familie ist dann ins Testcenter gegenüber des Restaurant­s gegangen und haben halt 20 Minuten später gegessen.

Der Versuch wird ja sehr kritisch in Deutschlan­d beobachtet. SchleswigH­olstein will sich ja bald komplett für den Tourismus öffnen. Die Vorgaben werden also konsequent eingehalte­n? Lis: Ja durchaus. Die Tourismusb­etriebe haben ja viel zu verlieren... Die Inzidenzwe­rte in den Modellregi­onen haben sich seit Projektsta­rt sogar verbessert.

Wie oft wurden Sie in Ihrer Urlaubswoc­he also getestet?

Lis: Sieben Mal. Für den Campingpla­tz ober im Hotel würde es alle zwei Tage ausreichen, aber wenn man essen gehen will, darf der Test maximal 24 Stunden alt sein.

Hat Sie das gestört?

Lis: Das wird zur Routine. Besonders meine Frau hatte deswegen große Vorbehalte. Aber dadurch, dass es hier so unkomplizi­ert gehandhabt wird, nimmt man es einfach in Kauf. Auch meine Frau.

Wie sieht das Leben auf dem Campingpla­tz aus?

Lis: Nach unserer Buchung haben wir ein ganzes Paket mit Infomateri­al erhalten. Bei der Ankunft wurden wir noch einmal getestet. Geöffnet haben nur die Toiletten. Es können erst mal auch nur Selbstvers­orger kommen. Es gibt also kein erweiterte­s soziales Leben auf dem Campingpla­tz. Offiziell ist es so, dass man nicht mit den Nachbarn zusammen grillen darf oder so was. Das also, was man normalerwe­ise ganz selbstvers­tändlich macht: Sich an einem Tisch versammeln und alle quatschen miteinande­r. Das ist nicht erlaubt. Aber natürlich redet man mal mit den Leuten. Abstand hat ja jeder mittlerwei­le verinnerli­cht. Es sind aber alle froh, dass sie endlich mal loskommen.

Wo kommen Ihre Wohnmobiln­achbarn denn her?

Lis: Die Kennzeiche­n sind aus ganz Deutschlan­d. Viechtach, München, Ulm, Hamburg. Und es ist ausgebucht. Die Region Nordfriesl­and ist ausgebucht.

Dann hatten Sie also Glück, dass Sie noch einen Stellplatz bekommen hatten?

Lis: Als ich beschlosse­n habe, einfach irgendwo hinzufahre­n, weil ich mal Tapetenwec­hsel brauchte, wusste ich noch nichts von der Modellregi­on. Ich habe einfach geschaut, wo die Inzidenzwe­rte niedrig sind – dann erst habe ich von dem Projekt erfahren. Fünf Minuten später hatte ich gebucht. Denn mir war klar, wenn das bekannt wird, bekommt man nichts mehr. Und genau so war es.

Was haben Sie so gemacht?

Lis: Radfahren, spazieren gehen – ein wenig vergessen geglaubte Freiheit genießen.

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Foto: privat Erst der Test, dann das Vergnügen: Thomas Lis und seine Frau Barbara Gall haben Ur‰ laub in der Modellregi­on Nordfriesl­and gemacht.
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