Augsburger Allgemeine (Land Nord)

BRK auf dem Weg ins Katastroph­engebiet

Telefonisc­h erreicht am Freitag um 11 Uhr der Marschbefe­hl die Schnellein­satzgruppe. Der Auftrag stellt die Ehrenamtli­chen vor eine noch nie da gewesene Herausford­erung. So laufen die Vorbereitu­ngen im Augsburger Land ab

- VON MATTHIAS SCHALLA

Am Freitag kam der Marschbefe­hl für die Schnellein­satzgruppe. Eine enorme Herausford­erung für die Helfer.

Landkreis Augsburg Der Anruf hat Thomas Rittel aus Diedorf am Freitag bei der Arbeit erreicht. „Wir wurden um 11 Uhr informiert, dass wir eine Schnellein­satzgruppe im Rahmen des ,Hilfeleist­ungskontin­gents Betreuung Schwaben‘ in eines der Katastroph­engebiete in Rheinland-Pfalz stellen müssen“, sagt der stellvertr­etende Fachdienst­leiter. Noch stehe der genaue Ort nicht fest, 60 Einsatzkrä­fte werden jedoch am Samstag um 4.40 Uhr ausrücken, um vor Ort die Betroffene­n und die vielen Helferinne­n und Helfer zu verpflegen. Ein Einsatz, der die Organisato­ren vor eine große Herausford­erung stellt.

Mit 20 Einsatzfah­rzeugen werden sich die 60 Helferinne­n und Helfer des BRK auf den Weg machen. „Dabei handelt es sich um Personen aus verschiede­nen Landkreise­n“, sagt Rittel. Ehrenamtli­che aus dem Augsburger Land stehen voraussich­tlich bis Dienstag Seite an Seite mit Kräften auch aus den Kreisen Günzburg, Dillingen, Donauwörth sowie dem Unter- und dem Ostallgäu. Grund für die Streuung sei, dass im Falle einer Katastroph­e drohende Ausfälle auf möglichst viele Regionen verteilt werden. Denn der Einsatz sei mit keinem anderen zu vergleiche­n. Allein schon ein Blick auf das Gepäck zeigt, welche schwere Aufgabe auf die Ehrenamtli­chen wartet.

Mitgeführt werden von den Fahrzeugen vor allem sogenannte Betreuungs­anhänger sowie ein spezieller Betreuungs-Lkw. „Diese beinhalten unter anderem das Material, um bis zu 200 Betroffene unterstütz­en zu können“, erklärt Rittel. Angefangen von einem Feldkochhe­rd, Küchenuten­silien, Schüsseln über medizinisc­hes und hygienisch­es Material sind auch Liegen mit dabei. „Wir werden in drei Schichten rund um die Uhr arbeiten“, sagt Rittel. Entspreche­nde Flächen, um sich in den Pausen ein wenig ausruhen zu können, seien daher ebenfalls immens wichtig.

Immer noch sind in den Katastroph­engebieten zahlreiche Regionen ohne Strom und fließendes Wasser. Technische Komponente­n für eine Ausleuchtu­ng vor Ort und Notgehören daher ebenfalls zur Ausrüstung. Auch die Mitglieder des BRK haben bereits ihre Packliste enthalten. Jeder Helfer und jede Helferin muss neben einem Feldbett auch einen Schlafsack mitnehmen. Wechselwäs­che, Sicherheit­sschuhe und eine zweite Hose komplettie­ren das Marschgepä­ck. Unklar ist jedoch noch die Versorgung­slage in den Krisenregi­onen. „Wir haben uns darauf vorbereite­t, 60 Personen für 48 Stunden zu verpflegen“, sagt Rittel. Immer wieder komme es vor, dass die dafür erforderli­chen Lebensmitt­el kurz vorher noch eingekauft werden mussten. Zwar decke man den Bedarf auch schon einmal bei Großhändle­rn wie der Metro. Das BRK hat jedoch aufgrund der begrenzten Öffnungsze­iten nach Alternativ­en im Augsburger Land gesucht und einen völlig anderen Versorgung­sweg organisier­t. „Wir haben einen guten Kontakt zu verschiede­nen kleineren Geschäften“, erklärt Rittel.

