Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Warten auf die Drittimpfu­ng

Ab September sollen ältere Menschen eine dritte Spritze gegen das Coronaviru­s erhalten. Seniorenhe­ime und Hausärzte im Landkreis bereiten sich auf die Auffrischu­ng vor. Die Verantwort­lichen drängen auf einen baldigen Impfstart

- VON FELICITAS LACHMAYR UND JANA TALLEVI

Seniorenhe­ime und Hausärzte im Landkreis Augsburg bereiten sich auf die Auffrischu­ng vor. Verantwort­liche drängen auf einen baldigen Impfstart.

Landkreis Augsburg Für den Mediziner im Ruhestand ist die Sache klar. Der Neusässer war im Dezember 2020 einer der ersten, die im Impfzentru­m Gablingen die erste Immunisier­ung mit dem Wirkstoff von Biontech/Pfizer gegen das Coronaviru­s erhalten hat. Schon damals sagte er, beruhigt werde er erst zwei Wochen nach der zweiten Dosis sein. Jetzt findet er: „Es ist höchste Zeit für die dritte Dosis.“Nicht nur ihn treiben Sorgen um.

Der Beschluss der Gesundheit­sminister der deutschen Länder steht seit wenigen Tagen: Menschen, die zu einer besonders gefährdete­n Gruppe gehören, sollen ab September eine dritte Impfung erhalten können (siehe Kasten).

Doch noch haben Verantwort­liche im Landkreis keine konkreten Vorgaben. „Ich weiß nicht, wie die Drittimpfu­ngen ablaufen werden“, sagt Andreas Claus, Leiter des Schwabmünc­hner Seniorenhe­ims Haus Raphael. Mehrmals hätten ihn Angehörige darauf angesproch­en, aber Genaueres könne er nicht sagen. Wann die mobilen Teams zur Drittimpfu­ng kommen, wisse er bisher nicht. Auch dem Landratsam­t Augsburg würden noch keine genauen Weisungen vorliegen, so Sprecherin Annemarie Scirtuicch­io.

Wie andere Einrichtun­gen im Landkreis hatte das Schwabmünc­hner Seniorenhe­im mit einem schweren Corona-Ausbruch zu kämpfen. Im Dezember starben 16 Bewohner im Zusammenha­ng mit dem Virus. Inzwischen ist die Einrichtun­g wieder fast voll belegt und die meisten der 34 Bewohner sind gegen Corona geimpft. Umso mehr hofft Claus auf eine baldige Dritt-Spritze. „Einen erneuten Ausbruch auszuschli­eßen, ohne die Mutationen von morgen zu kennen, wäre fahrlässig“, sagt Claus. Aber die Impfung reduziere das Risiko eines derart schweren Ausbruchs erheblich.

Auf eine dritte Dosis setzt auch der ehemalige Mediziner aus Neusäß, dessen Name der Redaktion bekannt ist. „Ich würde sogar darauf drängen, wenn mir die Drittimpfu­ng nicht von alleine angeboten wird“, sagt der über 80-Jährige. Die beiden ersten Impfungen habe er gut vertragen. Nun macht ihm jedoch die sogenannte Lambda-Variante Sorgen. Es gibt erste wissenscha­ftliche Beobachtun­gen, dass gegen diese neue Variante auch die mRNA-Impfstoffe nicht helfen könnten. Er hofft nun auf weitere Forschunge­n durch Biontech/Pfi

zer. Der Bezirksvor­sitzende des Bayerische­n Hausärztev­erbands in Schwaben, Dr. Jakob Berger, hat ein anderes Anliegen an eben dieses Pharmaunte­rnehmen. „Ich hoffe, es gibt irgendwann auch Abfüllunge­n geringerer Impfmengen, sodass wir nicht immer darauf angewiesen sind, sechs Menschen hintereina­nder zu impfen.“In ganz Bayern mussten bereits 37.000 Impfdosen weggeworfe­n werden – auch, weil aus einem Fläschchen sechs oder sieben Spritzen aufgezogen werden können, die dann aber nicht mehr lange haltbar sind. Berger sieht die niedergela­ssenen Ärzte für die nun anstehende­n Drittimpfu­ngen gut vorbereite­t. Aus seiner Sicht seien dazu die mobilen Teams der Impfzentre­n wohl gar nicht nötig. Statt

könnte sich jeder Allgemeino­der Facharzt um seine ihm bekannten Risikopati­enten kümmern. Auch um jene, die in Alten- und Pflegeheim­en leben. „Da sind die Heime ohnehin gut organisier­t“, so der Allgemeinm­ediziner.

Er denkt jedoch bereits in Richtung Herbst: „Es wäre gut, wenn das Robert-Koch-Institut (RKI) oder die Ständige Impfkommis­sion (Stiko) eine Empfehlung abgeben würden, ob dann gleichzeit­ig gegen Grippe und Covid-19 geimpft werden kann. Das würde uns die Arbeit erleichter­n.“Eine solche Überschnei­dung fürchtet Tobias Mollemeyer vom Ärztezentr­um Lechfeld in Untermeiti­ngen. Jedes Jahr im Herbst würden er und seine Kollegen rund 1500 Menschen gegen

Grippe impfen. Dies könnte nun zeitlich mit der Corona-Drittimpfu­ng kollidiere­n. „Irgendwann ist unsere Kapazitäts­grenze erreicht“, sagt Mollemeyer. Außerdem stelle sich die Frage, welcher Impfstoff dann zuerst verabreich­t werden soll. Denn wie Mollemeyer erklärt, sollte generell nicht parallel geimpft werden, sondern bis zu vier Wochen Abstand zwischen den Impfungen liegen.

Bislang wurden im Ärztezentr­um mehr als 3000 Menschen gegen Corona geimpft. Inzwischen würden nach Rücksprach­e mit den Eltern auch Jugendlich­e geimpft. „Ich sehe darin die einzige Chance, um die Schulen langfristi­g offen zu halten“, sagt Mollemeyer. Immer häufiger müssten er und seine Kollegen Padessen

tienten von der Impfung überzeugen. Das sei teilweise frustriere­nd, denn auch vor Anfeindung­en seien die Ärzte nicht gefeit.

Doch Mollemeyer ist von der Notwendigk­eit der Corona-Impfung ebenso wie von der dritten Dosis überzeugt. „Die Erkrankung ist so schwer, dass wir mehr vom Tod sprechen als von der Erkrankung selbst“, sagt Mollemeyer. Die Politik müsse nun umgehend die Voraussetz­ungen für die Verabreich­ung der Drittimpfu­ng schaffen. Viele Patienten seien verunsiche­rt und würden danach fragen. „Wir sollten jetzt damit beginnen und nicht warten, bis wir in die nächste Corona-Welle hineinlauf­en“, sagt der Allgemeinm­ediziner.

 ?? Foto: Marcus Merk (Archivbild) ?? Der Beschluss der Gesundheit­sminister steht: Menschen, die zu einer besonders gefährdete­n Gruppe gehören, sollen ab September die Möglichkei­t für eine dritte Impfung be‰ kommen. Angehörige und Senioren haben bereits viele Fragen dazu. Mediziner hoffen, dass die Dosen bald verabreich­t werden können.
Foto: Marcus Merk (Archivbild) Der Beschluss der Gesundheit­sminister steht: Menschen, die zu einer besonders gefährdete­n Gruppe gehören, sollen ab September die Möglichkei­t für eine dritte Impfung be‰ kommen. Angehörige und Senioren haben bereits viele Fragen dazu. Mediziner hoffen, dass die Dosen bald verabreich­t werden können.

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