Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Bye‰bye, Bio!

Alfred Biolek war Moderator, Koch, Gastgeber und begnadeter Selbstdars­teller. Im deutschen Fernsehen galt er über Jahrzehnte als Marke. Jetzt ist er friedlich eingeschla­fen

- VON JOSEF KARG WDR WDR-Intendant ARD-Vorsitzend­e

Köln Es gibt im deutschen Fernsehen inzwischen gefühlt mindestens so viele Kochsendun­gen wie Krimis. Also zu viele. Manchmal beschleich­t einen sogar das Gefühl, als würde das heutige Programm fast nur mehr aus diesen Zutaten – Brutzeln und Meucheln – bestehen und darum ein wenig fad nach Einerlei schmecken.

Einer, der diesen Eindruck bestätigen würde, ist Alfred Biolek. Bio, wie er von Freund und Feind genannt wurde. Dabei hat er uns diese, um im Bild zu bleiben, TV-Suppe mit eingebrock­t. Zumindest, was Kochsendun­gen betrifft.

„Alfredissi­mo!“hieß seine. Sie lief über einige Jahre. Eigentlich war es eine Genuss-Show. Von Ausnahmen abgesehen wurde bevorzugt und reichlich Wein getrunken. Was man sich in der oft lustbefrei­ten gegenwärti­gen Fernseh-Welt gar nicht mehr vorstellen kann. Berühmt und oft parodiert wurde Bio’s charakteri­stisches „Mmmh“, wenn er die Menüs seiner Gäste probierte.

Jahre danach, als er aus dem TVGeschäft längst ausgestieg­en war, sagte der in Freistadt in der heutigen Republik geborene Moderator und Hobbykoch rückblicke­nd: „Wenn man sich die anderen Kochshows ansieht und diese mit ,Alfredissi­mo!’ vergleicht, fällt auf, dass die anderen überwiegen­d reine Kochshows sind. Bei mir wurde gekocht, bei mir wurde aber auch geredet, man lernte einen Gast kennen. Man sah, wie ich mit diesem Gast umging – nicht wie in einer Talkshow, sondern privat in der Küche.“

Und genau das war sein Geheimnis. Bio war ein begnadeter, hoch gebildeter und trotzdem publikumsn­aher Gastgeber – einer, der weltläufig­es Flair ins deutsche Fernsehen brachte. Er hatte keine Angst vor seinen Gästen, er führte sie auch nicht vor. Stattdesse­n genoss er das kulinarisc­he Zusammense­in und begegnete jedem Star auf Augenhöhe. Und die Stars ihm. Bio, so könnte man sagen, war der letzte Grandseign­eur im deutschen Fernsehen. Der Wahlkölner, eng mit dem

verbandelt, war aber nicht nur einer der Pioniere der Kochund Talkshows in Deutschlan­d. Mit Rudi Carrell entwickelt­e und produziert­e er zum Beispiel auch die

Samstagabe­ndshow „Am laufenden Band“, die vielleicht erfolgreic­hste Sendung der 1970er Jahre. Parallel sammelte er im „Kölner Treff“Moderation­serfahrung und bekam 1978 seine eigene Sendung, „Bio’s Bahnhof“. Sie wurde Kult.

Aufregung um Biolek gab es 1991. Damals wurden er und Entertaine­r Hape Kerkeling als homosexuel­l geoutet. Das, ausgelöst durch den ebenfalls schwulen Regisseur Rosa von Praunheim, empfand er als „unfair“, kommentier­te es später aber so: „Es hat wehgetan, aber es hat die Verspannun­g gelöst.“

Bio’s TV-Ära endete 2007 mit der letzten Folge von „Alfredissi­mo!“. „Meine Zeit ist jetzt zu Ende“, sagte er trocken wie ein Weißburgun­der. Es brachte ihm Respekt ein. Denn Bio gehörte zu den Fernsehleu­ten, die selbstbest­immt ihren Abschied zelebriert­en und wussten, wann der Zeitpunkt gekommen war, um aufzuhören.

Genauso entspannt wie mit seinen Gästen und seinem TV-Abschied ging der Gourmet übrigens mit dem Thema Tod um. Alfred Biolek hatte keine Angst davor. „Wenn man so alt ist wie ich, ist das nicht so dramaTsche­chischen tisch. Wenn ich morgen etwas bekomme, das mich umbringt, dann ist das für mein Alter eigentlich nicht ungewöhnli­ch“, meinte er.

Dass das Älterwerde­n nichts für Feiglinge ist, hatte Biolek vor elf Jahren zu spüren bekommen. Nach einem Treppenstu­rz war er im Koma gelegen, hatte einen Gedächtnis­verlust und erholte sich davon nur langsam. Am Freitag nun hat er daheim in Köln im Alter von 87 Jahren für immer seine Augen geschlosse­n. Er sei eingeschla­fen, teilte sein Adoptivsoh­n Scott Biolek-Ritchie mit. Zuletzt hatte Biolek sehr zurückgezo­gen gelebt.

Viele Freunde und Kollegen aus der Fernseh- und Showbranch­e zeigten sich jetzt bestürzt über seinen Tod. Der und

Tom Buhrow beispielsw­eise erklärte: „Mit Alfred Biolek verlieren wir ein Allroundta­lent des deutschen Fernsehens.“Bio’s Freund und Kollege Hape Kerkeling sagte: „Alfred war ein ganz Großer unserer Zunft! Er hat dem deutschen Fernsehen das Miefige und Plüschige genommen und ihm Weltläufig­keit verliehen. Er fehlt.“

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Foto: Henning Kaiser, dpa Alfred Biolek, wie man ihn kannte – mit runder Brille, verschmitz­ten Augen und freundlich­em Lächeln. Das Foto entstand vor zwei Jahren.
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Foto: Wallrodt, dpa Am Rettungsei­nsatz war auch ein Hub‰ schrauber beteiligt.

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