Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Spitzenklasse aus der Region
Der zweite Teil der Orchestergala wird von den Augsburger Domsingknaben und der Pianistin Janina Fialkowska bestritten
Eine besondere Eigenschaft prägt die „Konzerte im Fronhof“, vor allem das zu Ende gegangene Festival 2021. Zur internationalen Klasse tragen Interpreten und Interpretinnen bei, die teils aus Augsburg beziehungsweise der Region stammen, oder aber Stars, die sich hier niedergelassen haben.
Ein Weltklassecellist ist Maximilian Hornung, der dies mit dem 1. Saint-Saëns-Konzert bestätigte. Johannes Kammler, in den OpernHighlights Papageno und Don Giovanni, war Domsingknabe und singt inzwischen auf internationalen Bühnen; auch ARD-Musikwettbewerbssiegerin Natalya Boeva, Mezzo am Staatstheater, imponierte. Was die traditionelle Jazz-Matinee betrifft (siehe unten stehender Bericht): Auch Vibraphonist Wolfgang Lackerschmid genießt internationalen Ruf. Und in der Orchestergala II am Sonntagabend in Evangelisch Heilig Kreuz sorgten „Einheimische“für Spitzenklasse: die in Neusäß beheimatete Pianistin Janina Fialkowska und die Augsburger Domsingknaben.
Der Chor gestaltete den ersten Teil, worin dem neuen Leiter der Domsingknaben, Stefan SteineGelegenheit gegeben wurde, sich zu präsentieren. Reinhard Kammler hatte das Ensemble begründet und zu einem der führenden Jungenchöre entwickelt. Er sieht in Stefan Steinemann seinen „Wunsch-Nachfolger“.
Die Palette des Dargebotenen demonstrierte die Vielseitigkeit des Ensembles. Die Kernaufgabe der Domsingknaben, die musikalische Gestaltung der Liturgie, oder die barocke Welt wie Bachs Oratorien sind das Eine. Doch Schätze romantischer Chormusik sind eine andere Herausforderung. Brahms, Schumann, Mendelssohn – sie wandten sich immer wieder der vokalen Musik zu und begriffen das Volkslied als einen Quell der Inspiration. Um dieser Musik das ästhetische Potenzial zu entlocken, sind Stimmkunst, geschulte Vokalkompetenz und künstlerische Fantasie gefordert. Dies ist Steinemann mit dem Chor eindrucksvoll gelungen.
Wie Schumann etwa in „Zigeunerleben“das exotische Flair mit deutscher Romantik überhöht, arbeitete Steinemann mit aufregenden
Akzenten, dem Changieren zwischen Vollton und liedhafter Schlichtheit hinreißend heraus. Die gestisch-harmonische Struktur von Brahms’ „Waldesnacht“wird mit fein verwobenen „Bausteinen“zelebriert. Friedrich Silchers Version des Schubert’schen „Lindenbaum“kam in prägnanter, fast sachlicher Ästhetik. Carl Friedrich Zöllners „Das Wandern ist des Müllers Lust“war geprägt von lautmalerischen Effekten. Wolfram Buchenbergs witzig-vertracktes „Heidschi Bumbeidschi“über die Bühne zu bringen – das war ein Bravourakt. Stefan Steinemanns suggestive, teils minimale, aber wirksame Zeichensprache überzeugte.
Im zweiten Teil des Abends trat wieder die SUK Symphony Prag unter Wilhelm Walz in Erscheinung und begleitete Janina Fialkowska. Die gebürtige Kanadierin, einst von Arthur Rubinstein als junge Musikerin hoch gelobt, macht Beethovens 4. Klavierkonzert zum Erlebnis. Beethoven geht hier über ein klassisches Schema hinaus: Solist/ Antwort Orchester. Ohne exzessive Mittel – wie in seinen Spätwerken – ins Spiel zu bringen, baut sich ein musikalischer Organismus auf, der lyrische und dramatische Szenen verzahnt und ineinanderführt, inmann, dem die Verteilung der Themen und ihre Entwicklung in immer wieder neuen und überraschenden Klangräumen aufleuchten.
Janina Fialkowska machte dieses musikalische organische Geschehen begreiflich und kreierte in jedem Kontakt mit dem Orchesterpartner ein überzeugendes Ereignis, das den weiteren Fortgang plausibel macht. Ihr Grundansatz ist dabei durchaus kraftvoll zupackend, um dann in die feinen und poetischen Phasen umso effektvoller zurückfallen zu können.
Die präludierenden Auftaktakkorde sind dem Klavier vorbehalten, piano, aber auch bestimmend von ihr modelliert. So wird das Feuerwerk ihrer chromatischen Skalen und Triller-Ausbrüche, technisch gleißend brillant realisiert, im Verein mit den lyrischen Sequenzen zu einer pulsierenden Klanglandschaft, die auf die Kadenz zusteuert, die einer eigenen Klaviersonate ähnelt.
Der expressive Gesamtansatz scheint auch im zweiten Satz durch, wenn sich der scheinbar sanfte Klavierklang und der von Wilhelm Walz geradezu aufregend ruppig gestaltete Orchesterpart annähern – ein ineinandergleitendes Spiel, das im virtuos huschenden, faunischen Spuk des Finales gipfelt. Applauswogen.
Stimmkunst und künstlerische Fantasie