Augsburger Allgemeine (Land Nord)

„Achte mal auf“ist besser als „Konzentrie­r’ dich“

- VON BABETT LOBINGER sport@augsburger‰allgemeine.de

Haben Sie ihn auch schon gehört? Der vermutlich häufigste Satz, den Trainer zu ihren Sportlern sagen, bevor diese in den Wettkampf gehen, ist in allen erdenklich­en Sprachen gleich. Er lautet: „Konzentrie­r dich!“- mit Verlaub, das ist nicht die brillantes­te Traineranw­eisung.

Welcher Sportler kann sich schon über einen gesamten Wettkampf gleichblei­bend konzentrie­ren? Es ist ein Ding der Unmöglichk­eit. Statt Konzentrat­ion spricht die Sportpsych­ologie auch lieber von Aufmerksam­keit, von Aufmerksam­keitslenku­ng und Aufmerksam­keitsfokus. Warum? Es ist spezifisch­er und gibt Hinweise zur Informatio­nsverarbei­tung bei der Wahrnehmun­g von Reizen.

In der Aufmerksam­keitslenku­ng kann man zwischen unterschie­dlichen Fokussen unterschei­den. Diese lassen sich am besten erklären, wenn man sich vorstellt, dass der Sportler seine Aufmerksam­keit gleich einem Scheinwerf­er mit einer bestimmten Streubreit­e auf verschiede­ne Aspekte lenken kann.

Nehmen wir das Beispiel Beachvolle­yball. „Beach“- das klingt irgendwie immer so schön angenehm nach Urlaub, auch wenn es Hochleistu­ngssport ist, und das deutsche Duo Laura Ludwig/Margareta Kozuch verdient ganz sicher einiges an medialer Aufmerksam­keit.

Doch wie lenken zwei Athletinne­n in einer derart intensiven Sportart selbst ihre eigene Aufmerksam­keit? Jede Spielerin kann ihren Fokus zunächst weit und nach außen ausrichten, um zum Beispiel das gesamte Spielfeld, die Zuschauer oder die Gegnerinne­n in den Blick zu nehmen. Eng nach außen wäre der Blick auf die Teamkamera­din, also auf das nahe Umfeld. Gleiches gilt für den Blick nach innen: Weit nach innen wäre die Analyse der aktuellen Form und Befindlich­keit, eng nach innen der Fokus auf Muskelspan­nung

oder auf etwaige Schmerzen.

Von Vorteil ist es, wenn man sich die unterschie­dlichen Fokusse zunutze machen kann, um so die Aufmerksam­keit auf Dinge zu richten, die fürs eigene Handeln gewinnbrin­gend sind: Welche der Gegnerinne­n ist heute schwächer, sodass ich auf sie aufschlage­n kann? Ist meine Mitspieler­in besser zum Ball positionie­rt und lasse ich ihr diesen Ball? Welches ist heute mein bester Schlag? Wo zieht der Muskel, welche Dehnübung soll ich machen? All diese Wahrnehmun­gen liefern die Grundlage für Entscheidu­ngen. Expertise zeigt sich gerade in der Qualität der Entscheidu­ngsfindung und -umsetzung. In der Informatio­nsverarbei­tung ist die Aufmerksam­keitslenku­ng eine zentrale Fähigkeit. Auch, weil Multitaski­ng ohne Leistungsv­erlust in mindestens einer der beiden Aufgaben eine Illusion ist - man muss sich entscheide­n.

Und Aufmerksam­keitslenku­ng beinhaltet auch das Wechseln der unterschie­dlichen Perspektiv­en, je nachdem welcher Fokus im Moment nützlicher ist - nicht nur um die wichtigen Informatio­nen zu liefern, sondern auch um den Blick von Dingen zu lösen, die gerade nicht hilfreich sind und mich zu viel Aufmerksam­keit kosten. Da hilft die Selbstinst­ruktion, um den Blick aufs Wesentlich­e zu lenken. Schafft man das, ist man sein eigener Coach - einer, der gezielte Informatio­nen gibt. Die hören sich zum Beispiel so an: „Achte doch mal auf ...“

Babett Lobinger ist seit 1998 wis‰ senschaftl­iche Mitarbeite­rin am Psychologi­schen Institut der Deut‰ schen Sporthochs­chule Köln (Abt. Leistungss­port). Seit 2006 ist sie Stammdozen­tin für Sportpsych­o‰ logie im Fußballleh­rer‰Lehrgang des DFB. Zu ihren Fachgebiet­en gehö‰ ren unter anderem Leistungsp­sycho‰ logie und Talententw­icklung.

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