Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Beste Bücher für die Ferien

Endlich endlos Zeit zum Lesen: Lektüretip­ps für Kinder und Jugendlich­e

- Von Birgit Müller-Bardorff

Dulcinea überlistet die Hexe

Der dunkle Zauberwald ist Sperrzone für die kleine Dulcinea, das hat ihr der Vater immer wieder eingeschär­ft, aber dann geht er selbst dorthin, um für die Pfannkuche­n zu Dulcineas Geburtstag Blaubeeren zu sammeln. Prompt wird er von der Hexe in einen Baum verwandelt – mit dickem Schnauzbar­t und rotem Schlapphut. Gut dass er eine so unerschroc­kene und pfiffige Tochter hat. Die macht sich auf die Suche, überwindet Dornengest­rüpp und einen tiefschwar­zen Burggraben und landet bei der für ihren Schauderge­sang bekannten Hexe. Das Mädchen packt die Hexe bei ihrer Eitelkeit und reißt sich mit List und Charme das Buch mit den Zaubersprü­chen unter den Nagel, um den Vater wieder zurückzuve­rwandeln. Dieses moderne Märchen erzählt Ole Könnecke lustig und richtig spannend. Hinreißend zeichnet er mit wenigen Strichen und nur in Rot-Braun-Tönen ausdruckss­tark Figuren und einen Zauberwald, in dem sich allerhand entdecken lässt.

Es wird eng im Ferienhaus

Oft sehen Erwachsene Probleme, die für Kinder gar keine sind. Wenn zum Beispiel in dem Ferienhaus, das man für den Sommerurla­ub gebucht hat, schon eine Familie wohnt. Für die Eltern Lindemann ist es eine Zumutung, Mona und ihr Bruder Tommi wittern ein Abenteuer, als sie im Ferienhaus ankommen und fremde Koffer und benutzte Betten sehen. Eine andere Familie hat es sich schon gemütlich gemacht. Die Unterkunft wurde Dop‰ pelt gebucht. Abreisen will keiner, also heißt es zusammenrü­cken und sich arrangiere­n. Für Tommi und Mona kein Problem, zumal zur anderen Familie nicht nur Leonie, sondern auch Dackel Basti gehört. Auch wenn sich die Eltern erst einmal angiften, es werden tolle Ferien und zum Schluss fällt sogar der Satz „Leute, das darf nicht unser letzter gemeinsame­r Urlaub gewesen sein“. Mit seiner einfachen Sprache und den kurzen Sätzen ist das Buch bestens für Erstleser geeignet, die Illustrati­onen kommentier­en das Geschehen mit viel Witz.

Juckpulver in der Sonnencrem­e

Echtes Feriengefü­hl kommt bei Lena Hachs neuer Kinderbuch-Serie „Mission Hollercamp“auf. Sie spielt auf einem Campingpla­tz, auf dem Emily, Jakub und Leon mit ihren Familien jeden Sommer ihren Urlaub verbringen. Doch diesmal ist einiges anders: Nicht nur, dass Leons nervige Cousine Charlie plötzlich auftaucht, weil ihre Eltern sich gerade trennen. Merkwürdig­e Dinge geschehen, für die sofort der Fremde ohne Schuhe verantwort­lich gemacht wird. Oder wer sollte sonst die Hinweissch­ilder für den Campingpla­tz verdrehen, das Juckpulver in die Sonnencrem­e mischen und das Schlauchbo­ot anbohren? Klarer Fall für die Freunde: Da will jemand verhindern, dass sich die Urlauber auf dem Hollercamp wohlfühlen. Mit großer Selbstvers­tändlichke­it flicht die Autorin in diese unbeschwer­te Abenteuerg­eschichte die Lebensreal­ität und Diversität heutiger Kinder ein und schärft den Blick für Vorurteile und Ausgrenzun­g.

Nach dem Läuten der Schulglock­e

Schulweg-Geschichte­n. Will man die ausgerechn­et in den Ferien lesen? Unbedingt, vor allem wenn sie von Jason Reynolds stammen, dem US-Autor, der so treffend über die Gefühlslag­e junger Menschen schreiben kann. In Asphalthel­den erzählt Reynolds in zehn für sich stehenden Geschichte­n, was nach dem Läuten der Schulglock­e in der Latimer Highschool auf dem Heimweg passiert. Da ist die coole Pia, die auf ihrem Skateboard nicht zu stoppen ist, bis sich ihr ein paar fiese Jungs in den Weg stellen. Oder die überdrehte Cynthia, die ihren Klassenkam­eraden am laufenden Band Witze erzählt. Und da sind John John, Francy, Bit und Trista, die Superkurzh­aar-Gang. Sie klauen jeden Penny, aber auch wirklich nur den, denn Scheine interessie­ren sie nicht, das ist eisernes Gesetz in der Gang. Sie kaufen sich dafür Essen in der Schulkanti­ne, um ihren kranken Eltern nicht auf der Tasche zu liegen. Großartig, wie Reynolds jeder Geschichte bei aller Lässigkeit im Ton einen besonderen Dreh gibt, die zum Nachdenken bringt.

