Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Retter mussten warten
Bayerische Feuerwehren wollten bei der Hochwasser-Katastrophe in Rheinland-Pfalz helfen, kamen aber erst Tage später zum Einsatz. Sind die Behörden zu schlecht vernetzt?
Allgäu/München Das JahrhundertHochwasser im Westen der Republik löst eine Diskussion aus, ob die Bundesländer im Katastrophenfall besser zusammenarbeiten müssen. „Wir waren bereit und hätten losziehen können, doch wir mussten auf den Einsatz-Auftrag aus Rheinland-Pfalz warten“, sagt Markus Barnsteiner aus Germaringen im Ostallgäu, der stellvertretende Bezirksvorsitzende des FeuerwehrVerbandes. Darum sei die bayerische Feuerwehr erst mehrere Tage nach den Überschwemmungen im Katastrophengebiet eingetroffen.
Für Barnsteiner liegt die Forderung auf der Hand: „Deutsche Katastrophenschutz-Behörden müssen sich besser vernetzen, um schneller handeln zu können.“Man sollte die Schlagkraft der Feuerwehren nutzen, sagt Barnsteiner und nennt ein Beispiel: „Im Ostallgäu könnten wir ein Kontingent mit 130 Kräften innerhalb von 30 Stunden losschicken.“Barnsteiner hat sich auch daran gestört, dass die bayerischen Wehren vor dem Einsatz in Rheinland-Pfalz den dortigen Kollegen erst noch ihr Leistungsspektrum erläutern mussten: „Das muss doch in der Schublade liegen.“
Eine Sprecherin des bayerischen Innenministeriums sagt dagegen, dass es zwischen den Ländern eine „sehr enge Vernetzung“gebe. Im aktuellen Fall seien Bund und Länder sogar rund um die Uhr über das „Gemeinsame Melde- und Lagezentrum“miteinander verbunden. Doch grundsätzlich entscheide das „hilfsbedürftige Land“, ob es Unterstützung benötige, sagt die Ministeriumssprecherin. „Diese Vorgehensweise ist richtig, denn Hilfe, die nicht erbeten ist, kann schnell zur Belastung werden.“Der Memminger Stadtbrandrat Raphael Niggl äußert sich ähnlich. Man dürfe bei solchen Großereignissen
„auch nicht pauschal zu viele Einsatzkräfte alarmieren“. Niggl erinnert sich an das Elbe-Hochwasser im Jahr 2002. Damals sei für 800 Rettungskräfte aus Bayern „länger nicht klar gewesen, um welchen
Auftrag es eigentlich geht“. Die Einsatzleitung vor Ort „war zunächst überfordert, die Leute zielgerichtet einzusetzen“. Für den stellvertretenden Landessprecher des Technischen Hilfswerks, Klaus Liepert, ist eine Lehre aus der Hochwasser-Katastrophe, dass Hilfsorganisationen das Verhalten bei solchen Großereignissen „öfter üben sollten. Da geht es auch um die Frage, welche Meldewege im Ernstfall am besten funktionieren“.
Die Jahrhundert-Flut hat auch die Frage aufgeworfen, wie die Menschen künftig besser über „erhebliche Gefahren“informiert werden können. Früher geschah das über spezielle Sirenen, die der Bund betrieb. Doch nach dem Ende des Kalten Krieges wurden viele dieser Anlagen abgebaut. Zu den Städten, in denen es solche Sirenen noch gibt, gehört Kempten. Nach dem Willen des Innenministeriums sollen die Anlagen bald wieder überall stehen: „Gerade nachts und bei drohenden Lebensgefahren brauchen wir den durchdringenden Sirenenwarnton, um möglichst alle erreichen zu können“, sagt eine Sprecherin. Freistaat und Bund hätten Förderprogramme aufgelegt. Gleichzeitig müssten digitale Warnmöglichkeiten wie Apps und SMS stärker genutzt werden.
In Feuerwehr-Kreisen gibt es unterschiedliche Meinungen zu einer solchen Sirene. Barnsteiner ist ein Befürworter und setzt ebenfalls auf einen Mix mit digitalen Angeboten. Der Memminger Stadtbrandrat Niggl ist dagegen skeptischer: „Viele Bürger wüssten wohl nicht, wie sie das einschätzen müssen, und würden den Ton eher mit einem Feueralarm in Verbindung bringen“, befürchtet er.