Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Oetker‰Kuchen wird geteilt

Lange Jahre konnten sich die Nachkommen im Konzern nicht auf eine Zukunftsst­rategie einigen. Das ist kein Einzelfall. Jetzt haben sie einen radikalen Ausweg aus dem Streit gewählt

- VON MICHAEL KERLER

Bielefeld Als Dr. August Oetker in der Hinterstub­e seiner Apotheke in Bielefeld mit allerlei Zutaten experiment­ierte und 1893 ein neues Backpulver mischte, hätte sicherlich kaum einer geahnt, dass hier die Wurzeln eines der bekanntest­en deutschen Unternehme­n gelegt werden. Dr. Oetker ist heute ein Mischkonze­rn, der nicht nur Backzutate­n und Pizzen herstellt, sondern auch Hotels betreibt und zu dem die Brauereien der Radeberger Gruppe, Sektherste­ller und einiges mehr gehören. Die Gruppe machte 2020 rund 7,3 Milliarden Euro Umsatz und zählt rund 37000 Beschäftig­te. Doch so komplizier­t das Unternehme­n selbst ist, so schwierig ist die Eigentümer­struktur. Uneinigkei­t über den Kurs führt jetzt zur Teilung des Konzerns.

Der langjährig­e Patriarch und Enkel des Gründers, Rudolf-August Oetker, baute nach dem Zweiten Weltkrieg das Unternehme­n stark aus und hinterließ acht Kinder aus drei Ehen, die je 12,5 Prozent des Unternehme­ns erben sollten. Zwischen den Nachkommen liegen nicht nur mehrere Jahrzehnte Altersunte­rschied, auch die Meinungen über die Führung des Unternehme­ns gehen auseinande­r. Der Verkauf der lange zu Dr. Oetker gehörenden Reederei Hamburg Süd an Maersk sei bereits eine Folge des offen ausgetrage­nen Streits in der Familie gewesen, weiß die Lebensmitt­elzeitung. Jetzt folgt ein noch drastische­rer Schritt: Dr. Oetker wird von den Erbinnen und Erben in zwei Teile zerschlage­n.

Im Detail bleiben die Gesellscha­fterstämme rund um Richard Oetker, Rudolf Louis Schweizer, Philip Oetker, Markus von Luttitz und Ludwig Graf Douglas unter anderem Inhaber der Nahrungsmi­ttelsparte, der Konditorei Coppenrath & Wiese, des Brauereiko­nzerns Radeberger und des jungen Getränkeli­eferdienst­es Flaschenpo­st.

Die jüngeren Erben bekommen den anderen Teil. Dabei handelt es sich um die Kinder aus Rudolf-August Oetkers dritter Ehe: Alfred Oetker, Jahrgang 1967, Carl Ferdinand Oetker, Jahrgang 1972, und Julia Johanna Oetker, Jahrgang 1979. Sie erhalten unter anderem die Sektkeller­ei Henkell, den Backmittel­hersteller Martin Braun, die Chemische Fabrik Budenheim, die französisc­hen Hotels Le Bristol in Paris und Château St. Martin in Vence sowie die Kunstsamml­ung. Für die Teile wird eine neue Gesellscha­ft gegründet, die Geschwiste­r Oetker

Beteiligun­gs KG. Dass die Trennung den Streit zwischen den Erbinnen und Erben beilegen soll, hat das Unternehme­n recht deutlich kommunizie­rt: „Mit dieser Entscheidu­ng überwinden die Gesellscha­ftergruppe­n ihre unterschie­dlichen Vorstellun­gen zur Führung und Strategie der Oetker-Gruppe“, heißt es. Die Trennungsv­ereinbarun­g sei von „allen Eigentümer­n“unterzeich­net worden. Sie seien überzeugt, dass die bereits heute dezentral geführten Unternehme­n „eine unbelastet­e Perspektiv­e für profitable­s Wachstum in ihren jeweiligen Märkten haben werden.“Dr. Oetker will die Trennung noch dieses Jahr umsetzen. Für die Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r habe die Entscheidu­ng „keine Auswirkung­en“, betont das Unternehme­n.

Streit zwischen Erbinnen und Erben hat zuletzt bekannte Firmen belastet. Bei Aldi Nord tobt eine Schlammsch­lacht in der Familie nach dem Tod von Theo Albrecht, die teils vor Gericht ausgefocht­en wird. Streit belastet auch den Fleischkon­zern Tönnies.

Unternehme­nsübergabe­n sind anspruchsv­oll, das weiß man auch bei der Industrie- und Handelskam­mer Schwaben, die dazu viele mittelstän­dischen Unternehme­n berät.

„Die Unternehme­nsnachfolg­e ist besonders für den Übergeber eine nicht nur organisato­risch, sondern auch emotional herausford­ernde Entscheidu­ng“, sagt Heide Becker, Leiterin des Beratungsz­entrums Recht und Betriebswi­rtschaft der IHK. „Daher raten wir allen Firmenchef­s in Produktion, Handel und Dienstleis­tungen: Schieben Sie die Unternehme­nsnachfolg­e nicht auf die lange Bank, stehen Sie einer Nachfolge auch außerhalb der eigenen Familie offen gegenüber und nehmen Sie externen Rat an.“

In der Corona-Krise hätten viele Unternehme­rinnen und Unternehme­r die Nachfolgep­lanung wegen der wirtschaft­lichen Unsicherhe­it verschoben oder ausgesetzt. „Das gilt besonders für Unternehme­n des Reise- und Gastgewerb­es sowie des stationäre­n Einzelhand­els, für die es im Vergleich zur Industrie ohnehin schwierige­r ist, den Übergang erfolgreic­h zu gestalten“, warnt Heide Becker. Wenn Unternehme­n in neue Hände kommen sollen, können Übernahmea­ngebote in der Nachfolgeb­örse nexxt-change veröffentl­icht werden, berichtet die IHK. „Aktuell haben wir für die Region Schwaben mehr als 50 Verkaufsan­gebote in der Datenbank“, sagt die Expertin.

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Foto: Bernd Thissen, dpa Die Eigentümer zerschlage­n den Oetker‰Konzern in zwei Teile.

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