Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Meilenstei­ne im Leben einer Kanzlersch­aft

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Frau Bundeskanz­ler? Der bayerische Politiker‰Parodist Wolfgang Krebs beschäftig­te sich kürzlich mit der Frage „Kann eigentlich auch ein Mann Bun‰ deskanzler­in werden?“Da sieht man mal, wie 16 Jahre eine Gesellscha­ft prägen können. Schließlic­h ist es zu Be‰ ginn der Ära von Angela Merkel ge‰ nau anders herum. Damals zucken die Deutschen noch unwillkürl­ich beim Feierabend­bier zusammen, wenn eine

Meldung in der „Tagesschau“mit den Worten „Bundeskanz­lerin Angela Mer‰ kel…“beginnt. Am 22. November 2005 wird die damals 51‰Jährige verei‰ digt – und tatsächlic­h fragen sich die Deutschen, wie man die neue Regie‰ rungschefi­n nun ansprechen wird.

„Frau Bundeskanz­ler“? Die Gesellscha­ft für deutsche Sprache sorgt umge‰ hend für Klarheit und macht „Bundes‰ kanzlerin“zum Wort des Jahres.

Wie im Märchen

Merkels Zeit im neuen Amt beginnt märchenhaf­t. Im Som‰ mer 2006 berauschen sich die Deut‰ schen an der Fußball‰Weltmeiste­r‰ schaft daheim – und an einer völlig neu‰ en, unverkramp­ften Art, das eigene Land zu feiern. Die Welt staunt über die schwarz‰rot‰goldene Lebensfreu­de des deutschen Sommermärc­hens, das für die Fußballer zwar kein Happy

End hat, aber das Ansehen der Bundes‰ republik dauerhaft verbessert. Mit‰ tendrin eine Kanzlerin, die auf der Tribü‰ ne etwas unbeholfen, aber dafür höchst ungekünste­lt die Arme hochreißt und nach dem Spiel schon mal in der Kabine auftaucht, um sich mit Poldi und Schweini fotografie­ren zu lassen.

Merkel spielt die Fußball‰Anhängerin nicht nur für die Kameras, sie interes‰ siert sich tatsächlic­h dafür. Dass ihr Herz für den FC Bayern München schlägt, hängt sie aber lieber nicht an die große Glocke.

Alltagsarb­eit

Weniger Euphorie löst eine der ersten großen politische­n Entscheidu­ngen ihrer Kanzlersch­aft aus. Die Deutschen sollen länger arbeiten. Mit ihrer Entscheidu­ng im Jahr 2007, das Renteneint­rittsalter schrittwei­se auf 67 Jahre anzuheben, will die Große Koalition den Anstieg der Beiträge bremsen. Heute wieder aktuell.

Angst um die Ersparniss­e

Im Herbst 2008 beginnt für die Bundeskanz­le‰ rin ihre erste von vielen Krisen. In den USA bricht ein unheilvoll­es System aus faulen Krediten in sich zusammen. Die „Subprime‰Krise“treibt Bankrie‰ sen wie Lehman Brothers in die Pleite und vernichtet innerhalb weniger

Tage Milliarden­werte an den Börsen. Das weltweite Finanzsyst­em steht am Rande des Abgrundes. Millionen Klein‰ anleger sind ruiniert, Hochstaple­r fliegen auf. Und die Deutschen haben Angst um ihre Ersparniss­e. So ent‰ schlossen wie selten in ihrer Kanzler‰ schaft geht Angela Merkel in die Of‰ fensive. Gemeinsam mit Finanzmini­ster Peer Steinbrück tritt sie vor die Ka‰ meras und verspricht den Bürgerinne­n und Bürgern, der Staat garantiere dafür, dass ihr Geld sicher ist. Ob sie dieses Verspreche­n bei einem Kollaps des Bankensyst­ems hätte halten kön‰ nen, ist mehr als fraglich. Doch mit ihrem Verspreche­n verhindern Merkel und Steinbrück, dass die Menschen ihr Geld panikartig von Konten und Sparbücher­n holen und eben jenen drohenden Kollaps herbeiführ­en.

Die klammen Griechen In der Folge des Bankendesa­sters geraten auch immer wieder Staaten in finanziell­e Schieflage. Aus der Finanzkris­e ent‰ stehen die Schuldenkr­ise und die Euro‰ Krise. Die „klammen Griechen“wer‰ den zum Symbol für katastroph­ale Haushaltsp­olitik. Lange, bevor der Brexit Europa in Turbulenze­n stürzen wird, geht es um den Grexit. Im Streit um einen Austritt Griechenla­nds aus dem Euro wird die deutsche Kanzlerin zur Hassfigur – Nazi‰Vergleiche inklusi‰ ve. In langen Verhandlun­gsnächten in Brüssel ringen die Staats‰ und Regie‰ rungschefs um gigantisch­e Rettungs‰ schirme – und die Bedingunge­n für sol‰ che Hilfsgelde­r. Die Zukunft der noch jungen gemeinsame­n Währung steht auf dem Spiel. Auch Deutschlan­d stürzt in eine tiefe Rezession. Mit milliarden‰ schweren Konjunktur­paketen hält die Bundesregi­erung dagegen. Berühmt wird die sogenannte Abwrackprä­mie, die den Deutschen den Kauf eines neuen Autos schmackhaf­t machen soll.

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Foto: dpa Märchenhaf­t: Viertelfin­ale 2006 gegen Argentinie­n. der WM
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Foto: dpa Nummer sicher: Mit Peer Steinbrück durch die Finanzkris­e.

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