Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Kindergartenchefin verabschiedet sich
Helga Mack aus Dinkelscherben geht nach 40 Jahren in den Ruhestand. Wie sich Kindergarten verändert hat
Katja Röderer, Dinkelscherben. Freudestrahlend winkt Helga Mack aus ihrem Bürofenster: „Da sind ja meine Freunde“, ruft sie den Kindern zu, die gerade an die Scheibe geklopft haben. Die drei Kleinen müssen hochhüpfen, um einen Blick ins Bürofenster zu erhaschen. Es sind die letzten Kinder, die Helga Mack in Dinkelscherben beruflich betreut. Nach 40 Jahren im Dienst freut sich die Leiterin des katholischen St.-Anna-Kindergartens jetzt auf ihren Ruhestand. Ihren Erfahrungsschatz nimmt sie mit, wenn sie Ende August verabschiedet wird. Für Eltern hat sie aber noch einen Tipp.
So ist sie nach 40 Jahren mit all den Kindern überzeugt: „Bilderbücher und Geschichten sind wichtig.“Eltern sollten sich nicht allein darauf konzentrieren, ihren Nachwuchs auf moderne Medien vorzubereiten. Die Kleinen im Kindergarten würden jeden Tag fragen, ob sie ihnen etwas vorliest. „Wenn ich dann mit sechs Kindern in der Leseecke sitze und vorlese, sind sie begeistert und hören fasziniert zu. Und jeder von ihnen hat wahrscheinlich gerade andere Bilder von der Geschichte vor Augen.“Der Alltag im Kindergarten
hält nicht nur schöne Momente bereit. Die Corona-Pandemie hat zuletzt viel Kraft gekostet. „Machen Sie mal mit einem Kind Sprachförderung, wenn Sie eine Maske aufhaben“, sagt die 61-Jährige. Gleich zu Anfang der Pandemie trat im Kindergarten St.-Anna ein Corona-Fall auf. Später mussten noch zwei Gruppen geschlossen werden. Corona hat auch den bürokratischen Aufwand
erhöht: Atteste, Elternbriefe und unzählige Schreiben von Ministerien sind in einem dicken, grünen Ordner in Helga Macks Büro sortiert.
Ihr Antrag für einen Luftfilter im oberen Gruppenraum sei gerade aus Kostengründen abgelehnt worden, berichtet sie. In diesem Moment klingelt ein Handwerker an der Tür. Wo Dusche und Waschbecken sind, will er wissen, er müsse das Wasser überprüfen. Der Alltag einer Kindergartenleiterin birgt eben Überraschungen.
Trotz allem strahlt Helga Mack diese Ruhe aus. Sie weiß noch, wie sie 1983 die Leitung übernahm: „Damals war eine elektrische Schreibmaschine mit Korrekturband das Highlight“. Die Einrichtung wuchs beständig. Heute werden hier 96 Kinder betreut. „Die Plätze haben nie gereicht“. Eine vierte Gruppe musste im Keller untergebracht werden. Die fünfte Gruppe bezieht nun den Vhs-Raum. Hätte Helga Mack einen Wunsch frei gehabt, wären es mehr Räumlichkeiten gewesen. Außerdem findet sie den Garten zu klein für die vielen Kinder. Sie vermutet, dass die größte Herausforderung für das neue Leitungsteam Johanna Wiedemann und Anna Sorg darin besteht, diese fünfte Gruppe zu integrieren, obwohl nicht wesentlich mehr Personal zur Verfügung steht.
Geblieben ist ihr die Erkenntnis, die sie während ihres MontessoriDiploms gewonnen hat: Jedes Kind sei einzigartig und es durchlaufe seine Entwicklung nach einem inneren Plan. Eltern und Erzieher sollten es dabei begleiten. Haben sich die Kinder in den letzten 40 Jahren sehr verändert? „Sie sind unverändert neugierig“, findet Helga Mack. Aber sie kommen nicht mehr erst mit vier Jahren in die Einrichtung.
Heute sind die Kindergartenkinder in den gemischten Gruppen zwischen zweieinhalb und sechs Jahren alt. Gruppenübergreifende Angebote in speziellen Altersgruppen gehören daher zum Konzept des Kindergartens „mit der Pfütze“. So wurde die Einrichtung zeitweise im Ort genannt, weil eine Pfütze am Tor einfach nicht wieder verschwinden wollte. Die Kinder freute das, wie Helga Mack erzählt. Und zwar so sehr, dass ein Kind sogar einmal fragte: Wer hat uns eigentlich diesen schönen See geschenkt?
Ihre Pläne für die Zeit nach dem Abschied hat Helga Mack längst gemacht: Im Ruhestand will sie reisen und insgesamt mehr zur Ruhe kommen. Arzttermine und dergleichen waren neben dem Beruf nur schwer unterzubringen. Nach einer Verschnaufpause könnte sie sich vorstellen, ehrenamtlich im sozialen Bereich zu arbeiten. Den Kindergärtnerinnen, die nach ihr kommen, rät sie: „Lieben Sie Ihre Arbeit“.