Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Wann fällt die Maske?
FFP2-Masken gehören mittlerweile zum Alltag – jedenfalls in Bayern. In anderen Bundesländern gelten weniger strenge Regeln. Ob sich daran im Freistaat bald etwas ändert und wie gut die Mund-Nasen-Bedeckungen eigentlich schützen
Augsburg Es gab in dieser Pandemie viele Momente, in denen es in Bayern ein bisschen anders lief als im Rest der Republik. Damals etwa, im März 2020, als aus einem Virus vom anderen Ende der Welt eine reale Bedrohung im eigenen Land wurde, verhängte der Freistaat als erstes deutsches Bundesland Ausgangsbeschränkungen. Als dann in diesem Jahr in anderen Regionen die Schülerinnen und Schüler bis zu einer Inzidenz von 165 in den Klassenzimmern sitzen durften, mussten sie in Bayern schon ab der 100er-Marke in den Distanzunterricht. Und dann ist da noch die Sache mit den Masken.
Bund und Länder hatten sich im Januar dieses Jahres darauf verständigt, dass in öffentlichen Verkehrsmitteln und Geschäften lediglich OP-Masken getragen werden müssen. In Bayern indes hatte man zuvor schon eine strikte FFP2-Maskenpflicht für diese Bereiche eingeführt – und an der wurde auch nach dem Bund-Länder-Beschluss festgehalten. Diese strenge Linie gilt bis heute. Bleibt das so?
Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) sagt im Gespräch mit unserer Redaktion: „Was die FFP2-Maskenpflicht angeht, ist jetzt nicht der richtige Zeitpunkt, um vom Kurs abzuweichen.“Die deutlich ansteckendere Delta-Variante verbreite sich immer mehr, die Zahlen würden steigen. „Ich denke, wir tun gut daran, die FFP2-Maskenpflicht so zu belassen“, macht Holetschek deutlich. Man dürfe nicht von den bisherigen Grundprinzipien – Vorsicht und Umsicht – abweichen, so der Minister. Dieser Kurs sei in den vergangenen Monaten, in denen Bayern wegen seiner Grenzsituation oft besonders hohe Fallzahlen hatte, wichtig und erfolgreich gewesen. „Aber natürlich wird immer wieder überprüft, welche Maßnahmen angemessen und verhältnismäßig sind und welche nicht.“
Wie Recherchen unserer Redaktion zeigen, gibt es nirgendwo in Deutschland eine so strenge Maskenpflicht wie in Bayern. Nur in Berlin müssen Fahrgäste in öffentlichen Verkehrsmitteln noch FFP2-Masken tragen. Beim Einkaufen reicht dort – wie in den übrigen Ländern auch – eine normale blaue OP-Maske. Sachsen geht noch einen Schritt weiter: Dort entfällt die Maskenpflicht in Geschäften sogar komplett, wenn die Sieben-Tage-Inzidenz unter zehn liegt und der Mindestabstand eingehalten werden kann. Bundeseinheitliche Vorgaben gab es im Rahmen der Bundesnotbremse bei Inzidenzen über 100. Diese sah etwa eine FFP2-Maskenpflicht im ÖPNV vor. Ende Juni ist die Bundesnotbremse ausgelaufen.
In der bayerischen Opposition regt sich mittlerweile Widerstand gegen den strengen Kurs im Freistaat. „Weder steht Bayern mit seiner exklusiven FFP2-Pflicht erkennbar besser da als andere Bundesländer noch gibt es eine Empfehlung, etwa von Experten der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene“, sagte vor kurzem
SPD-Fraktionschef Florian von Brunn. Bei einer FFP2-Maske sei das Risiko höher, dass sie nicht richtig sitze und dadurch an Schutz verliere. „Und jetzt im Sommer ist die Tragepflicht gerade für ältere und gesundheitlich beeinträchtigte Menschen eine Zumutung.“Andere Bundesländer machten erfolgreich vor, dass auch OP-Masken ausreichten.
Die Deutsche Gesellschaft für Krankenhaushygiene (DGKH), die von Brunn ins Feld führt, äußert sich in der Tat kritisch zur Nutzung von FFP2-Masken durch Laien außerhalb des Gesundheitswesens. Die Auswahl an Masken, die dem jeweiligen Gesicht angepasst sind, sei gering. Außerdem fehle es an Schulungen für richtiges Tragen. Dies würde dazu führen, „dass die Masken undicht getragen werden und insofern keinerlei Schutz bieten“, teilt die Gesellschaft in einer Stellungnahme mit. Dicht sitzende FFP2Masken würden zwar schützen – erforderten aber eine erhöhte Atemarbeit, die von älteren Mitbürgerinnen und Mitbürgern, aber auch Menschen mit Atemwegserkrankungen nicht geleistet werden könne.
Auch die Gesellschaft für Aerosolforschung (GAeF) hat sich mit dem Für und Wider der FFP2-Masken befasst und ein Positionspapier veröffentlicht. Ganz generell würden alle Maskenarten helfen, einen Teil der ausgeatmeten Partikel und Viren zu filtern, heißt es darin. Und dadurch sinke das Infektionsrisiko. Die Aerosolpartikel seien durch die anhaftende Feuchtigkeit relativ groß und könnten somit auch von einfachen Masken zurückgehalten werden. Aber: Da solche Partikel mit längerer Verweilzeit in der Raumluft schrumpfen, „sind einfache Mund-Nasen-Bedeckungen für den Selbstschutz weniger effizient“, erläutert die GAeF. „Hierfür sind Atemschutzmasken erforderlich, die auch für feine Partikel eine hohe Abscheidung zeigen, zum Beispiel der Klassen FFP2, N95 oder KN95.“Eben solche Masken, wie sie in bayerischen Geschäften und Bussen Pflicht sind. Und diese Pflicht wird so schnell wohl auch nicht enden.
Holetschek will an strenger Maskenpflicht festhalten