Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Skatet ein Inninger nach Tokio…
Tyler Edtmayer geht für den Augsburger Stadtteilverein an den Start, dabei kommt er aus Lenggries. Ein wichtiges Argument sprach aber für den Wechsel nach Bayerisch-Schwaben
Tokio Alle vier Jahre, in diesem Fall fünf, versucht das Internationale Olympische Komitee, sich ein bisschen zu verjugendlichen. Die Riege aus vorwiegend älteren Herren beschließt dann, neue Sportarten ins Programm der Spiele aufzunehmen. Jüngere Zielgruppen sollen für Olympia erschlossen werden. Menschen, denen sich beispielsweise die Ästhetik des Kugelstoßens nicht sofort erschließt. Auch in Tokio gibt es Neues zu sehen. Skateboarden zum Beispiel. Das ist cool und hipp und auch sonst so ziemlich alles, was das IOC nicht ist.
Zudem hat es den überraschenden Nebeneffekt, dass auf den Startlisten für die Olympischen Sommerspiele der FSV Inningen auftaucht. Das ist der Verein eines Augsburger Stadtteils. Acht Abteilungen, darunter Bogenschießen und Kegeln. Schafkopf wird ebenfalls angeboten. Und eben Skateboarden. Auf dem Vereinsgelände hat die Gruppe um Abteilungsleiter Thomas Lutzenberger einen Skatepark aus dem Boden gestampft. Für diese Geschichte ist es aber am wichtigsten, dass die Skateboarder des FSV Inningen Mitglied im bayerischen Landessportverband sind. Denn das führte Tyler Edtmayer nach Inningen. Er suchte 2017 genau das: einen Verein mit Skateboardsparte, der dem
BLSV angehört. Nur so konnte er sich den Traum von Olympia erfüllen. Eigentlich lebt der 20-Jährige im oberbayerischen Lenggries, ist einer der besten Skateboarder Deutschlands und ergatterte eines der begehrten Tickets für Tokio.
Jetzt ist die Vorfreude groß. Beim FSV Inningen einerseits, aber auch bei Edtmayer. Wenngleich er zugeben muss, dass das ganze Drumherum sehr neu und gewöhnungsbedürftig sei. „Wir machen normalerweise unser eigenes Ding. Aber ich habe schon als Kind immer Olympia geschaut, bin sportbegeistert und habe Leuten wie Usain Bolt zugesehen. Verrückt, dass ich da jetzt selbst dabei bin.“
Zwei Skateboard-Disziplinen haben es ins olympische Programm geschafft. Street und Park. Edtmayer startet in zweiterer. „Die Wettkämpfe laufen nach einem etablierten Format ab“, erklärt er. „Das sind normalerweise zwei Runs à 40 oder 45 Sekunden und im Finale dann drei Runs und der beste zählt.“Komprimiert auf diese kurze Zeit müssen die Sportlerinnen und Sportler so viel wie möglich zeigen. Bewertet wird nach mehreren Kriterien. Edtmayer: „Power ist sehr wichtig, Style, Use of course – du musst also überall sein und kannst nicht nur in einer Ecke fahren.“Dazu komme die Vielseitigkeit der gezeigten Tricks auf dem kleinen
Brett mit den vier Rädern. Und auch wenn es sich kurz anhört, „nach 40 Sekunden brennen deine Oberschenkel richtig“.
In Deutschland steckt Skateboarden noch in den Kinderschuhen. Skateparks sind rar. Es gibt keinen einzigen, der den Olympianormen entspricht. Der Skatepark in Tokio ist gigantisch, sagt Edtmayer. „Man müsste den hier in Inningen nehmen und voll auf Steroide setzen. Dann hast du einen Olympia-Normpark.“Zwar sieht kein Skatepark wie der andere aus, aber einige feste Elemente finden sich überall. „In Tokio ist der krasseste Kurs, den es bislang gibt. Das Center-Piece in der Mitte ist über fünf Meter hoch. Das ist echt riesig. Da hab ich schon voll Bock drauf“, schwärmt Edtmayer.
Die härteste Konkurrenz kommt aus den USA und Brasilien. Dorthin gehen wahrscheinlich auch die Medaillen. Der Mann vom FSV Inningen sagt, dass schon ein kleines Wunder passieren müsste, sollte er Edelmetall gewinnen. „Mein Ziel ist es aber auf jeden Fall, die Top 10 zu schaffen. Dabei sein ist alles – zählt für mich nicht wirklich. Ich will da schon hingehen und mein Bestes geben.“Auf dem Weg nach Tokio hat auch Edtmayer schon oft Kontakt mit dem Betonboden aufgenommen, Stürze sind an der Tagesordnung. „Die Handgelenke sind immer geprellt. Den Fuß knickst du dir gerne um, die Knie haust du dir an, du fällst auf die Hüfte und der Ellbogen ist meistens aufgeschürft.“Bis auf einen gebrochenen Finger und ein paar Gehirnerschütterungen sei er aber noch ganz gut durchgekommen. „Das Schlimmste war bisher ein Lebereinriss. Da hab ich mir selbst den Ellbogen in den Körper gerammt.“
Trotzdem liebt er seinen Sport, zu dem er über seine Mutter gekommen ist. Die stammt aus Los Angeles, „daher auch mein Vorname“, und bei Besuchen der Verwandtschaft kam der erste Kontakt zum Skateboarden zustande. „Ich habe dann irgendwann mal ein billiges Skateboard bekommen und seitdem läuft das.“Inzwischen sehr viel professioneller. Edtmayer lebt als Profi und verdient sich ab und zu als Model ein paar Euro dazu. Etwa zwei Wochen halten Brett und Schuhe, dann ist eine neue Garnitur fällig. Rund 250 Euro kostet das dann. „Zum Glück habe ich Sponsoren, die mir dabei helfen.“Und vermutlich sehen die es auch ganz gern, dass er in Tokio am Start ist. Genauso wie beim FSV Inningen – der es tatsächlich auf die Startlisten der Olympischen Spiele geschafft hat.
Die härteste Konkurrenz kommt aus Übersee