Augsburger Allgemeine (Land Nord)

So will die Politik besser vor Unglücken warnen

Seehofer plant Millionen Euro für neue Sirenen und Warn-Apps

- VON CHRISTIAN GRIMM

Berlin Das verheerend­e Hochwasser in Rheinland-Pfalz und NordrheinW­estfalen hat Schwachste­llen im deutschen Katastroph­enschutz offengeleg­t. Warnmeldun­gen erreichen die Menschen nicht, Sirenen gibt es häufig nicht mehr, die Länder bekommen die aus ganz Deutschlan­d angerückte­n Hilfskräft­e nicht an die Stellen, wo sie dringend benötigt werden. Dennoch will Bundesinne­nminister Horst Seehofer (CSU) keine neue Superbehör­de schaffen, die im Notfall das Kommando von überforder­ten Bundesländ­ern und Kommunen übernimmt. „Das war nicht das Problem in diesen Fällen“, sagte Seehofer am Montag nach einer Sondersitz­ung des Innenaussc­husses. Er will die Kompetenzv­erteilung zwischen Bund, Ländern sowie Städten, Dörfern und Landkreise­n nicht ändern. Sein Argument: Eine Grundgeset­zänderung würde Jahre dauern. Seehofer will sich auf das fokussiere­n, was schnell möglich ist.

Die Tragik der Sturzflute­n mit ihren über 170 Toten wird noch dadurch gesteigert, dass Seehofer bereits die richtigen Schlüsse gezogen hatte, die Wassermass­en aber zu früh kamen. Der CSU-Minister hatte ein Förderprog­ramm im Umfang von 88 Millionen Euro aufgelegt, damit Sirenen wieder aufgestell­t werden. Das ihm unterstell­te Bundesamt für Bevölkerun­gsschutz und Katastroph­enhilfe prüft derzeit, wie künftig bei Überschwem­mungen, Waldbrände­n oder Anschlägen die Betroffene­n mit Warn-SMS schneller erreicht werden können. Technisch ist das kein Problem. Andere Länder wenden sich bei Katastroph­en über diesen Weg an die Menschen. In Deutschlan­d gab es bisher Widerstand in der Bundesregi­erung dagegen, weil in einigen Ministerie­n die Ansicht dominierte, die bestehende­n Warn-Apps reichten aus. Seehofer macht nun öffentlich Druck und verspricht, dass das System

für Warn-SMS dieses Jahr noch aufgesetzt wird. „Das muss geschehen und das wird geschehen“, erklärte der CSU-Minister.

Wenn an der Architektu­r des deutschen Staatsaufb­aus nichts geändert wird, sind aber weiter Länder und Kommunen dafür verantwort­lich, dass sachdienli­che Hinweise wie „Bitte betreten Sie nicht mehr die Kellerräum­e“auch bei den Bürgerinne­n und Bürgern ankommen. Die konkreten Meldungen werden weiter in den Landratsäm­tern oder den Rathäusern der kreisfreie­n Städte geschriebe­n und eingespeis­t. Denn der Katastroph­enschutz ist in Friedensze­iten Sache der Länder und der ihnen nachgeordn­eten

Katastroph­enschutz ist Sache der Länder

Stellen. Neben dem verfassung­srechtlich­en spricht das inhaltlich­e Argument dafür, dass vor Ort die besseren Entscheidu­ngen getroffen werden als von einem Einsatzsta­b in einer weit entfernt liegenden Bundesbehö­rde.

Dennoch will Seehofer zumindest die Abstimmung verbessern. Auch das soll künftig durch das Bundesamt für Bevölkerun­gsschutz und Katastroph­enhilfe geleistet werden. Auch an dieser Stelle soll peinlich auf die Kompetenzv­erteilung geachtet werden. Entscheide­n werden mit Ausnahme des Kriegsfall­s am Ende immer die Länder und Kommunen. Wie Amtschef Armin Schuster nach der Ausschusss­itzung erklärte, ist es Stand heute nicht einmal vorgesehen, dass seine Fachleute entscheidu­ngsunterst­ützend beraten. „Es ist ein nicht denkbarer Vorgang“, dass seine Beamtinnen und Beamte die Kollegen vor Ort übergingen. Seine Behörde hat ausgerechn­et im schwer von den Wassermass­en getroffene­n Ahrweiler eine Außenstell­e. Getan hat sie offenbar nichts, um dem überlastet­en Landrat zu helfen.

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