Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Wer in den Sommerferien die Schulbank drückt
Aufgrund der Corona-Pandemie sind bei vielen Augsburger Schülern Lücken entstanden. Über einen speziellen Unterricht soll ein Teil aufgefangen werden – auf unterschiedlichen Wegen
Die Schülerinnen und Schüler der Wittelsbacher-Grundschule sitzen im Kreis. Ein Kind liest langsam die Versuchsanordnung vor. In den vergangenen Tagen haben sie verschiedene Experimente mit Wasser gemacht, erzählen die Buben und Mädchen eifrig. Während sich viele ihrer Schulkameraden bereits in den Ferien befinden, drücken sie immer noch die Schulbank und besuchen die Sommerschule. Dort sollen sie Lücken schließen, die sich während der Corona-Pandemie aufgetan haben.
Insgesamt 1870 Wochenstunden wurden für die erste und letzte Ferienwoche genehmigt, informiert Schulamtsleiter Markus Wörle. Schwache Schüler seien in den vielen Wochen und Monaten im Distanzoder Wechselunterricht noch schwächer geworden. Nun gehe es darum, Lernstoff aufzuholen, aber auch die Lust am Lernen wieder zu wecken. „Der zusätzliche Unterricht soll ein Erlebnis sein und keine Strafe“, betont Wörle. Auch das so
Miteinander müsse nach der langen Zeit im Lockdown wieder gelernt werden.
26 Kinder wurden für die erste Woche der Sommerschule in der Wittelsbacher-Grundschule angemeldet, die regulär von 383 Schülerinnen und Schülern besucht wird, in der letzten Ferienwoche sind es 43. „Unsere Lehrkräfte haben sich nach den Pfingstferien ein Bild vom Wissensstand der Kinder gemacht. Danach wurde den Schülern gezielt Angebote gemacht, die auch von den Eltern in Anspruch genommen wurden“, erklärt Schulleiterin Iris Samajdar das Vorgehen an ihrer Schule. In der ersten Woche liege der Fokus auf Leseflüssigkeit, die trainiert sein will. Das sei bei manch einem Haushalt zu kurz gekommen. In der letzten Woche konzentriert sich der zusätzliche Unterricht, der durch das vom Freistaat aufgelegte Programm „Gemeinsam Brücken bauen“ermöglicht wurde, auf Mathematik. Der Zehnerübergang – also eine Rechenaufgabe wie etwa 9+7 – gestalte sich für viele Kinder schwierig und wurde dank Eltern oft zwar richtig gelöst, so Schulleiterin Iris Samajdar mit einem Augenzwinkern, als die Kinder aber nach den Pfingstferien in den Präsenzunterricht zurückkehrten, offenbarten sich doch einige Probleme.
Abgerundet werde der tägliche Unterricht von Angeboten des städtischen Programms „Kultur. Sommer. Schule“. „Es wird Theater gespielt, getanzt, gemalt und gebastelt. So sind die Kinder gut betreut in der Schule. Ein Geschenk für die Eltern“, sagt Samajdar. Neben Buben und Mädchen, deren Leistungen sich aufgrund der Corona-Pandemie verschlechtert haben, nehmen auch Schüler an der Sommerschule teil, die etwa unter einer Entwicklungsverzögerung leiden und sich nun beispielsweise während des Lockdowns sprachlich zurückentwickelten. „Daneben haben sich Eltern für das Angebot interessiert, deren Kinder im kommenden Schuljahr in die vierte Klasse kommen. Sie haben große Sorge, dass ihre Kinder beim anstehenden Übertritt aufgrund der Pandemie schlechter gestellt sind“, berichtet die Schulleiterin. Nach den Sommerferien gebe es weitere Förderangebote durch das Programm „Gemeinsam Brücken Bauen“, die auch auf die individuelle Hilfe abzielten.
Auch die weiterführenden Schulen bieten Sommerschulen an. Das Schulwerk der Diözese Augsburg hat an seinen Schulen dafür ein eigenes Programm aufgelegt. Am Maria-Ward-Gymnasium und Gymnasium Maria Stern nehmen 69 Schüler teil, in den vier Augsburger Realschulen des Schulwerks 145 Schüler und in der Franz-von-AssisiMittelschule 19 Schülerinnen und Schüler. Die Volkshochschule (vhs) bietet in Kooperation mit Stadt, Stadtjugendring und Kulturkiesel eine Sommerschule für Mittelschüler an. Das Bildungsprogramm, das vor allem das Selbstwertgefühl stärken soll, umfasse Bereiche wie Tanz, Kochen, Basteln, Graffiti oder Rap. „Am Freitag werden wir aber bei einem Gang durch die Stadt Stolpersteine und Erinnerungsbänziale der ansehen und den Gedenkraum im Rathaus besuchen und im Anschluss über gesellschaftliche Partizipation und Teilhabe sprechen“, sagt vhs-Leiter Stefan Glocker.
Schulleiterin Samajdar, Vertreter des Schulamtes wie auch Bildungsbürgermeisterin Martina Wild sind sich sicher, dass die Folgen der vergangenen Monate noch lange spürbar sein werden. „Es kommt nicht von ungefähr, dass wir uns sehr lange für die Öffnung der Schulen eingesetzt haben“, sagt Schulamtsleiter Wörle. Schule vermittle nicht nur Inhalte, sie stehe auch für Chancengerechtigkeit, gebe den Kindern Struktur und sei ein sicherer Ort, so Wild, die bereits an die Wochen nach dem Schulanfang denkt. Es sei abzusehen, dass die vierte Welle vor allem Kinder gefährde, die im Großteil nicht geimpft sind. „Deshalb muss ein Schutzwall um die Kinder errichtet werden, ein Kokon. Es müssten sich also alle Erwachsenen im Umfeld der Kinder impfen lassen. Denn wir brauchen Präsenzunterricht“, appelliert sie.