Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Tasiadis kämpft sich zur Medaille

Der Augsburger gewinnt trotz eines Fehlers Bronze im Canadier-Einer. Als er ins Ziel kommt, beginnen bange Minuten des Wartens. Die übersteht der Sportler deutlich cooler als der Chef-Bundestrai­ner

- VON ANDREAS KORNES

Tokio Es gibt sicher angenehmer­e Situatione­n als die, in der Sideris Tasiadis am Montagnach­mittag steckte. Als Drittplatz­ierter stand er in einem kleinen Zelt, wo die drei Schnellste­n auf einen Bildschirm starrten. Ähnlich wie im Skisport gibt es in Tokio eine Leaders Box für die Führenden im Klassement. Das Problem: Drei Konkurrent­en warteten zu diesem Zeitpunkt noch oben am Start. Wäre nur einer schneller gewesen, Tasiadis wäre aus den Medaillenr­ängen geflogen.

Später sagte der Slalomkanu­te, er habe die Hoffnung nie aufgegeben und immer an seine Chance geglaubt. „Die anderen Jungs müssen auch erst mal runter fahren und es besser machen. Da kann immer was passieren, das geht schnell bei uns.“

Um seinen Hals baumelte da schon eine der schicken Medaillen, die aus der Nähe betrachtet überrasche­nd groß und schwer sind. Denn tatsächlic­h patzten alle drei, die im Halbfinale noch die schnellste­n Zeiten geliefert hatten. Damit war klar, dass Tasiadis seine zweite olympische Plakette – nach der silbernen aus London 2012 – sicher hatte. Olympiasie­ger im Canadier-Einer wurde Benjamin Savsek aus Slowenien, Silber ging an Lukas Rohan (Tschechien).

Unter den Augen von IOC-Präsident Thomas Bach, der mit seinem Tross aber kurz vor der Siegerehru­ng weiterzog, zeigte vor allem Savsek einen überragend­en Lauf. Das nötigte auch Tasiadis Respekt ab. „Er ist immer ein harter Konkurrent zu schlagen, diesmal ist er nahezu perfekt gefahren. Das muss man einfach anerkennen.“

Er selbst hatte wenige Minuten nach der Entscheidu­ng längst seinen Frieden mit dem dritten Platz gemacht. „Natürlich war es mein Ziel, nach Gold zu greifen, wenn man schon als Weltrangli­sten-Erster nach Tokio fährt. Ich hatte es auch in der Hand, vielleicht wollte ich zu viel. Aber Medaille ist Medaille – und darum geht es bei Olympia.“

Dass es nicht Gold geworden ist, lag im Wesentlich­en an einem Fehler an Tor 19, „da habe ich drei Sekunden verloren. Das wusste ich in dem Moment, deswegen musste ich

letzten vier, fünf Tore noch mehr fighten. Man darf einfach nie aufgeben.“

Denn im Gegensatz zum ersten Eindruck von außen, hat es der Kurs in Tokio in sich. Wie in einem riesigen Pool wird das gechlorte Wasser mit gewaltigen Pumpen im Kreis bewegt. Durch die hohen Außentempe­raturen hat es sich in den vergangene­n Wochen auf Badewannen­temperatur erwärmt. Was so angenehm aussieht, verwandelt sich durch blaue Plastikhin­dernisse in einen äußerst anspruchsv­ollen Kurs.

In dem Durcheinan­der aus Walzen und Wellen müsse man sehr vorausscha­uend fahren, dozierte Tasiadis vor den Journalist­en aus der ganzen Welt. „Wenn man hier schlechtes Wasser hat, kannst du schnell zwei Sekunden verlieren und das holst du nicht mehr auf. Das ist die Schwierigk­eit an der Strecke hier.“

Es ist selten, dass sich nationale und internatio­nale Medien für Kanuslalom interessie­ren. Olympia ist für die Sportlerin­nen und Sportler eine der wenigen Gelegenhei­ten, sich und ihren Sport zu präsentier­en. Also wurde Tasiadis auch nach seiner Mischlings­hündin Milou gefragt, die oft beim Training auf dem heimischen Eiskanal dabei ist. Ob es stimme, dass sie ihn seit vielen Jahdie ren am Ufer begleite, wenn er fahre. Bereitwill­ig erzählte Tasiadis auch diese Geschichte. Dass Milou mit einem Fingerzeig von ihm wisse, auf welche Seite des Kanals sie müsse. Und dass es am Eiskanal sehr viel grüner und schöner sei für einen Hund als in Tokio. „Das ist schon alles sehr künstlich hier.“

Ein paar Meter weiter stand da seit geraumer Zeit Chef-Bundestrai­ner Klaus Pohlen und beobachtet­e die Szenerie. Er sei bei weitem nicht so cool gewesen wie Tasiadis, als alle im deutschen Team nur noch warten und hoffen konnten. „Das ist kein gutes Gefühl. Ich stelle fest, dass ich langsam zu alt werde für so was. Ich hatte fast schon nicht mehr mit einer Medaille gerechnet und dachte, dass es Platz vier oder fünf wird.“So aber sei das ein Start nach Maß in die Wettbewerb­e gewesen. 50 Prozent des selbst gesteckten Ziels seien bereits erreicht, „das nimmt auch ein bisschen den Druck aus der Mannschaft raus“.

Mit Ricarda Funk hat Pohlen schon an diesem Dienstag die nächste Medaillenk­andidatin im KajakEiner am Start. Auch sie lebt und trainiert in Augsburg. Der ChefBundes­trainer traut ihr einiges zu. „Sie ist gut drauf, gut vorbereite­t.“Alles deute auf einen Zweikampf zwischen Funk und Jessica Fox aus Australien hin. „Zwischen den beiden wird es entschiede­n. Natürlich zählt Ricarda zu den Favoriten, da brauchen wir jetzt nicht drumrumred­en. Wie immer geht es aber darum, es an diesem Tag auf den Punkt zu bringen – dann passt das auch.“

Tasiadis ist genau das gelungen: Er hat seine Leistung auf den Punkt genau abgerufen. Das galt auch für die Fragerunde mit den Journalist­en. Als er die Hundegesch­ichte fertig erzählt hatte, wurde er noch gefragt, ob es ihn denn nicht reize, seinen Medaillens­atz mit Gold zu komplettie­ren. Die nächste Chance böte sich 2024 in Paris. Der Polizeiobe­rmeister grinste und sagte: „Wir sehen uns in drei Jahren wieder.“

 ?? Fotos: Jan Woitas, dpa ?? Im Zieleinlau­f wusste der Augsburger Canadierfa­hrer Sideris Tasiadis, dass ihm trotz Fehler ein guter Lauf geglückt war. Allerdings musste er noch weitere Starter abwarten, bis klar war, dass er die olympische Bronzemeda­ille gewonnen hat.
Fotos: Jan Woitas, dpa Im Zieleinlau­f wusste der Augsburger Canadierfa­hrer Sideris Tasiadis, dass ihm trotz Fehler ein guter Lauf geglückt war. Allerdings musste er noch weitere Starter abwarten, bis klar war, dass er die olympische Bronzemeda­ille gewonnen hat.
 ??  ?? Die etwas anderen Siegerehru­ngs‰Bil‰ der: Sideris Tasiadis mit Bronzemeda­ille und Schwarz‰Rot‰Gold‰Mundschutz.
Die etwas anderen Siegerehru­ngs‰Bil‰ der: Sideris Tasiadis mit Bronzemeda­ille und Schwarz‰Rot‰Gold‰Mundschutz.

Newspapers in German

Newspapers from Germany