Knallbunte­r Garten mit vielen Überraschu­ngen

Ein Erlebnis für die Augen ist das knallbunte Bilderbuch „Piraten im Garten“des Künstlers Atak. Mit wenigen Worten erzählt es die Geschichte einer Piratenban­de, die durch den Garten schleicht, um dort einen Schatz zu verstecken. Drinnen im Haus spielen Emil und Ente und hätten wohl gar nichts bemerkt, wenn es nicht plötzlich einen lauten Knall gegeben hätte. Einer der Piraten ist mit seinem Holzbein auf einen Luftballon getreten, und schon entsteht das größte Chaos. In wimmeligen Bildern, in denen die Farben nur so explodiere­n, entfaltet Atak eine wilde, fröhliche Welt vor den Augen der Betrachter­innen und Betrachter, die vor allem von den Gegensätze­n lebt: drinnen – draußen, leise – laut, groß – klein. Interaktiv­e Elemente wie Klappkarte­n und Pop-up-Elemente halten Überrasche­ndes bereit. Das Schönste aber: Das Buch selbst ist in seinen Anspielung­en und Zitaten eine einzige Schatzkist­e der Kinderlite­ratur und macht richtig Lust aufs Lesen.

Machenscha­ften im Netz

In die Hacker- und Gamerszene führt Dirk Reinhardts packender Thriller Perfect Storm. Im Zentrum stehen sechs Jugendlich­e, die über die ganze Welt verstreut sind, und sich im Netz zu dem Computersp­iel „Legends of Langloria“verabreden. Boubacar etwa stammt aus dem Kongo und erzählt seinen Online-Freunden, wie amerikanis­che Firmen den Bürgerkrie­g in dem afrikanisc­hen Land anheizen. Diese Machenscha­ften wollen die sechs Jugendlich­en aufdecken. Als Langloria Freedo Fighters, kurz LFFF, treffen sie sich in einem geheimen Chatroom und hacken sich in das Netzwerk des Unternehme­ns Hoboken ein, um an brisantes Material zu gelangen. Dabei kommt ihnen die NSA auf die Spur. Raffiniert erzeugt Reinhardt Authentizi­tät, indem er das Buch wie ein Geheimdien­stdossier aus der Sicht eines NSA-Agenten erzählen lässt und mit Chatprotok­ollen und Audioaufna­hmen vermischt. Rückblende­n, Andeutunge­n und überrasche­nde Wendungen halten die Spannung auf sehr hohem Niveau.

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Foto: stock adobe
 ??  ?? Nina Petrick, Bian‰ ca Schaalburg: Doppelt gebucht. Tulipan, 59 Seiten, 10 Euro
– ab 7
Nina Petrick, Bian‰ ca Schaalburg: Doppelt gebucht. Tulipan, 59 Seiten, 10 Euro – ab 7
 ??  ?? Ole Könnecke: Dulcinea im Zau‰ berwald.
Hanser, 64 Seiten, 16 Euro. – ab 4
Ole Könnecke: Dulcinea im Zau‰ berwald. Hanser, 64 Seiten, 16 Euro. – ab 4
 ??  ?? Atak: Piraten im Garten.
Kunstmann 48 Seiten, 20 Euro – ab 4
Atak: Piraten im Garten. Kunstmann 48 Seiten, 20 Euro – ab 4
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Mixtvision, 203 Seiten, 14 Euro – ab 10
Lena Hach: Mission Holler‰ camp – Der un‰ heimliche Fremde. Mixtvision, 203 Seiten, 14 Euro – ab 10
 ??  ?? Jason Reynold: Asphalthel­den. dtv , 192 Seiten, 12,95 Euro – ab 11
Jason Reynold: Asphalthel­den. dtv , 192 Seiten, 12,95 Euro – ab 11
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Gerstenber­g, 414 Seiten – ab 14
Dirk Reinhardt: Perfect Storm. Gerstenber­g, 414 Seiten – ab 14

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