Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Nein zur Spritze hat viele Gründe
Warum in Afrika die Impfquoten so niedrig sind
Kapstadt
Die 40-jährige Cherry Muhima Noira ist sich sicher. Gegen das Coronavirus wird sie sich nicht impfen lassen. „Die Pharmakonzerne sind für ihre leeren Versprechen bekannt. Selbst Geimpfte können Corona bekommen. Was nützt das also?“, sagt die Künstlerin, die in der Stadt Goma der Demokratischen Republik Kongo lebt. So wie Noira denken viele der 90 Millionen Kongolesen. „Die Bereitschaft, sich impfen zu lassen, ist gering“, sagt Dr. Jean-Jacques Muyembe-Tamfum, Generaldirektor des Nationalen Instituts für Biomedizinische Forschung (INRB). Es kursierten viele Gerüchte über die Impfstoffe: Sie führten zum Tod, sie verursachten genetische Veränderungen, die Risiken seien größer als der Gesundheitsnutzen, so Muyembe-Tamfum.
Gesundheitsexperten betonen, dass im Kampf gegen die Pandemie eine weltweit ausreichende Durchimpfung nötig sei, um das Virus entscheidend einzudämmen. Doch in Afrika mit 1,3 Milliarden Menschen und rasantem Bevölkerungswachstum sind viele strikt gegen das Impfen. Bei einer Umfrage der Gesundheitsorganisation der Afrikanischen Union in 15 Ländern erklärte ein Fünftel der Befragten, sie würden die Spritze verweigern. Das könnte weltweit gravierende Folgen haben, warnt Dr. Gilson Paluku, der Beauftragte für Routineimpfungen und Einführung neuer Impfstoffe der Weltgesundheitsorganisation WHO in Afrika. Solange die Nachfrage nach Impfungen nicht steige, werde sich das Virus weiter ausbreiten und
„Ich will kein Versuchskaninchen sein“
zu vielen Varianten mutieren. „Das Risiko besteht, dass die auf dem Markt befindlichen Impfstoffe nicht gegen die neuen Varianten wirken. Das könnte alle Fortschritte beeinträchtigen, die wir bereits weltweit erzielt haben“, fügt Paluku hinzu. Sich impfen zu lassen sei eine individuelle Entscheidung mit globalen Konsequenzen.
Im Kongo verweigern laut Africa CDC 38 Prozent der Bevölkerung die Impfung, die Impfquote liegt bei weniger als 0,1 Prozent. In den meisten Ländern liegt sie ebenfalls im einstelligen Bereich. In Nigeria, dem mit über 200 Millionen Menschen bevölkerungsreichsten Land Afrikas, zeigt sich jeder Vierte impfskeptisch. In der Wirtschaftsmetropole Lagos erzählt die 26-jährige Maureen Nneke von ihrer Angst, der Impfstoff könne unfruchtbar machen. Sie habe gehört, die Impfung wirke wie ein Peilsender, mit dem man Menschen verfolgen könne. „Ich will kein Versuchskaninchen sein“, sagt Nneke. „Es zirkulieren so viel Fehlinformationen, die Panik auslösen. Wir wissen gar nicht, wie wir dagegen ankämpfen sollen“, sagt Dr. Reuben Ndiaya, Vorsitzender eines Ärzteverbandes in der Hauptstadt Abuja. Die Africa-CDC-Studie ergab, dass viele Menschen glauben, dass die Gesundheitsgefährdung durch Corona übertrieben dargestellt werde. In acht der 15 befragten Länder weigert sich die Mehrheit, Schutzmasken zu tragen.
Viele afrikanische Länder mussten lange auf die Lieferung der Vakzine warten – und dann wertvolle Dosen vernichten, weil nur wenige zur Impfung kamen. Der Kongo zum Beispiel vernichtete mehr als 300000 Dosen, weil das Haltbarkeitsdatum überschritten war. In anderen Ländern war es ähnlich. Dabei wäre eine hohe Durchimpfung in Afrika wichtig, wo die Todesrate bei 2,6 Prozent liegt – verglichen mit 2,2 Prozent weltweit – und wo vielerorts Intensivbetten und Sauerstoffgeräte fehlen. Kristin Palitza und Dido Kayembe, dpa