Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Skatet ein Inninger nach Tokio…

Tyler Edtmayer geht für den Augsburger Stadtteilv­erein an den Start, dabei kommt er aus Lenggries. Ein wichtiges Argument sprach aber für den Wechsel nach Bayerisch-Schwaben

- VON ANDREAS KORNES

Tokio Alle vier Jahre, in diesem Fall fünf, versucht das Internatio­nale Olympische Komitee, sich ein bisschen zu verjugendl­ichen. Die Riege aus vorwiegend älteren Herren beschließt dann, neue Sportarten ins Programm der Spiele aufzunehme­n. Jüngere Zielgruppe­n sollen für Olympia erschlosse­n werden. Menschen, denen sich beispielsw­eise die Ästhetik des Kugelstoße­ns nicht sofort erschließt. Auch in Tokio gibt es Neues zu sehen. Skateboard­en zum Beispiel. Das ist cool und hipp und auch sonst so ziemlich alles, was das IOC nicht ist.

Zudem hat es den überrasche­nden Nebeneffek­t, dass auf den Startliste­n für die Olympische­n Sommerspie­le der FSV Inningen auftaucht. Das ist der Verein eines Augsburger Stadtteils. Acht Abteilunge­n, darunter Bogenschie­ßen und Kegeln. Schafkopf wird ebenfalls angeboten. Und eben Skateboard­en. Auf dem Vereinsgel­ände hat die Gruppe um Abteilungs­leiter Thomas Lutzenberg­er einen Skatepark aus dem Boden gestampft. Für diese Geschichte ist es aber am wichtigste­n, dass die Skateboard­er des FSV Inningen Mitglied im bayerische­n Landesspor­tverband sind. Denn das führte Tyler Edtmayer nach Inningen. Er suchte 2017 genau das: einen Verein mit Skateboard­sparte, der dem

BLSV angehört. Nur so konnte er sich den Traum von Olympia erfüllen. Eigentlich lebt der 20-Jährige im oberbayeri­schen Lenggries, ist einer der besten Skateboard­er Deutschlan­ds und ergatterte eines der begehrten Tickets für Tokio.

Jetzt ist die Vorfreude groß. Beim FSV Inningen einerseits, aber auch bei Edtmayer. Wenngleich er zugeben muss, dass das ganze Drumherum sehr neu und gewöhnungs­bedürftig sei. „Wir machen normalerwe­ise unser eigenes Ding. Aber ich habe schon als Kind immer Olympia geschaut, bin sportbegei­stert und habe Leuten wie Usain Bolt zugesehen. Verrückt, dass ich da jetzt selbst dabei bin.“

Zwei Skateboard-Diszipline­n haben es ins olympische Programm geschafft. Street und Park. Edtmayer startet in zweiterer. „Die Wettkämpfe laufen nach einem etablierte­n Format ab“, erklärt er. „Das sind normalerwe­ise zwei Runs à 40 oder 45 Sekunden und im Finale dann drei Runs und der beste zählt.“Komprimier­t auf diese kurze Zeit müssen die Sportlerin­nen und Sportler so viel wie möglich zeigen. Bewertet wird nach mehreren Kriterien. Edtmayer: „Power ist sehr wichtig, Style, Use of course – du musst also überall sein und kannst nicht nur in einer Ecke fahren.“Dazu komme die Vielseitig­keit der gezeigten Tricks auf dem kleinen

Brett mit den vier Rädern. Und auch wenn es sich kurz anhört, „nach 40 Sekunden brennen deine Oberschenk­el richtig“.

In Deutschlan­d steckt Skateboard­en noch in den Kinderschu­hen. Skateparks sind rar. Es gibt keinen einzigen, der den Olympianor­men entspricht. Der Skatepark in Tokio ist gigantisch, sagt Edtmayer. „Man müsste den hier in Inningen nehmen und voll auf Steroide setzen. Dann hast du einen Olympia-Normpark.“Zwar sieht kein Skatepark wie der andere aus, aber einige feste Elemente finden sich überall. „In Tokio ist der krasseste Kurs, den es bislang gibt. Das Center-Piece in der Mitte ist über fünf Meter hoch. Das ist echt riesig. Da hab ich schon voll Bock drauf“, schwärmt Edtmayer.

Die härteste Konkurrenz kommt aus den USA und Brasilien. Dorthin gehen wahrschein­lich auch die Medaillen. Der Mann vom FSV Inningen sagt, dass schon ein kleines Wunder passieren müsste, sollte er Edelmetall gewinnen. „Mein Ziel ist es aber auf jeden Fall, die Top 10 zu schaffen. Dabei sein ist alles – zählt für mich nicht wirklich. Ich will da schon hingehen und mein Bestes geben.“Auf dem Weg nach Tokio hat auch Edtmayer schon oft Kontakt mit dem Betonboden aufgenomme­n, Stürze sind an der Tagesordnu­ng. „Die Handgelenk­e sind immer geprellt. Den Fuß knickst du dir gerne um, die Knie haust du dir an, du fällst auf die Hüfte und der Ellbogen ist meistens aufgeschür­ft.“Bis auf einen gebrochene­n Finger und ein paar Gehirnersc­hütterunge­n sei er aber noch ganz gut durchgekom­men. „Das Schlimmste war bisher ein Lebereinri­ss. Da hab ich mir selbst den Ellbogen in den Körper gerammt.“

Trotzdem liebt er seinen Sport, zu dem er über seine Mutter gekommen ist. Die stammt aus Los Angeles, „daher auch mein Vorname“, und bei Besuchen der Verwandtsc­haft kam der erste Kontakt zum Skateboard­en zustande. „Ich habe dann irgendwann mal ein billiges Skateboard bekommen und seitdem läuft das.“Inzwischen sehr viel profession­eller. Edtmayer lebt als Profi und verdient sich ab und zu als Model ein paar Euro dazu. Etwa zwei Wochen halten Brett und Schuhe, dann ist eine neue Garnitur fällig. Rund 250 Euro kostet das dann. „Zum Glück habe ich Sponsoren, die mir dabei helfen.“Und vermutlich sehen die es auch ganz gern, dass er in Tokio am Start ist. Genauso wie beim FSV Inningen – der es tatsächlic­h auf die Startliste­n der Olympische­n Spiele geschafft hat.

Die härteste Konkurrenz kommt aus Übersee

 ?? Foto: Peter Fastl ?? Tyler Edtmayer versucht bei den Olympische­n Spielen unter die besten zehn Athleten zu kommen. Alles andere sei unrealisti­sch, sagt er – auch, weil die Skate‰Anlage in Tokio ganz andere Dimensione­n als jene in Inningen hat.
Foto: Peter Fastl Tyler Edtmayer versucht bei den Olympische­n Spielen unter die besten zehn Athleten zu kommen. Alles andere sei unrealisti­sch, sagt er – auch, weil die Skate‰Anlage in Tokio ganz andere Dimensione­n als jene in Inningen hat.

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