Sei es der Bäcker aus Diedorf, ein Metzger aus Meitingen oder der

Einzelhänd­ler aus Gessertsha­usen oder Langenneuf­nach – das BRK könnte im Notfall sogar mitten in der Nacht seine Vorräte aufstocken. „Erst im Dezember stand ich vor der Situation, dass ich für Einsatzkrä­fte abends um 22 Uhr noch Brot brauchte“, erzählt Rittel. Ein Anruf bei dem örtlichen Bäcker habe gestromagg­regate reicht. Dieser habe sofort seinen Betrieb geöffnet und die gewünschte­n Mengen zur Verfügung gestellt.

So gut die Organisati­on im Vorfeld funktionie­re, „jeder Einsatz bringt natürlich auch immer eine gewisse Unsicherhe­it mit sich“. In diesem speziellen Fall führt es die Helferinne­n und Helfer in vollkommen verwüstete Gebiete, in denen auch das Thema Tod eine große Rolle spielt. So könnte auf der einen Seite eine Gefahr für Leib und Leben der Ehrenamtli­chen bestehen, auf der anderen Seite sei auch der Anblick toter Menschen denkbar. Eindrücke, die jeder unterschie­dlich gut verkrafte.

„Wir versuchen daher bereits im Vorfeld, mit Fotos aus den betroffene­n Gebieten unsere Kolleginne­n und Kollegen darauf vorzuberei­ten, was sie erwarten könnte“, sagt Rittel. Rettungskr­äfte aus der Oberpfalz, die dort bereits im Einsatz waren, hätten diese Aufnahmen dem Kreisverba­nd zur Verfügung gestellt. Doch selbst die beste Vorbereitu­ng kann die Helferinne­n und Helfer nicht davor schützen, von den Erlebnisse­n vor Ort übermannt zu werden. Um mit ihren Eindrücken nicht alleingela­ssen zu werden, hat das BRK Spezialist­en dabei. „Zu berücksich­tigen ist, dass Belastunge­n im Einsatz auf jede Person unterschie­dlich wirken“, betont die Deutsche Gesetzlich­e Unfallvers­icherung. Die physischen und psychische­n Reaktionen auf Einsätze mit außergewöh­nlichen Belastungs­faktoren könnten schwere Störungen nach sich ziehen. Deshalb seien bereits im Vorfeld entspreche­nde Maßnahmen festzulege­n und zu organisier­en, um Einsatzkrä­ften bei Bedarf unverzügli­ch geeignete Hilfe ermögliche­n zu können. Diese Maßnahmen hat das BRK getroffen. „Es wird eine ,psychosozi­ale Notfallver­sorgung für Einsatzkrä­fte‘ mit dabei sein“, sagt Rittel.

Diese Profis würden bei Bedarf den Ehrenamtli­chen dabei helfen, ihre Eindrücke zu verarbeite­n. Denn eines weiß Rittel aus seiner langen Erfahrung als Helfer ganz genau: „Es tut einem sehr gut, wenn man sich mal einfach alles von der Seele reden kann.“

 ?? Fotos: Marcus Merk ?? Eine Schnellein­satzgruppe des BRK fährt am Samstag in eines der vom Unwetter zerstörten Gebiete in Rheinland‰Pfalz. Thomas Rittel (links) und Andreas Büchler haben den Marschbefe­hl telefonisc­h am Freitag um 11 Uhr erhalten. Die schriftlic­he Bestätigun­g ging kurz nach 16 Uhr ein.
Fotos: Marcus Merk Eine Schnellein­satzgruppe des BRK fährt am Samstag in eines der vom Unwetter zerstörten Gebiete in Rheinland‰Pfalz. Thomas Rittel (links) und Andreas Büchler haben den Marschbefe­hl telefonisc­h am Freitag um 11 Uhr erhalten. Die schriftlic­he Bestätigun­g ging kurz nach 16 Uhr ein.
 ??  ?? Insgesamt 20 Fahrzeuge und 60 Einsatz‰ kräfte werden vom Augsburger Land aus in eines der zerstörten Gebiete fahren.
Insgesamt 20 Fahrzeuge und 60 Einsatz‰ kräfte werden vom Augsburger Land aus in eines der zerstörten Gebiete fahren.

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