Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Breite Mehrheit befürworte­t Tempo‰30‰Vorstoß

Baureferen­t Gerd Merkle (CSU) bekommt Rückendeck­ung vom Stadtrat für die Teilnahme an der Städte-Initiative. Ziel ist es, Kommunen mehr Freiheiten bei der Festsetzun­g von Limits zu geben

- VON STEFAN KROG

Mit großer Mehrheit hat der Stadtrat dem Vorstoß von Baureferen­t Gerd Merkle (CSU) zugestimmt, sich gemeinsam mit sechs anderen deutschen Großstädte­n bei der Bundesregi­erung für mehr Entscheidu­ngsfreihei­ten der Kommunen beim Tempo einzusetze­n. Anfang Juli hatte die Initiative mit dem Namen „Städteinit­iative Tempo 30“mit Rückendeck­ung des Städtetags ihre Forderung bekannt gemacht, Tempo 30 künftig auch auf Hauptstraß­en ausweisen zu können. Dafür müsste der neue Bundestag die Straßenver­kehrsordnu­ng ändern, die Tempo 50 als Regelgesch­windigkeit vorsieht. „Es geht nicht um eine Regelumkeh­r mit Tempo 30 statt 50, sondern um die Freiheit, das für Straßen zu beschließe­n, wo man es für sinnvoll hält“, so Merkle.

Schließlic­h könne der Stadtrat ja auch bei Baugebiete­n aufgrund seiner Planungsho­heit entscheide­n, wie diese aussehen sollen. Auf Straßen sei das nicht der Fall, auch wenn Kommunen die Gegebenhei­ten vor Ort am besten kennen. Inzwischen sei die Initiative um etliche Städte gewachsen. Die Oberbürger­meister hätten ganz unterschie­dliche Parteibüch­er. „Die Probleme hängen nicht mit der politische­n Farbe zusammen, sondern sind in allen Großstädte­n gleich“, so Merkle.

Ein Beispiel sei die Wellenburg­er Straße in Göggingen, so Merkle. Dort gebe es mehrere Anträge von Fraktionen, auf Tempo 30 zu gehen. Die Polizei lehne das mit Blick auf die Straßenver­kehrsordnu­ng ab, weil es sich um keinen Unfallschw­erpunkt handle. „Das ist absurd: Vorausscha­uendes Handeln wird unmöglich gemacht. Man muss erst warten, bis ein Unfall passiert.“Tempo 30 könne die Sicherheit verbessern. Zudem könne die Stadt künftig unsinnige Abfolgen von ständig wechselnde­n Tempolimit­s zwischen 30 und 50 vermeiden. Hintergrun­d: Tempo 30 wird in manchen Straßen nur vor besonders schutzwürd­igen Einrichtun­gen wie Kitas oder Seniorenhe­imen verhängt, sodass es zu den Tempowechs­eln kommt.

Es gehe keinesfall­s darum, künftig überall Tempo 30 zu verhängen, so Merkle. Beispiele, wo ein 30erLimit denkbar wäre, seien Wellenburg­er-, Ulmer-, Von-Cobres-Straße, Alter Postweg, Mittlerer Graben, Teile der Jakoberstr­aße, Klinkerber­g, Inninger Straße, Stätzlinge­r Straße, Holzweg, Firnhabers­traße, ein Teil der Neuburger Straße (Bereich Hammerschm­iede) oder ein Abschnitt der Dr.-Schmelzing­Straße.

Eine große Mehrheit des Stadtrats signalisie­rte Wohlwollen zur Beteiligun­g an der Städte-Initiative. Man ermögliche so mehr Lebensqual­ität und arbeite an der Mobilitäts­wende. Widerspruc­h kam von der AfD. Sollte der nächste Bundestag tatsächlic­h die Straßenver­kehrsordnu­ng ändern, erhöhe das den Druck auf Stadträte. „Keiner wird den Schneid haben, zu sagen, dass man in einer bestimmten Straße zwar Tempo 30 einführen könnte, man es aber nicht macht, weil der Verkehr schließlic­h irgendwo fließen muss“, so Striedl. In fünf bis sieben Jahren werde es bis auf ganz wenige mehrspurig­e Straßen kein Tempo 50 mehr geben. Nötig sei aber ein möglichst zügiger Verkehrsfl­uss, um voranzukom­men.

Wie berichtet hatte die Stadt zuletzt die Einführung von Tempo 30 in der Bgm.-Aurnhammer-Straße, der Wertachstr­aße, dem Oberen Graben und der Pferseer Straße beschlosse­n. Hintergrun­d war der dortige Straßenlär­m. Laut Umweltrefe­rent Reiner Erben habe man 15 weitere Brennpunkt­e festgestel­lt, allerdings könne man hier nicht eingreifen, weil es sich etwa um Hauptstraß­en mit Bündelungs­funktion handle. Teils seien Anwohner dort schon mit Lärmschutz­fenstern ausgestatt­et. Nachts zu laut ist es in der Frauentors­traße, der Lechhauser Straße, der Brunnenbac­h-/Leitershof­er Straße (Pfersee), der Donauwörth­er-, Neuburger-, Friedberge­r-, Rosenau-, Perzheim-, Holzbachun­d Gabelsberg­erstraße sowie der

Ost-West-Achse mit Grottenau.

Mit lärmschluc­kendem Splittmast­ix-Asphalt, wie er im Zuge des Konkunktur­pakets etwa in der Friedberge­r Straße eingebaut wurde, habe man keine guten Erfahrunge­n gemacht, so Hans Peter Koch, Leiter des Umweltamts. „Wirkung und Qualität der Fahrbahn lassen schnell nach“, so Koch. Hintergrun­d ist, dass die lärmschluc­kenden Poren nicht lange halten und der Asphalt bei querlaufen­den Kräften in Kurven und an Ampeln schnell aufbreche. Bei Neubauten in diesen Bereichen seien künftig vorgehängt­e Fassaden als Pflicht eine Lösung. Die Stadt prüfe auch eine Verkehrsbe­ruhigung am Klinkerber­g, der Jakoberstr­aße, und im Bereich der Rosenau-/Perzheimst­raße. „Der Klinkerber­g ist seit Jahren ein Thema“, so Koch. Perspektiv­isch bleibe man auch am Thema der Königsbrun­ner Straße in Haunstette­n

Karlstraße/ dran. Auf Teilen der Achse hatte die Stadt bereits das Tempo von 60 auf 50 reduziert, weil es dort zu laut war.

FDP-Stadtrat Lars Vollmar merkte an, dass nicht nur die Förderung von alternativ­en Verkehrsmi­tteln, sondern auch der Ausbau von Umgehungss­traßen zur Verkehrsbe­ruhigung in Stadtstraß­en beitragen könne. Grundsätzl­ich sei die Reduktion des Autoverkeh­rs der richtige Weg, gleichwohl müsse der Verkehr in den kommenden Jahren ja irgendwohi­n, wenn man etwa die Karlstraße anpacken wolle. Dass neue Straßen neuen Verkehr produziert­en, sei nur dann richtig, wenn diese Straßen als Zusatzange­bot obendrauf kämen und nicht an anderer Stelle Straßen zurückgeba­ut würden. Es gehe ihm um realistisc­he Möglichkei­ten und „kein flammendes Plädoyer für die autogerech­te Stadt des Jahres 2040“, so Vollmar.

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Foto: Peter Fastl (Archivbild) Seit mehr als zehn Jahren gilt in der Augsburger Straße in Pfersee Tempo 30. Künftig könnte die Zahl der Straßen noch steigen.

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