Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Schon wieder werden die Kleinsten vergessen
Eine Konstante der Pandemie: Die kleinen Kinder werden in den Debatten kaum berücksichtigt. So auch jetzt wieder, wenn es um neue Sicherheitskonzepte geht
Heute trifft sich das bayerische Kabinett zum letzten Mal vor der Sommerpause. Letzte Chance also für die Ministerinnen und Minister, vorher gemeinsam ein Sicherheitskonzept für die Kindertagesstätten im Herbst zu beschließen. Dass dies nicht längst entschieden ist und die Organisation angegangen wurde, macht leider einmal mehr deutlich, dass die Kleinsten in dieser Pandemie entweder vergessen oder nur hintangestellt wurden. Über die Sicherheit an Schulen wird seit Wochen diskutiert, Kultusminister Michael Piazzolo verkündet bereits seit einigen Tagen seine Ideen, wie Schulen im Herbst geöffnet bleiben – im Verhältnis dazu ist es in Sachen Kitas wieder einmal sehr ruhig.
Seltsam ruhig. Denn eigentlich steht schon seit langem fest, dass es im Herbst noch keinen Impfstoff für
Kindergartenkinder geben wird und die Jungen und Mädchen nur durch ein Sicherheitskonzept vor einer Infektion geschützt werden können – wenn man das denn will. Das Robert-Koch-Institut empfiehlt seit 1. Juli für den Herbst regelmäßige Pool-PCR-Tests in Kitas, um den Betrieb aufrechterhalten und das Infektionsgeschehen überwachen zu können. Ein solches Konzept wird gerade an Grundschulen in Bayern erarbeitet, nicht aber für Kindergärten.
Vergangene Woche ließ Sozialministerin Carolina Trautner per Newsletter verkünden, dass der Freistaat die Kita-Träger bei der Anschaffung von Luftreinigungsgeräten für 50000 Kita-Räume unterstützt – mit bis zu 50 Prozent der Kosten und höchstens 1750 Euro pro Raum. Damit macht es sich die Landesregierung leicht und wälzt die Verantwortung und mindestens die Hälfte der Gerätekosten auf die Kommunen ab. Im Newsletter heißt es außerdem: „Zusammen mit den gut funktionierenden Hygienemaßnahmen wie Tests und Masken sowie einer hohen Impfquote in der
Gesamtbevölkerung leisten die Geräte einen wichtigen Beitrag, um im kommenden Kita-Jahr einen möglichst uneingeschränkten Betrieb zu ermöglichen.“Allerdings müsste inzwischen auch bis ins hinterste Kämmerlein des Sozialministeriums vorgedrungen sein, dass die Impfquote nicht so hoch ist und die Test-Kits für Kindergartenkinder nur bis 1. September vom
Freistaat bezahlt werden. Wie soll es also weitergeht? Weder aus dem Sozial- noch aus dem Gesundheitsministerium gibt es dazu Antwort. Doch die Zeit drängt.
Hoffentlich wird es nicht wie bisher: Kindergärten wieder in Notbetreuung zu bringen, wenn die Inzidenzen wieder steigen, wäre die am einfachsten durchzusetzende Maßnahme. Es gibt keine Lobbyverbände für Eltern und Kita-Kinder, die dann aufschreien. Es besteht keine Kindergartenpflicht in Bayern. Schulen können die Bildungsdefizite ein Stück weit durch den Lehrplan beziffern. In Kitas gibt es so etwas nicht. Sozialkompetenz, welche die Jungen und Mädchen dort beim täglichen gemeinsamen Spielen lernen, kann nicht einfach gemessen werden. In unserer Gesellschaft scheint es aber manchmal so, als hätten Bereiche, in denen Excel-Tabellen funktionieren, mehr Wert. Frühkindliche Bildung gehört leider nicht dazu, dabei ist diese Bildung prägend für den weiteren Lebensweg von Kindern.
Das Warten und die Ungewissheit sind eine Zumutung für die Kitas. Unnötig noch dazu: BadenWürttemberg hat bereits seine Hausaufgaben gemacht und ein Konzept für den Herbst parat: Freiwillige Schnelltests oder LolliPCR-Tests werden bis zwei Wochen nach den Sommerferien und mit Option bis zu den Herbstferien bezahlt, die Kommunen dürfen wählen, welches Testkonzept sie wünschen. Hoffentlich wird Bayern, das ja gerne als Streber gilt, sich heute da etwas „abgucken“.
Kitas prägen den weiteren Lebensweg