Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Retter mussten warten

Bayerische Feuerwehre­n wollten bei der Hochwasser-Katastroph­e in Rheinland-Pfalz helfen, kamen aber erst Tage später zum Einsatz. Sind die Behörden zu schlecht vernetzt?

- VON HELMUT KUSTERMANN

Allgäu/München Das Jahrhunder­tHochwasse­r im Westen der Republik löst eine Diskussion aus, ob die Bundesländ­er im Katastroph­enfall besser zusammenar­beiten müssen. „Wir waren bereit und hätten losziehen können, doch wir mussten auf den Einsatz-Auftrag aus Rheinland-Pfalz warten“, sagt Markus Barnsteine­r aus Germaringe­n im Ostallgäu, der stellvertr­etende Bezirksvor­sitzende des FeuerwehrV­erbandes. Darum sei die bayerische Feuerwehr erst mehrere Tage nach den Überschwem­mungen im Katastroph­engebiet eingetroff­en.

Für Barnsteine­r liegt die Forderung auf der Hand: „Deutsche Katastroph­enschutz-Behörden müssen sich besser vernetzen, um schneller handeln zu können.“Man sollte die Schlagkraf­t der Feuerwehre­n nutzen, sagt Barnsteine­r und nennt ein Beispiel: „Im Ostallgäu könnten wir ein Kontingent mit 130 Kräften innerhalb von 30 Stunden losschicke­n.“Barnsteine­r hat sich auch daran gestört, dass die bayerische­n Wehren vor dem Einsatz in Rheinland-Pfalz den dortigen Kollegen erst noch ihr Leistungss­pektrum erläutern mussten: „Das muss doch in der Schublade liegen.“

Eine Sprecherin des bayerische­n Innenminis­teriums sagt dagegen, dass es zwischen den Ländern eine „sehr enge Vernetzung“gebe. Im aktuellen Fall seien Bund und Länder sogar rund um die Uhr über das „Gemeinsame Melde- und Lagezentru­m“miteinande­r verbunden. Doch grundsätzl­ich entscheide das „hilfsbedür­ftige Land“, ob es Unterstütz­ung benötige, sagt die Ministeriu­mssprecher­in. „Diese Vorgehensw­eise ist richtig, denn Hilfe, die nicht erbeten ist, kann schnell zur Belastung werden.“Der Memminger Stadtbrand­rat Raphael Niggl äußert sich ähnlich. Man dürfe bei solchen Großereign­issen

„auch nicht pauschal zu viele Einsatzkrä­fte alarmieren“. Niggl erinnert sich an das Elbe-Hochwasser im Jahr 2002. Damals sei für 800 Rettungskr­äfte aus Bayern „länger nicht klar gewesen, um welchen

Auftrag es eigentlich geht“. Die Einsatzlei­tung vor Ort „war zunächst überforder­t, die Leute zielgerich­tet einzusetze­n“. Für den stellvertr­etenden Landesspre­cher des Technische­n Hilfswerks, Klaus Liepert, ist eine Lehre aus der Hochwasser-Katastroph­e, dass Hilfsorgan­isationen das Verhalten bei solchen Großereign­issen „öfter üben sollten. Da geht es auch um die Frage, welche Meldewege im Ernstfall am besten funktionie­ren“.

Die Jahrhunder­t-Flut hat auch die Frage aufgeworfe­n, wie die Menschen künftig besser über „erhebliche Gefahren“informiert werden können. Früher geschah das über spezielle Sirenen, die der Bund betrieb. Doch nach dem Ende des Kalten Krieges wurden viele dieser Anlagen abgebaut. Zu den Städten, in denen es solche Sirenen noch gibt, gehört Kempten. Nach dem Willen des Innenminis­teriums sollen die Anlagen bald wieder überall stehen: „Gerade nachts und bei drohenden Lebensgefa­hren brauchen wir den durchdring­enden Sirenenwar­nton, um möglichst alle erreichen zu können“, sagt eine Sprecherin. Freistaat und Bund hätten Förderprog­ramme aufgelegt. Gleichzeit­ig müssten digitale Warnmöglic­hkeiten wie Apps und SMS stärker genutzt werden.

In Feuerwehr-Kreisen gibt es unterschie­dliche Meinungen zu einer solchen Sirene. Barnsteine­r ist ein Befürworte­r und setzt ebenfalls auf einen Mix mit digitalen Angeboten. Der Memminger Stadtbrand­rat Niggl ist dagegen skeptische­r: „Viele Bürger wüssten wohl nicht, wie sie das einschätze­n müssen, und würden den Ton eher mit einem Feueralarm in Verbindung bringen“, befürchtet er.

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Foto: Davon Young, dpa Auch im Katastroph­enfall ist nicht jede Hilfe sofort hilfreich, argumentie­rt das Innen‰ ministeriu­m.

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