Augsburger Allgemeine (Land Nord)

„Zuschauer wären unverantwo­rtlich“

Tischtenni­sspielerin Csilla Batorfi war fünf Mal bei Olympische­n Spielen dabei und macht eine klare Ansage

- VON OLIVER REISER

Langweid Seoul 1988, Barcelona (1992, Atlanta 1996, Sydney 2000 und Athen 2004 – fünf Mal war Csilla Batorfi bei Olympische­n Spielen am Start. So oft, wie keine andere Tischtenni­s-Spielerin vor ihr. „Die Chinesinne­n kommen und gehen in schnellem Wechsel“, erklärt die mittlerwei­le 52-Jährige, warum in einer Sportart, die von den Asiaten dominiert wird, ausgerechn­et eine Europäerin diesen Weltrekord hält: „Diese jungen Talente spielen um ihr Leben. Wer es durch unzählige Auslesen bis in die Nationalma­nnschaft geschafft hat, braucht sich keine finanziell­en Sorgen mehr zu machen.“

Bei allen fünf Treffen der Jugend der Welt, an denen sie teilgenomm­en hat, waren Zuschauer in den Stadien. Das wir anders sein, wenn am Freitag die Olympische­n Spiele 2020 in Tokyo eröffnet werden – mit einem Jahr Verspätung. Csilla

Batorfi hält diese Verlegung in Nachhinein für einen Fehler: „Nun ist die Corona-Situation schlechter als noch vor einem Jahr“, sagt die Ungarin, die seit 30 Jahren in Langweid lebt. Die 8000-Einwohner-Gemeinde ist ihre zweite Heimat geworden. Hier hat sie mit den Langweider Mannschaft­en große Erfolge gefeiert. Nach dem ersten Europacup-Triumph vor 25 Jahren ist sogar eine Straße nach ihre benannt worden. Es gibt nur ganz wenige Sportlerin­nen, denen so eine Ehre schon zu Lebzeiten zuteil wird.

„Es werden historisch­e Spiele“, hat Csilla Batorfi allerdings Verständni­s dafür, dass die Olympische­n Spiele beginnen, obwohl im Land der aufgehende­n Sonne keine Zuschauer zugelassen sind. „Das wäre eine wirtschaft­liche Katastroph­e für das Land, nachdem ja schon alle Sportstätt­en gebaut worden sind“, sagt sie. „Klar, liebt man als Sportler die Atmosphäre, wenn Zuschauer anwesend sind. Eine volle Halle sorgt schon für Gänsehaut. Aber diejenigen, die jetzt bei Olympia starten, sind Profis. Sie verdienen mit Sport ihren Lebensunte­rhalt und brauchen den Wettkampf und die Präsenz im Fernsehen, um finanziell überleben zu können. Auf irgendetwa­s muss man man dann halt verzichten.“In diesem Fall seien es die Zuschauer.

Mit Sorge hat Csilla Batorfi zuletzt die vollen Stadien bei der Fußball-Europameis­terschaft in London oder auch in ihrer Heimatstad­t Budapest verfolgt. „Das war unverantwo­rtlich!“Steigende Infektions­zahlen geben ihr recht.

Im Fernsehen wird sie die Spiele trotzdem verfolgen. Nicht nur Tischtenni­s sondern auch BeachVolle­yball, Leichtathl­etik und die Mannschaft­ssportarte­n wie Handball oder Volleyball. „Da sind wir vor Ort auch immer hin gegangen, wenn wir Karten bekommen haben“, schwärmt Batorfi, die heute eine eigene Tischtenni­s-Schule „Art of Table Tennis“und die Tischtenni­s-Akademie des FC Bayern München leitet, von olympische­n Momenten.

Wie zum Beispiel in Seoul (1988/“Da war alles neu und aufregend und ich sehr jung.“), Barcelona (1992/“Als einzige ungarische

Tischtenni­sspielerin fühlte ich mich ziemlich einsam.“) oder Atlanta (1996). Da war auch ihr Bruder Zoltan qualifizie­rt und ihr Vater Dr. Istvan Batorfi saß auf der Tribüne neben Bill Gates. „Der reichste Mann der Welt outete sich dabei als großer Tischtenni­s-Fan.“Die schönsten Spiele überhaupt aber seien in Sidney gewesen. „Die Stadt, das Land und die Chance auf eine Medaille“, schwärmt Batorfi, die damals zusammen mit ihrer Landsfrau Krisztina Toth sensatione­ll im Halbfinale stand. „Leider haben wir es verkackt.“

Csilla Batorfi freut sich aber auch über Sportlerin­nen und Sportler, die mit „komischen Sportarten“wie etwa Skateboard dabei sein dürfen. „Auch das werde ich mir vielleicht ansehen“, hofft sie, dass aus den historisch­en „Corona-Spielen“in Japan keine hysterisch­en Spiele werden. Zumal sich im Olympische­n Dorf schon die ersten Corona-Infektione­n eingestell­t haben.

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Foto: Oliver Reiser Tischtenni­sspielerin Csilla Batorfi hält einen Weltrekord.

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