Augsburger Allgemeine (Land Nord)
„Achte mal auf“ist besser als „Konzentrier’ dich“
Haben Sie ihn auch schon gehört? Der vermutlich häufigste Satz, den Trainer zu ihren Sportlern sagen, bevor diese in den Wettkampf gehen, ist in allen erdenklichen Sprachen gleich. Er lautet: „Konzentrier dich!“- mit Verlaub, das ist nicht die brillanteste Traineranweisung.
Welcher Sportler kann sich schon über einen gesamten Wettkampf gleichbleibend konzentrieren? Es ist ein Ding der Unmöglichkeit. Statt Konzentration spricht die Sportpsychologie auch lieber von Aufmerksamkeit, von Aufmerksamkeitslenkung und Aufmerksamkeitsfokus. Warum? Es ist spezifischer und gibt Hinweise zur Informationsverarbeitung bei der Wahrnehmung von Reizen.
In der Aufmerksamkeitslenkung kann man zwischen unterschiedlichen Fokussen unterscheiden. Diese lassen sich am besten erklären, wenn man sich vorstellt, dass der Sportler seine Aufmerksamkeit gleich einem Scheinwerfer mit einer bestimmten Streubreite auf verschiedene Aspekte lenken kann.
Nehmen wir das Beispiel Beachvolleyball. „Beach“- das klingt irgendwie immer so schön angenehm nach Urlaub, auch wenn es Hochleistungssport ist, und das deutsche Duo Laura Ludwig/Margareta Kozuch verdient ganz sicher einiges an medialer Aufmerksamkeit.
Doch wie lenken zwei Athletinnen in einer derart intensiven Sportart selbst ihre eigene Aufmerksamkeit? Jede Spielerin kann ihren Fokus zunächst weit und nach außen ausrichten, um zum Beispiel das gesamte Spielfeld, die Zuschauer oder die Gegnerinnen in den Blick zu nehmen. Eng nach außen wäre der Blick auf die Teamkameradin, also auf das nahe Umfeld. Gleiches gilt für den Blick nach innen: Weit nach innen wäre die Analyse der aktuellen Form und Befindlichkeit, eng nach innen der Fokus auf Muskelspannung
oder auf etwaige Schmerzen.
Von Vorteil ist es, wenn man sich die unterschiedlichen Fokusse zunutze machen kann, um so die Aufmerksamkeit auf Dinge zu richten, die fürs eigene Handeln gewinnbringend sind: Welche der Gegnerinnen ist heute schwächer, sodass ich auf sie aufschlagen kann? Ist meine Mitspielerin besser zum Ball positioniert und lasse ich ihr diesen Ball? Welches ist heute mein bester Schlag? Wo zieht der Muskel, welche Dehnübung soll ich machen? All diese Wahrnehmungen liefern die Grundlage für Entscheidungen. Expertise zeigt sich gerade in der Qualität der Entscheidungsfindung und -umsetzung. In der Informationsverarbeitung ist die Aufmerksamkeitslenkung eine zentrale Fähigkeit. Auch, weil Multitasking ohne Leistungsverlust in mindestens einer der beiden Aufgaben eine Illusion ist - man muss sich entscheiden.
Und Aufmerksamkeitslenkung beinhaltet auch das Wechseln der unterschiedlichen Perspektiven, je nachdem welcher Fokus im Moment nützlicher ist - nicht nur um die wichtigen Informationen zu liefern, sondern auch um den Blick von Dingen zu lösen, die gerade nicht hilfreich sind und mich zu viel Aufmerksamkeit kosten. Da hilft die Selbstinstruktion, um den Blick aufs Wesentliche zu lenken. Schafft man das, ist man sein eigener Coach - einer, der gezielte Informationen gibt. Die hören sich zum Beispiel so an: „Achte doch mal auf ...“
Babett Lobinger ist seit 1998 wis senschaftliche Mitarbeiterin am Psychologischen Institut der Deut schen Sporthochschule Köln (Abt. Leistungssport). Seit 2006 ist sie Stammdozentin für Sportpsycho logie im FußballlehrerLehrgang des DFB. Zu ihren Fachgebieten gehö ren unter anderem Leistungspsycho logie und Talententwicklung.