Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Das schwarz-grüne Ringen um die Nacht
Eigentlich ist sich die Koalition weitgehend einig, wie man das Nachtleben in Augsburg in bessere Bahnen lenken will. Doch die Partner rangeln um die Deutungshoheit. Was bedeutet das für das Bündnis?
Die Pressemitteilungen gingen an diesem Mittwoch kurz nacheinander ein. Um 14.05 Uhr versandte die Stadtratsfraktion der Grünen eine E-Mail, in der sie „Maßnahmen zur Entwicklung einer vielfältigen Nachtkultur“fordert. Und nur 13 Minuten später folgte die Mail der CSU mit der Überschrift: „Gesamtkonzept zur Weiterentwicklung der Innenstadt und der Stadtteile“. Beide Pressemitteilungen beschäftigten sich vor allem mit der Frage, wie es mit dem Nachtleben in der Stadt weitergehen solle und wie man es in die richtigen Bahnen lenken könne. Beide enthielten aber auch so viel Fachchinesisch und Marketing-Sprech, dass einem klar wurde: Es geht weniger um die Wirkung nach außen. Hier beschäftigt sich die schwarz-grüne Koalition eher mit sich selbst. Dass es aber zwei getrennte Mitteilungen waren, ließ aufhorchen. Zuletzt hatte das Regierungsbündnis fast nur gemeinsame Mitteilungen versandt. Das wirft die Frage auf: Droht da etwa, bei einem wichtigen aktuellen Thema, nun ein Zerwürfnis?
Mit wem man auch darüber spricht in diesen Tagen, es wird schnell klar: Es gibt keinen Koalitionskrach, Schwarz-Grün ist sich auch in der Frage, was nach dem Weckruf durch die Krawallnacht zu tun sei im Nachtleben, weitgehend einig. Es ist eher ein Ringen darum, wer in der Außenwirkung die Deutungshoheit zu dem Thema hat. Ein kleines Kräftemessen unter Partnern, quasi ein Ringen um die Nacht.
Dass die Grünen nun in einem Antrag Maßnahmen für das Nachtleben fordern, will die CSU so nicht mittragen. Was die Grünen da fordern, ist nicht das Problem. Es geht um einen „Nachtbürgermeister“, der zwischen den verschiedenen Interessen vermittelt, um mehr Vielfalt im gastronomischen Angebot, um mehr Kultur auch im öffentlichen Raum. Unterschiede gibt es zwar. Die CSU setzt traditionell mehr auf Regeln und den starken Staat, als es die Grünen tun. Doch das sind eher Nuancen.
Bei der CSU sieht man nur nicht, warum man dazu öffentlichkeitswirksam noch einmal einen Antrag im Stadtrat behandeln sollte. In einer Fraktionssitzung kam man bei der CSU zum Ergebnis, was die Grünen da vorgelegt hätten, lese sich eher wie ein Antrag der Opposition. Da gehe man nicht mit.
Und so liest sich dann auch die öffentliche Replik der CSU. Übersetzt steht da nämlich drin: Was die Grünen fordern, läuft doch schon längst. Dialogprozesse mit allen Beteiligten etwa oder die Installierung eines Nachtbürgermeisters – der vielleicht nur nicht genau so heißen wird, wenn es nach der CSU geht. Was auch noch eine Rolle spielt: Den Antrag der Grünen hat wesentlich Raphael Brandmiller mit formuliert, der für die Vereinigung Generation Aux in den Stadtrat eingezogen ist. Dass Brandmiller mit den Grünen eine Fraktionsgemeinschaft gebildet hat, haben nicht alle in der CSU bejubelt. Seine Generation Aux ist ein Verein mit einigen in der Stadt bekannten Macherinnen und Machern. Es gibt Stimmen, die das für Selbstdarstellung halten. Andere dagegen fragen sich, warum es nicht gelungen sei, zumindest einige auf die CSU-Liste bei der Stadtratswahl im vorigen Jahr zu bringen. Und so will man auch Raphael Brandmiller keine allzu große Bühne bieten.
Das Ringen zeigt: Bei aller Harmonie, die auch öffentlich zelebriert wird, belauern sich Schwarz und Grün durchaus. Eva Weber hat beim Parteitag der Augsburger CSU in dieser Woche von einer „Gratwanderung“für ihre Partei gesprochen. Die CSU müsse es schaffen, Stammwähler mitzunehmen und neue Wählerschichten zu gewinnen. Man habe als CSU die Komfortzone verlassen, sagte Weber. Das war auch bei der Einigung mit dem Fahrrad-Bündnis der Fall. Es gab mehrere CSUStadträte, die wohl am Donnerstag nur mit Bauchgrimmen einem Vertrag zustimmten, in dem unter anderem die Streichung von 550 Autoparkplätzen in der erweiterten Innenstadt festgeschrieben wird. Auch die Koalition ist so eine Gratwanderung, wie sie die Oberbürgermeisterin beschrieben hat. Und in beiden Parteien stellt man sich durchaus ähnliche Fragen: Wie viel Gemeinsamkeit ist gut? Wie viel Abgrenzung dennoch nötig?
Und so wird es in der nächsten Zeit noch das ein oder andere Kräftemessen zwischen SchwarzGrün geben. Etwa, wenn es im Herbst darum gehen wird, konkrete Maßnahmen zu beschließen, wie Augsburg beim Klimaschutz seine ehrgeizigen Ziele zur CO2-Einsparung erreichen soll. Ohne deutliche Einschnitte wird das nicht gehen, das zeichnet sich schon ab. Offener Streit, ein echtes Zerwürfnis, das ist aber bis auf Weiteres nicht zu erwarten. Es wird wohl mehr eine Art Fingerhakeln unter Freundinnen und Freunden sein.