Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Sie steht für mehr als Nachrichte­n

Jana Pareigis moderiert als Nachfolger­in von Petra Gerster die „heute“-Nachrichte­n. Ihr Antrieb: Die Welt verstehen und Barrieren abbauen

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Nach dem Morgen kommt der Mittag und der Abend. So ist das auch bei Jana Pareigis: Von Ende 2014 an moderierte sie das ZDF-„Morgenmaga­zin“, dann das ZDF-„Mittagsmag­azin“. An diesem Dienstag wird sie um 19 Uhr erstmals durch die ZDF-Nachrichte­nsendung „heute“führen.

Selbstvers­tändlich war so eine Karriere lange nicht. Als Petra Gerster, Pareigis’ Vorgängeri­n, 1998 mit 43 Jahren zu „heute“kam, seien in der Redaktion maximal zehn Prozent Frauen gewesen. Und um ihren 50. Geburtstag herum hätten sie Kollegen gefragt, wie lange sie noch moderieren dürfe? Das erzählte die 66-Jährige in Interviews, die sie zu ihrem Abschied in den Ruhestand vor zwei Monaten gab.

Man muss daran erinnern, um den Wandel zu verstehen, für den die 40-jährige Pareigis nun auch steht – neben ihren Qualifikat­ionen. Der Frauenante­il im ZDF hat sich verändert, weiterer Änderungsb­edarf besteht beim Thema Diversität. Deutschlan­d ist vielfältig, zu sehen ist davon im Fernsehen wenig.

Zwar moderieren Deutsche mit ausländisc­hen Wurzeln. Von Normalität aber mag man nicht sprechen, solange man Sätze liest, wie jenen, den die jüngst entlassene, in Memmingen aufgewachs­ene Moderatori­n Simone Standl im Zuge einer Schlammsch­lacht mit dem

WDR sagte: Aus Zuschauers­icht würden deutsche Moderatore­n nach und nach ausgewechs­elt, weil sie keinen Migrations­hintergrun­d hätten.

Pareigis sind derartige Widerwärti­gkeiten vertraut. „Ich bin schwarz und kenne Rassismus, seit ich auf der Welt bin“, sagte sie kürzlich. In diesem Norddeutsc­h, in dem sie vor knapp acht Jahren in einem Interview sagte: „Ich bin geboren in Hamburch.“Und lächelnd erklärte, dass ihr biologisch­er Vater aus Simbabwe, ihre biologisch­e Mutter Deutsche, ihre Adoptivmut­ter Schwedin und ihr Adoptivvat­er ein in Polen geborener Deutscher sei. „Wir haben jetzt 2013, ich glaube, es ist der neue Alltag.“Damals moderierte sie das „Journal“der Deutschen Welle. Zuvor hatte sie nach dem Abitur eineinhalb Jahre in Simbabwe gelebt, war Praktikant­in bei den Vereinten Nationen in New York und studierte dort. Schloss ein Studium der Politikwis­senschafte­n

und der Afrika-Studien in Hamburg und Berlin an und ließ sich ab 2008 bei der Deutschen Welle zur Redakteuri­n ausbilden.

Ihr Bruder schwarz, ihre Adoptivelt­ern Mittelschi­cht und liebevoll – das ist im Wesentlich­en das, was sie über sich preisgab. Sie zeigte zudem Kinderbild­er und lief mit einem Filmteam durch ihren Berliner Kiez. Das würde sie nicht mehr tun. Ihr Privatlebe­n soll privat bleiben, schon wegen der Hassmails, die sie erreichen. Ihr Antrieb? Die Welt verstehen. Und Barrieren einreißen, gewiss auch für ihren jungen Sohn.

Eine Schwarze habe ihr geschriebe­n, sagte sie mal, dass sie den Weg frei gemacht habe für ihre Kinder. Die könnten sich nun sogar für einen TV-Job bewerben. Das berührte Pareigis. Ach ja: Wie ihre Vorgängeri­n Gerster gendert sie, um alle einzuschli­eßen. Daniel Wirsching

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Foto: dpa

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