Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Eine sichere Wahl?
Der Verfassungsschutz rechnet mit Cyber-Attacken ausländischer Geheimdienste auf die Bundestagswahl im September. Auch gestohlene Politikerdaten könnten für Kampagnen missbraucht werden
Berlin Wo immer heute demokratische Wahlen stattfinden, gibt es auch Versuche, diese illegal zu beeinflussen oder Zweifel an deren Rechtmäßigkeit zu säen. Vor der Bundestagswahl am 26. September beobachten die deutschen Sicherheitsbehörden bereits eine Vielzahl von Störmanövern und sind sich sicher, dass da noch weit mehr an Bedrohungen kommt. Befürchtet werden etwa neue Desinformationskampagnen, aber auch gewalttätige Aktionen von politischen Extremisten. Doch Bundesinnenminister Horst Seehofer ist überzeugt, dass die Behörden gut gerüstet sind. Am Mittwoch informierte der CSUPolitiker in Berlin über den Stand der Anstrengungen für einen reibungslosen Ablauf des Urnengangs.
Der Wahlkampf habe längst begonnen, so Seehofer, und so laufe auch der Schutz vor Manipulationen und Versuchen der illegitimen Einflussnahme durch Akteure aus dem In- und Ausland bereits auf Hochtouren.
An alle 43 zur Wahl zugelassenen Parteien sei das Angebot ergangen, sie über sicherheitsrelevante Fragen zu informieren.
Der Wahlkampf sei natürlich auch vor dem Hintergrund der allgemein angespannten Sicherheitslage zu sehen, sagte Thomas Haldenwang. Laut dem Präsidenten des Bundesamts für Verfassungsschutz stellt nach wie vor der Rechtsextremismus die größte Bedrohung für die Demokratie dar. Nicht nur durch konkrete Gewaltakte. „Die Akteure der Neuen Rechten betätigen sich als geistige Brandstifter“, sagte er. Das Internet quelle über vor Hassbotschaften gegen Muslime, Juden und jede Art von Andersdenkenden. Den Behörden seien zahlreiche Personen bekannt, denen gerade auch zu Wahlkampfzeiten Anschläge zugetraut würden. Das gelte gleichermaßen für Extremisten aus dem islamistischen und linken Spektrum. Er sehe die Gefahr eines gegenseitigen Aufschaukelns von rechts- und linksextremistischen Gruppen. Es seien zunehmend extremistische Straftaten zu erwarten, nicht nur gegen Wahlplakate. Auch Politiker selbst, gerade Lokalpolitiker, könnten Ziel von Attacken werden.
Demonstrationen rund um das Thema Corona seien zwar rückläufig, doch Akteure aus dem Spektrum der Reichsbürger und Selbstverwalter sind laut Haldenwang „weiter sehr aktiv“. Er empfiehlt:
„Die Bürger sollten wachsam sein und sich nicht nur in ihrer eigenen Blase informieren.“Im CyberRaum seien zahlreiche unzulässige Aktionen im Gange. So habe etwa die Hacker-Truppe „Ghostwriter“die digitalen Kanäle von Bundesund Landtagsabgeordneten im Visier. Mit illegal erbeutetem Material könnten sogenannte Hack-and Leak- oder Hack-and-Publish-Aktionen durchgeführt werden. Das heißt, die Daten, etwa vertrauliche E-Mails, werden veröffentlicht, oft in einem verfälschten Kontext. Ziel: die betroffenen Politiker in Misskredit zu bringen. Ein „nachrichtendienstlicher Hintergrund“sei dabei wahrscheinlich.
Oft führen die Spuren nach Russland, in die Türkei oder nach China, doch auf Nachfrage wollte Innenminister Seehofer keine Staaten namentlich nennen. Es sei aber bekanntermaßen das Interesse bestimmter Staaten, Einfluss auf Bundestagswahlen zu nehmen. Dabei gehe es stets darum, „eigene Narrative zu verbreiten, freundlich gesinnte Politiker zu unterstützen und Gegner zu diskreditieren“.
Seehofer empfahl, nicht ausschließlich auf die Bedrohung aus dem Ausland zu blicken: „Das findet auch bei uns im Land statt. Wir brauchen im Kampf gegen falsche Nachrichten auch die eigene Bevölkerung, die darauf nicht anspringt. Was bei uns im Land stattfindet, reicht.“Insgesamt, so Seehofer, seien die Wahlen durch eine „enge Vernetzung aller Akteure der Sicherheitsbehörden“gut geschützt.
Bundeswahlleiter Georg Thiel sagte, dass bundesweit rund 650 000 Helfer als unabhängige Wahlorgane im Einsatz seien. Diese seien auf „alle Eventualitäten“vorbereitet. „Bei der Auszählung kommen keine Wahlautomaten zum Einsatz, die Stimmzettel werden von Bürgern ausgewertet. Jeder kann dazukommen und die Auszählung beobachten“, betonte er. Und die Briefwahl, die wegen Corona an Bedeutung gewinne, „bietet die gleiche Sicherheit und Transparenz wie bei anderen Stimmen“, sagte Thiel.