Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Eltern außer Dienst

Erziehungs­pause im Urlaub? Warum Mütter und Väter in den Ferien alles nicht so eng sehen

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Mütter und Väter haben ja eigentlich nie frei, doch wie eine neue Umfrage von YouGov zeigt, nehmen sich fast zwei Drittel der deutschen Eltern im Familienur­laub eine Auszeit vom Erziehungs­alltag. Während 90 Prozent der Eltern zu Hause auf Routinen und Regeln achten, ist 46 Prozent die Alltagsrou­tine im Urlaub weniger und weiteren 17 Prozent überhaupt nicht wichtig.

Einer der gängigsten Routinebre­cher im Urlaub ist die Schlafensz­eit. Im Alltag wird in deutschen Familien streng darauf geachtet, dass der Nachwuchs seinen Schlaf bekommt. In zwei Dritteln der Familien gibt es feste Zubettgehz­eiten. In den Ferien jedoch dürfen weit über 90 Prozent der Kinder länger aufbleiben, mehr als die Hälfte (56 Prozent) zwischen ein und zwei Stunden. Fast ein Viertel der Eltern lässt die Sprössling­e sogar selbst entscheide­n, wann sie ins Bett gehen möchten.

Diplom-Psychologe Michael Thiel weiß, warum viele Eltern den Nachwuchs im Urlaub einfach mal

lassen“: „Im Urlaub sind Eltern selbst weniger gestresst. Der Ärger aus der Arbeit fällt weg, der Zeitdruck im Alltag ist weniger und sie können sich auch mal um sich selbst kümmern.

Diese Entspannun­g wirkt sich auf den Umgang mit den Kindern aus. Regeln müssen nicht mehr so streng eingehalte­n werden, weil am nächsten Tag keine Konsequenz­en zu befürchten sind. Wenn das Kind am nächsten Morgen noch unausgesch­lafen ist und nicht aus dem Bett kommt, wen kümmert das?“

Anders als zu Hause kommen im Urlaub auch viel häufiger Dinge auf den Tisch, die normalerwe­ise auf der roten Liste stehen. Cola zum Beispiel: Bei fast 30 Prozent der Familien ist das koffeinhal­tige Getränk im Alltag komplett tabu. Im Urlaub hingegen kommt der Nachwuchs von knapp einem Drittel der Eltern sogar mehrmals wöchentlic­h in den Genuss der süßen Brause.

Die Kinder dürfen in den Ferien aber nicht nur mehr Cola trinken, sondern auch mehr Pommes, Pizza und Eis vertilgen. Während im Alltag Pommes frites bei nur zwölf Prozent der Familien mehrmals pro Woche auf dem Speiseplan stehen, dürfen fast viermal so viele Kinder (40 Prozent) ihre geliebten Pommes an mehreren Tagen in der Urlaubswoc­he verspeisen. Mehr als jede zehnte Familie gönnt sich im Urlaub sogar jeden Tag eine Portion. Ähnlich häufig landet Pizza auf den Urlaubstel­lern. Auch bei Eis sind Eltern großzügig: Ein Drittel der Kinder darf sich jeden Tag über die süße Schleckere­i freuen. Zu Hause kommt jedes achte Kind in diesen Genuss.

Das kommt nicht von ungefähr. Denn auch gut die Hälfte der Erwachsene­n (52 Prozent) neigt im Urlaub selbst ein bisschen mehr zu kulinarisc­hen Lastern. „Sehr gut“, findet das Michael Thiel, denn „gemeinsame­s Genießen und Sündigen kann sogar den Familienzu­sammenhalt festigen“: „Wir machen jetzt mal ganz bewusst Ferien von Kon„machen trolle und Kalorienzä­hlen und schlecken genüsslich ein Eis oder zelebriere­n das Pizzabacke­n in unserer Ferienunte­rkunft.“So könne das gemeinsame Über-die-Stränge-Schlagen zu schönen Erlebnisse­n werden, an die sich die Familie später im Alltag immer wieder gerne erinnert.

Immer ihren Willen durchsetze­n dürfen die Sprössling­e allerdings nicht. Die Mehrheit der Familien in Deutschlan­d (56 Prozent) wechselt sich im Urlaub mit dem Entscheide­n untereinan­der ab: Mal dürfen die Kinder bestimmen, mal die Eltern. „Es fördert das Selbstbewu­sstsein, wenn Kinder ab und zu mitentsche­iden dürfen, was am Tag unternomme­n werden soll“, weiß auch Michael Thiel. „Zu viel Alltagstro­tt blockiert die geistige Entwicklun­g – von Kindern und Erwachsene­n.“Trotz der gelockerte­n Alltagsreg­eln mutieren die Kinder dann auch nicht zu kleinen Quälgeiste­rn, wie drei Viertel der Mütter und Väter bestätigen. Rund jeder sechste Elternteil empfindet das Benehmen der Kinder im Urlaub sogar besser als zu Hause.

Jeder noch so schöne Urlaub ist allerdings irgendwann vorbei. Zu Hause angekommen, benötigt gut die Hälfte (55 Prozent) der deutschen Familien ein bis zwei Tage, um zurück in den Alltag zu finden. Ein bisschen länger, drei bis fünf Tage, dauert es bei etwa 20 Prozent. „Es ist ganz natürlich, dass wir ein paar Tage für die Wiedereing­ewöhnung benötigen“, sagt der Familienps­ychologe.

Thiel empfiehlt deshalb, den Urlaub schon etwas vor der Heimreise langsam ausklingen zu lassen: „Die Kinder etwas früher ins Bett bringen, wieder eine gemeinsame Frühstücks­routine einführen – das lenkt alles ganz allmählich in Richtung Alltag.“

ODie Umfrage über Routinen im Famili‰ enalltag und im Urlaub führte YouGov im Auftrag von FeWo‰direkt aus. Befragt wurden 1200 Eltern aus Deutschlan­d mit Kindern unter 18 Jahren.

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Foto: Sören Becker Mehr Adria‰Gefühl geht nicht. Lignano zählt zu den klassische­n Badezielen in den Sommerferi­en.

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