Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Einblick in den harten Pflegealltag
Das Ensemble Careslam! zeigt zum Auftakt des Friedensfestes eindringlich, dass die Arbeit im Krankenhaus nicht erst seit Corona schwer ist. Bis 8. August gibt es zahlreiche Veranstaltungen unter dem Motto „Fürsorge“
Er ist Kinderkrankenpfleger und arbeitet auf einer Chirurgie-Station. Außerdem ist er Rettungssanitäter. Normalerweise hat er einfache Rezepte für Eltern und Kinder mit kleinen Verletzungen: Kühlen, Pusten, Kuscheln. „Kinder sind zäh“, sagt er. Aber jetzt ist er geladen. Kurz davor, den Job im Krankenhaus hinzuschmeißen. „Wir werden abgezogen von unseren Aufgaben, müssen Lücken stopfen“, erklärt er. Als Darsteller des Projekts „Careslam!“, das zur Eröffnung des Augsburger Friedensfest-Programms im Textil- und Industriemuseum (tim) auftritt, spielt er sich selbst. Eindringlich berichtet er vom Arbeitsalltag, den vor allem, aber nicht erst Corona erschwert hat.
Der Krankenpfleger sagt: „Seit einiger Zeit müssen wir die Hälfte unserer Betten für Erwachsene freihalten. Wissen Sie, wie das auf Kinder wirkt, wenn ein dementer, betrunkener Mann, der für eine Nacht aufgenommen wird, neben ihnen mit Gegenständen um sich wirft?“Lustig ist an diesem Slam nichts. Höchstens bittere Witze kommen den vier Kranken- und Altenpflegerinnen über die Lippen.
Das Ensemble Careslam! wurde 2015 von Yvonne Falckner gegründet, die seither ein wachsendes und wechselndes Team von pflegeerfahrenen Mitstreiterinnen und Mitstreitern um sich versammelt, um mit ihnen – wenn nicht gerade Corona ist – authentisch über Zeit und Zustände in den Häusern zu slammen. Für sie selbst spricht die Schwestern-Marionette, die sie mitgebracht hat. „Ich laufe durch die Flure, niemand weiß, was wir wirklich tun. Doch wir sind Hüterinnen. Ich rieche die Krankheit, ich sehe Dinge, die noch unsichtbar sind.“Dass solche Fachkräfte „ausgepresst“und durch weniger Qualifizierte ersetzt werden, prangert die
Krankenschwester an. 50 Zuhörerinnen und Zuhörer verfolgten das Eröffnungsprogramm im tim. Musikalisch stimmungsvoll begleitet wurde es von Emrah Gökmen und Adir Jan, die mit Gesang, Musik und
Eigenkompositionen aus dem türkisch-kurdischen Dersim den Kontrapunkt zum harten Pflegealltag setzten. Instrumentell nur minimal mit einer kurzen Langhalslaute und einer Gitarre besetzt, überraschten die beiden Berliner vor allem mit ihren zweistimmig arrangierten Liedern.
Ein etwas altbackenes Wort sei das: „Fürsorge“. Doch Oberbürgermeisterin Eva Weber, die das dreiwöchige Programm im Vorfeld des Hohen Friedensfestes eröffnete, mag es, wie sie sagt. Das Motto für das Friedensfest sei zupackend und vermittle Menschlichkeit und Wärme. Nie habe es mehr Bewerbungen nach dem Teilnahmeaufruf gegeben, erklärte Christiane LembertDobler, Leiterin des Friedensbüros. Insgesamt beteiligen sich 70 Kulturschaffende aktiv am diesjährigen Programm.
Das 140 Seiten starke, Programmheft beinhaltet bis zum 8. August unter anderem feministische und interreligiöse Diskussionen, Fotoausstellungen, einen Kunstpfad am Gaswerk, Performance im Hofgarten, Mehrgenerationen-Treffs, Wald- und Klima-Debatten, VideoChats mit Geflohenen und Einwanderern. Eines der traditionellen Highlights, das Festival der Kulturen, findet vom 29. bis 31. Juli im Annahof statt, in diesem Jahr unter anderem mit iranisch-israelischen und marokkanisch-französischen Musikern und Bands. Ausgelagert wurde der Topact. Die spanische Multiinstrumentalistin und Sängerin Mercedes Peon wird am 7. August mit dem Streicherensemble der Augsburger Philharmoniker auf der Freilichtbühne spielen. Das Genre: Galizischer Neo-Folk.