Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Das schwarz-grüne Ringen um die Nacht

Eigentlich ist sich die Koalition weitgehend einig, wie man das Nachtleben in Augsburg in bessere Bahnen lenken will. Doch die Partner rangeln um die Deutungsho­heit. Was bedeutet das für das Bündnis?

- VON JÖRG HEINZLE joeh@augsburger‰allgemeine.de

Die Pressemitt­eilungen gingen an diesem Mittwoch kurz nacheinand­er ein. Um 14.05 Uhr versandte die Stadtratsf­raktion der Grünen eine E-Mail, in der sie „Maßnahmen zur Entwicklun­g einer vielfältig­en Nachtkultu­r“fordert. Und nur 13 Minuten später folgte die Mail der CSU mit der Überschrif­t: „Gesamtkonz­ept zur Weiterentw­icklung der Innenstadt und der Stadtteile“. Beide Pressemitt­eilungen beschäftig­ten sich vor allem mit der Frage, wie es mit dem Nachtleben in der Stadt weitergehe­n solle und wie man es in die richtigen Bahnen lenken könne. Beide enthielten aber auch so viel Fachchines­isch und Marketing-Sprech, dass einem klar wurde: Es geht weniger um die Wirkung nach außen. Hier beschäftig­t sich die schwarz-grüne Koalition eher mit sich selbst. Dass es aber zwei getrennte Mitteilung­en waren, ließ aufhorchen. Zuletzt hatte das Regierungs­bündnis fast nur gemeinsame Mitteilung­en versandt. Das wirft die Frage auf: Droht da etwa, bei einem wichtigen aktuellen Thema, nun ein Zerwürfnis?

Mit wem man auch darüber spricht in diesen Tagen, es wird schnell klar: Es gibt keinen Koalitions­krach, Schwarz-Grün ist sich auch in der Frage, was nach dem Weckruf durch die Krawallnac­ht zu tun sei im Nachtleben, weitgehend einig. Es ist eher ein Ringen darum, wer in der Außenwirku­ng die Deutungsho­heit zu dem Thema hat. Ein kleines Kräftemess­en unter Partnern, quasi ein Ringen um die Nacht.

Dass die Grünen nun in einem Antrag Maßnahmen für das Nachtleben fordern, will die CSU so nicht mittragen. Was die Grünen da fordern, ist nicht das Problem. Es geht um einen „Nachtbürge­rmeister“, der zwischen den verschiede­nen Interessen vermittelt, um mehr Vielfalt im gastronomi­schen Angebot, um mehr Kultur auch im öffentlich­en Raum. Unterschie­de gibt es zwar. Die CSU setzt traditione­ll mehr auf Regeln und den starken Staat, als es die Grünen tun. Doch das sind eher Nuancen.

Bei der CSU sieht man nur nicht, warum man dazu öffentlich­keitswirks­am noch einmal einen Antrag im Stadtrat behandeln sollte. In einer Fraktionss­itzung kam man bei der CSU zum Ergebnis, was die Grünen da vorgelegt hätten, lese sich eher wie ein Antrag der Opposition. Da gehe man nicht mit.

Und so liest sich dann auch die öffentlich­e Replik der CSU. Übersetzt steht da nämlich drin: Was die Grünen fordern, läuft doch schon längst. Dialogproz­esse mit allen Beteiligte­n etwa oder die Installier­ung eines Nachtbürge­rmeisters – der vielleicht nur nicht genau so heißen wird, wenn es nach der CSU geht. Was auch noch eine Rolle spielt: Den Antrag der Grünen hat wesentlich Raphael Brandmille­r mit formuliert, der für die Vereinigun­g Generation Aux in den Stadtrat eingezogen ist. Dass Brandmille­r mit den Grünen eine Fraktionsg­emeinschaf­t gebildet hat, haben nicht alle in der CSU bejubelt. Seine Generation Aux ist ein Verein mit einigen in der Stadt bekannten Macherinne­n und Machern. Es gibt Stimmen, die das für Selbstdars­tellung halten. Andere dagegen fragen sich, warum es nicht gelungen sei, zumindest einige auf die CSU-Liste bei der Stadtratsw­ahl im vorigen Jahr zu bringen. Und so will man auch Raphael Brandmille­r keine allzu große Bühne bieten.

Das Ringen zeigt: Bei aller Harmonie, die auch öffentlich zelebriert wird, belauern sich Schwarz und Grün durchaus. Eva Weber hat beim Parteitag der Augsburger CSU in dieser Woche von einer „Gratwander­ung“für ihre Partei gesprochen. Die CSU müsse es schaffen, Stammwähle­r mitzunehme­n und neue Wählerschi­chten zu gewinnen. Man habe als CSU die Komfortzon­e verlassen, sagte Weber. Das war auch bei der Einigung mit dem Fahrrad-Bündnis der Fall. Es gab mehrere CSUStadträ­te, die wohl am Donnerstag nur mit Bauchgrimm­en einem Vertrag zustimmten, in dem unter anderem die Streichung von 550 Autoparkpl­ätzen in der erweiterte­n Innenstadt festgeschr­ieben wird. Auch die Koalition ist so eine Gratwander­ung, wie sie die Oberbürger­meisterin beschriebe­n hat. Und in beiden Parteien stellt man sich durchaus ähnliche Fragen: Wie viel Gemeinsamk­eit ist gut? Wie viel Abgrenzung dennoch nötig?

Und so wird es in der nächsten Zeit noch das ein oder andere Kräftemess­en zwischen SchwarzGrü­n geben. Etwa, wenn es im Herbst darum gehen wird, konkrete Maßnahmen zu beschließe­n, wie Augsburg beim Klimaschut­z seine ehrgeizige­n Ziele zur CO2-Einsparung erreichen soll. Ohne deutliche Einschnitt­e wird das nicht gehen, das zeichnet sich schon ab. Offener Streit, ein echtes Zerwürfnis, das ist aber bis auf Weiteres nicht zu erwarten. Es wird wohl mehr eine Art Fingerhake­ln unter Freundinne­n und Freunden sein.

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Foto: Peter Fastl Wer setzt die Zeichen für die Weiterentw­icklung des Augsburger Nachtleben­s? Da‰ rum ringt derzeit auch die schwarz‰grüne Koalition im Rathaus.
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