Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Sie senden live aus dem Feuerwehra­uto

Mit dem Funkbüro Reischenau hat das Festival in Dinkelsche­rben einen ersten eigenen Radiosende­r. Wie die Idee entstand und um was es den Machern geht

- VON TOBIAS KARRER

Dinkelsche­rben Ein Radiostudi­o stellt man sich als Laie eigentlich etwa so vor: Große Mikrofone schweben im Raum, mehrere Computerbi­ldschirme flimmern vor dem Moderator, überall blinken Lämpchen, Knöpfe und Regler. Das Funkbüro Reischenau zeigt: Es kann auch ganz anders aussehen. Anna Klein, Johannes Geltl und Moritz Jelting sitzen an ihrem ersten Sendungsta­g – dem Tag der Eröffnung der Sommerbühn­e im Rathausgar­ten – in einem ausrangier­ten Transportf­ahrzeug der Feuerwehr. Ein paar Kabel sind zu sehen, Mikrofone und Laptops stehen auf dem kleinen Tisch in der Mitte.

Zum Start der Sendung spielt der eigens produziert­e Jingle des Funkbüros Reischenau. Danach begrüßt Moritz Jelting die Zuhörer: „Es ist 18:01 Uhr hier im wunderschö­nen Dinkelsche­rben und ihr seid live dabei beim Spatenstic­h, beim der Weltpremie­re, beim Sendestart des Funkbüro Reischenau.“Anna Klein und Johannes Geltl jubeln kurz ins Mikrofon und allen drei ist die Freude darüber anzumerken, dass es endlich losgeht.

Die drei Freunde mit Wurzeln in Dinkelsche­rben und Umgebung haben in kurzer Zeit viel Arbeit in das Projekt gesteckt. Eine anstrengen­de Zeit, obwohl sie viel nützliche Vorerfahru­ng mitbringen: Anna Klein arbeitet beim bayerische­n Rundfunk, Johannes Geltl ist Musiker und steht regelmäßig auf der Bühne und Moritz Jelting engagiert sich bei einem freien Radio in Innsbruck, wo er studiert hat.

Die Idee zum Projekt „Funkbüro Reischenau“reifte in der Pandemie. Das Dinkel-Festival sei immer eine Art „Bezugspunk­t zur Heimat“gewesen, erklärt Moritz Jelting: „Dass es im vergangene­n Jahr nicht stattfinde­n konnte, habe ich gespürt.“Daraus entwickelt­e sich zuerst die Idee, selbst Konzerte zu veranstalt­en und diese im Radio zu übertragen. Anfänglich sollte das Funkbüro auch tatsächlic­h auf UKW senden, allerdings wäre es zu teuer geworden, eine Radiofrequ­enz zu nutzen.

Hinzu kam, dass sich die Funkbüro Gründer nicht auf die Übertragun­g der Konzerte und das Einspielen einiger Lieder beschränke­n wollten. Am Tag der Premiere interviewe­n sie zum Beispiel die Organisato­ren des Festivals und die Bands und sammeln Stimmen im Publikum – profession­elles Radio eben.

Zum Konzept gehört auch die „Frequenzüb­ernahme“. Dinkelsche­rberinnen und Dinkelsche­rber dürfen unter Anleitung der Profis selbst ans Mikrofon, Themen setzten, ganze Sendungen konzipiere­n, moderieren und selbst gewählte

Musikstück­e spielen. „Es ging uns auch darum, nach der Pandemie wieder eine Plattform für die Öffentlich­keit zu schaffen“, erklärt Anna Klein. Außerdem wird es einen Workshop mit Schülerinn­en und Schülern der Mitteschul­e geben.

Bisher haben sich schon einige Dinkelsche­rberinnen und Dinkelsche­rber ans Mikrofon getraut. Beispielsw­eise stellten Vertreter des Lebenskrei­s ihre Arbeit vor, Mitglieder der Wasserwach­t übernahmen eine Sendung und ein Team hat direkt seinen eigenen Sendungsna­men bekommen: „Die FischerMen­nes-Töchter-Show“.

Moritz Jeltings persönlich­es Highlight im Zusammenha­ng mit dem „Funkbüro Reischenau“sind eben diese Frequenzüb­ernahmen. Nur als Beispiel hebt er den vergangene­n Samstag hervor, an dem das Programm auf der Bühne leider ausfallen musste, aber das Funkbüro weiter sendete. Jelting ist noch immer begeistert von „diesem Moment, als vier Leute ohne Vorerfahru­ng im Bus saßen, insgesamt fast vier Stunden Sendung gemacht haben, großen Spaß hatten und sich in der letzten Stunde in jeder Pause abgeklatsc­ht haben.“

Er freut sich, dass die Menschen ihre Berührungs­ängste mit dem Medium Radio und der Technik so schnell verlieren. Auch mit den

Klickzahle­n ist Jelting zufrieden. Das „Funkbüro Reischenau“habe mittlerwei­le 290 Zuhörer erreicht, die im Schnitt eine halbe Stunden live zugehört hätten. Diese Zahlen wirken noch besser, wenn man sich vor Augen führt, dass zu Anfang der Veranstalt­ungsreihe nur 250 Menschen auf das Gelände durften.

Anna Klein hat bereits zwei Highlights erlebt: Besonders gut fand sie den Thema psychische Gesundheit, das der Lebenskrei­s Dinkelsche­rben ins Funkbüro mitbrachte.

Außerdem freue sie sich auf die zweite Sendung von Franzi Fischer, die das Thema Brustkrebs ansprechen will. Johannes Geltl hebt die erste Sendung des „Funkbüros Reischenau“hervor: „Es war toll, dass wir nach der langen Vorbereitu­ng endlich aktiv werden konnten.“Radio ist für ihn eine neue Erfahrung. „Mit meinem Eppishofer Dialekt bin ich dafür eigentlich nicht prädestini­ert“, scherzt der Musiker.

OInfo Das „Funkbüro Reischenau“sen‰ det an den Tagen, an denen auf der Sommerbühn­e im Rathausgar­ten Pro‰ gramm ist. Zuschalten kann man sich online auf der Website der Veranstalt­ungs‰ reihe. Außerdem gibt es dort und auf Spotify oder anderen gängigen Plattfor‰ men, die Moderation­en und Beiträge als Podcasts zum Nachhören.

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Foto: Marcus Merk Mit dem Funkbüro Reischenau haben sie Dinkelsche­rbens ersten Radiosende­r gegründet: Johannes Geltl, Anna Klein und Moritz Jelting (von links). Gesendet wird während der Veranstalt­ungsreihe im Rathausgar­ten.

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