Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Lohnt sich Immobilienkauf in Augsburg noch?
Die Preise ziehen seit Jahren steil an, bei den Mieten ist der Anstieg etwas flacher. Wer sich den Erwerb leisten kann, schafft sich Haus oder Wohnung oft aus einem bestimmten Grund an
Käufer einer Wohnung oder eines Hauses in Augsburg müssen sich angesichts der weiter stark steigenden Preise künftig wohl genauer fragen, ob sich der Erwerb lohnt. Denn während die Kaufpreise in den vergangenen Jahren stark nach oben gingen, stiegen die Mieten in weitaus geringerem Maß. Laut einer Auswertung des Immobilienverbandes IVD stiegen die Mieten für angebotene Gebrauchtwohnungen in Augsburg in den vergangenen fünf Jahren um 19 Prozent, die Kaufpreise um 48 Prozent. Bei Neubau-Wohnungen, wo Augsburg mit Preisen von mehr als 6000 Euro pro Quadratmeter zu den teuren Städten in Deutschland gehört, geht die Schere teils noch weiter auseinander. Die Folge: Bis sich der Kauf einer Wohnung – sei es für Selbstnutzer oder Kapitalanleger – amortisiert, dauert es immer länger.
Das Beratungsinstitut Empirica, das systematisch Daten aus deutschen Städten auswertet, geht etwa davon aus, dass man in Augsburg für den Kauf einer Wohnung inzwischen um die 35 Jahresmieten (kalt) hinlegen muss. Vor zehn Jahren, so die Statistik, lag der Wert noch bei etwa 20 Jahresmieten. Und noch etwas haben die Berater ausgerechnet: Wer eine neue Wohnung kauft statt mietet, muss mit etwa 15 Quadratmetern weniger auskommen, wenn er monatlich denselben Betrag fürs Wohnen aufwenden will.
Mehr als das 25-Fache der Jahresmiete, so die Stiftung Warentest, sei „relativ teuer“, ab dem 30-Fachen zahle man sehr lange den Kredit ab. Für Augsburg geht die Stiftung in einer von der Zeitschrift Finanztest veröffentlichte Analyse je nach Objekt von einer Spanne zwischen 20,5 und 29,2 Jahren aus, bis sich der Kauf einer Wohnung amortisiert. Mit diesem Wert befindet sich Augsburg im Mittelfeld der anderen Städte.
Auf die Nachfrage scheint die Entwicklung bisher keine Auswirkungen zu haben. Auch angesichts von Quadratmeterpreisen von inzwischen bis zu 7000 Euro verkaufen sich Neubauwohnungen in Augsburg weiterhin gut. Auch gebrauchte Immobilien muss man nicht lange am Markt anbieten, bis ein Käufer gefunden ist. In Augsburg gebe es seitens privater Kapitalanleger aktuell mehr Nachfrage als vor Corona, berichtet beispielsweise Manfred Ruhdorfer, Geschäftsführer von Klaus-Wohnbau. „Im Privatbereich ist viel Geld vorhanden, welches nach Investment sucht“, sagt auch Michael Thiede, der mit seinem Augsburger Unternehmen Real Estate Solution Immobilienentwickler berät. Aus Sicht von Thiede ist die Rendite durch Mieteinnahmen nicht der große Posten in der Kalkulation von Wohnungskäufern – es ist der Wertzuwachs. „Das Entscheidende ist die Preisentwicklung, und da gab es in den vergangenen Jahren teils Verdoppelungen.“Seit 1970 seien die Preise in Augsburg nach oben gegangen, abgesehen von kleinen Dellen durch die Bankenkrise und den Abzug der US-Streitkräfte, der den Immobilienmarkt schlagartig mit Wohnungen flutete.
Florian Schreck, IVD-Vorstandsmitglied und Makler in Augsburg, sagt, dass es bei manchen Kaufinteressenten auch ein Stück weit eine Bauchentscheidung ist. „Man hört oft: ,Wer weiß, wohin die Reise geht, und mit Immobilien hat man noch nie etwas falsch gemacht‘“, so Schreck. Manch einer setze mangels Anlagealternativen auf eine Wohnimmobilie.
So sei auch die Nachfrage nach Apartments als Anlageobjekte, die in den vergangenen Jahren verstärkt in Augsburg gebaut werden, zu erklären. Auch Schreck sagt, dass die Zeiträume
für die Abfinanzierung von Immobilien angesichts der Preise und trotz der extrem niedrigen Zinsen länger würden. „Aber auch wenn nach 20 Jahren noch 100.000 Euro
Restschuld dastehen, tun die nicht weh, wenn es in der Zeit eine Wertsteigerung gegeben hat.“Vermögen werde über Generationen aufgebaut.
Für die Zukunft ist die entscheidende Frage, ob es nicht nur genug Anleger, sondern auch genug solvente Nutzer für die neuen Wohnungen gibt. In den bis 2030 reichenden amtlichen Prognosen ist für Augsburg weiterhin ein Bevölkerungswachstum vorhergesagt, Uniklinik und Innovationspark sollen hochqualifizierte Leute nach Augsburg ziehen. Doch Empirica-Chef Reiner Braun warnte schon vor zwei Jahren vor einer möglichen Preisblase, die sich auch in Schwaben abzeichnen könnte. Laut einem aktuellen Markreport hat sich das Risiko für Neubauten in Augsburg aber abgeschwächt – das PreisMiete-Verhältnis und das Preis-Einkommen-Verhältnis seien zwar bedenklich, allerdings werde wenig gebaut, sodass das Angebot unter der Nachfrage liegt, so die EmpiricaAnalyse. Auch die Bayerische Landesbodenkreditanstalt (BayernLabo) sieht in ihrem Jahresbericht 2020 ein gewisses Blasenrisiko für bayerische Städte und Landkreise, darunter auch Augsburg. Allerdings weist die Labo auch darauf hin, dass das Platzen einer etwaigen Blase in Schwarmstädten mit hoher Zuwanderung, dazu kann auch Augsburg zu einem gewissen Grad zählen, wohl nur den Effekt einer Delle hätte. In ländlichen Regionen könnten die Auswirkungen heftiger sein. Ein Thema bei der Risikoeinschätzung, sagt Berater Thiede, sei die Zinspolitik. „Der Immobilienmarkt in seiner jetzigen Form funktioniert nur, weil die Zinsen niedrig sind.“Allerdings seien Erhöhungen aufgrund der Geldpolitik vorläufig nicht absehbar. Auch wegen des im Vergleich zu anderen Ländern hohen Eigenkapitaleinsatzes sei Deutschland wesentlich resistenter. „Die reine Wohnimmobilie war immer schon eine wertstabile Anlage mit geringen Schwankungen“, sagt Thiede. Prof. Stephan Kippes vom IVD-Institut sieht in Augsburg auch langfristig steigende Immobilienpreise, schon allein aufgrund der relativen Nähe zu München. „Im Weichfeld von München gehen die Grundstückspreise deutlich nach oben, und das dehnt sich auf Augsburg aus.“Solange der Bedarf da sei und die Zahl der Neubauten in der Relation gering bleibe, werde es weiter Preissteigerungen geben. Nicht zuletzt werde die Verbreitung von Homeoffice Augsburg womöglich attraktiver für München-Pendler und -Pendlerinnen machen.