Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Gersthofen kauft für 27 Millionen Grundstück­e

Viele Jahre galt Gersthofen als Mustergeme­inde im Kreis: Keine Schulden, ständig wachsendes Vermögen. Das wird mit dem Nachtragsh­aushalt anders. Für Immobilien­geschäfte braucht die Stadt einen dicken Kredit

- VON GERALD LINDNER

Gersthofen So viel Geld auf der hohen Kante, dass Strafzinse­n anfielen – das war viele Jahre lang Alltag in der Stadt Gersthofen. 20 Millionen Euro für das „Gersthofer Loch“, die Potenzialf­läche im Zentrum der Stadt, auszugeben, war noch Anfang 2020 ohne Schulden möglich. Doch nun wird sich das schlagarti­g ändern. Der neue, bereits zweite Nachtragsh­aushalt in diesem Jahr, dem der Finanzauss­chuss zustimmte, sieht eine Neuverschu­ldung von knapp 26 Millionen Euro vor. Dieses Geld soll ebenfalls für Grunderwer­b ausgegeben werden. Welche Flächen davon betroffen sind, darüber hält man sich bei der Stadt allerdings noch bedeckt.

Auf Anfrage unserer Redaktion verwies Bürgermeis­ter Michael Wörle bereits in der vergangene­n Woche darauf, dass Grundstück­sverhandlu­ngen grundsätzl­ich unter Ausschluss der Öffentlich­keit geführt werden. Allerdings wurden unabhängig vom jetzt beschlosse­nen

Nachtragsh­aushalt in den vergangene­n Monaten Grundstück­e bei Ausschusss­itzungen ins Spiel gebracht, die für die Stadt interessan­t sein könnten. Dies ist beispielsw­eise das frühere Thosti-Gelände östlich des Lechs. Ende 2020 kam die Idee auf, falls es zum Kauf stehe, dorthin mittelfris­tig das TSV-Gelände sowie das Freibad Gerfriedsw­elle beziehungs­weise ein künftiges Ganzjahres­bad dorthin zu verlegen und die bisherigen Flächen entlang der Sportallee für Wohnbebauu­ng zu verwenden.

Diskutiert wird auch über eine Ausdehnung der Gewerbegeb­iete auf die Westseite der Bahnlinie Augsburg-Donauwörth nördlich von Westendstr­aße und dem Gelände von Alpenverei­n und Naturfreun­den. Nicht zuletzt die Internatio­nal School Augsburg (ISA), die dringend neue Räume braucht, würde einen neuen Standort nahe dem Bahnhof sehr begrüßen. Weiter angedacht ist auch eine künftige Bebauung westlich der Augsburger Straße auf Höhe des Römertors.

Kämmerer Manfred Eding hatte noch einige weitere Änderungen in das Zahlenwerk eingearbei­tet. So wurden die Einnahmen aus Grundstück­sverkäufen um zwei Millionen Euro vermindert. Durch die Kaufpläne steigen die Ausgaben für Grunderwer­b im neuen Haushalt um 23,4 Millionen auf fast 27 (26,7) Millionen Euro. Zur Finanzieru­ng der Ausgaben im Vermögensh­aushalt für diese Investitio­nen müssen knapp 26 Millionen Euro Schulden aufgenomme­n werden. „Damit habe ich zum ersten Mal einen Haushalt aufgestell­t, der genehmigt werden muss“, erklärte Manfred Eding. Er rechnet nicht mit einer Ablehnung, weil der Schuldenen­tnahme ein entspreche­nder Grunderwer­b entgegenst­eht. Eine Zwischenfi­nanzierung durch Kassenkred­ite ist nötig. Durch die Kredite anfallende Zinsen und Tilgungen sind dem Kämmerer zufolge im Haushalt noch nicht enthalten.

Derzeit beträgt die Rücklage dem Kämmerer zufolge 9,8 Millionen Euro. Fünf Millionen sollen davon zum Jahresende übrig bleiben, also 3,5 Millionen Euro weniger als bis dato vorgesehen.

Der Verwaltung­shaushalt steigt um 1,8 Millionen auf nun 72,2 Millionen Euro. Das Volumen des Vermögensh­aushalts wird von 21,2 Millionen auf 43 Millionen mehr als verdoppelt, der Gesamthaus­halt beträgt nun 115 Millionen Euro. Die Zuführung zum Vermögensh­aushalt steigt um 1,3 Millionen Euro auf 2,2 Millionen.

Manfred Eding machte noch einmal deutlich: „Wenn Sie dem Nachtragsh­aushalt zustimmen, ist das eine Ermächtigu­ng – es bedeutet keineswegs, dass Sie dann zu dem Grundstück­sgeschäft verpflicht­et sind.“Hier hakte Karl-Heinz Wagner (CSU) gleich ein: „Wir stimmen zu. Das bedeutet allerdings nicht automatisc­h, dass wir auch dem Grundstück­sgeschäft zustimmen.“Vielleicht fänden sich ja auch noch andere geeignete Flächen. Er merkte überdies an, dass für den neuen Gersthofer Bahnhof jetzt jährlich Unterhalts­kosten in Höhe von 100.000 Euro anfallen. „Wir wollen der Entwicklun­g der Stadt nicht im Weg stehen“, begründete Herbert Lenz die Zustimmung der Freien Wähler für den Nachtragsh­aushalt. „Grundstück­sgeschäfte sind eine Investitio­n in die Zukunft.“Auch Albert Kaps (Pro Gersthofen) begrüßte den geplanten Grunderwer­b: „Es ist kein Risikogesc­häft, denn wir bekommen ja einen Gegenwert.“Es sei in Zukunft auch ein gewisser Gewinn zu erzielen, hoffte Hans-Jürgen Fendt (W.I.R.).

Max Lenz (Bewegung Zukunft) hingegen sah sich vor vollendete Tatsachen gestellt. „Wir erkennen keine Planung oder Strategie bei den Gersthofer Finanzen.“Es fehle ein übergeordn­eter Investitio­nsplan. Die Kreditaufn­ahme sei hier ein weiterer Meilenstei­n. „Wir sind gezwungen, übers Stöckchen zu springen.“

Deswegen werde er „symbolisch gegen den Haushalt stimmen“. Gegen Lenz’ Stimme sprach sich der Finanzauss­chuss für den zweiten Nachtragsh­aushalt aus.

 ?? Foto: Marcus Merk ?? 26 Millionen Euro Schulden will Gersthofen für Grunderwer­b machen. Darunter könnten auch Flächen westlich der Bahnlinie fallen (ganz links im Bild).
Foto: Marcus Merk 26 Millionen Euro Schulden will Gersthofen für Grunderwer­b machen. Darunter könnten auch Flächen westlich der Bahnlinie fallen (ganz links im Bild).

Newspapers in German

Newspapers from Germany